Soziales
Bürgergeld droht Stopp im Bundesrat
Bürgergeld droht Stopp im Bundesrat
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Im Streit zwischen Ampel und Union über die Reform der Grundsicherung wirken die Fronten verhärtet. Falls die Unions-Länder das Bürgergeld stoppen, steht ein hartes Ringen um einen Kompromiss an.
Im Streit über das Bürgergeld ist jetzt der Bundesrat am Zug: Die Länderkammer stimmt heute über die zentrale Sozialreform der Ampel-Koalition ab.
Nach dem Bundestagsbeschluss in der vergangenen Woche könnte das Vorhaben nun vorerst gestoppt werden, da eine Zustimmung unionsregierter Bundesländer erforderlich ist. CDU und CSU lehnen das Bürgergeld aber ab, weil es aus ihrer Sicht die Motivation senkt, eine Arbeit anzunehmen. Die Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP weisen das zurück. Falls der Bundesrat nicht zustimmt, steht eine schwierige Kompromiss-Suche im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat an - und das unter großem Zeitdruck.
Die SPD warb vor der Sitzung erneut um Zustimmung der Länder zum Bürgergeld, das die bisherige Grundsicherung Hartz IV ersetzen soll. «Viele Anregungen der Länder wurden im parlamentarischen Verfahren aufgenommen und geklärt. Ein Abschluss heute im Bundesrat ist möglich», sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, der Deutschen Presse-Agentur. «Die Hoffnung stirbt bei mir immer zuletzt. Das Bürgergeld ist im Bundestag verabschiedet. Es kann auch heute den Bundesrat passieren.»
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bekräftigte dagegen seine Ablehnung: «Wir werden auf keinen Fall zustimmen», sagte er in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin». Die Zielrichtung sei «einfach falsch».
Lindner: Bürgergeld-Blockade der Union schadet jungen Leuten
Finanzminister Christian Lindner warnte die Union, mit einer Blockade des Bürgergelds gerade leistungsorientierte junge Menschen zu bestrafen. «Ohne die Reform bleiben insbesondere Schüler, Studierende und Auszubildende, die voran kommen wollen, auf der Strecke», sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur. Einem Azubi, der 800 Euro erhalte, blieben beim jetzigen System nur 240 Euro vom selbst verdienten Geld. Beim Bürgergeld wären es laut Lindner mehr als 600 Euro.
«Wenn Friedrich Merz das Bürgergeld blockiert, muss er insbesondere fleißigen jungen Menschen erklären, warum er ihre Leistung nicht honoriert», sagte Lindner an den CDU-Chef gewandt. Gerade Jugendliche aus Familien im Sozialleistungsbezug brauchten Anerkennung für ihre Bemühungen und Motivation, um sich dauerhaft vom Sozialstaat unabhängig zu machen. «Die Blockade der Union ist kontraproduktiv», betonte Lindner.
Die Ampel-Pläne sehen eine Erhöhung des heutigen Regelsatzes von 449 Euro für Alleinstehende auf 502 Euro vor. Das ist unstrittig und wird auch von der Union befürwortet. Arbeitslose sollen zudem künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug (Sanktionen) unter Druck gesetzt werden, speziell im ersten halben Jahr des Bürgergeldbezugs («Vertrauenszeit»). Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern will die Ampel lockern. Bei all diesen Punkten hält die Union ihr Stoppschild hoch.
Kompromiss bis spätestens Ende November nötig
CDU-Vize Carsten Linnemann betonte in der ARD-Sendung «Anne Will», das System «Förden und Fordern» müsse erhalten bleiben. «Dass man jetzt sagt, im ersten halben Jahr gibt es bei Pflichtverletzungen keine Sanktionen, keine gelbe Karte, keine rote Karte - das hat mit dem Sozialstaatsprinzip nichts mehr zu tun. Da sagen viele Leute: Warum soll ich dann morgens noch aufstehen und arbeiten gehen?»
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hielt dagegen: «Es gibt keine Fallkonstellation in Deutschland, bei der Leute, die arbeiten gehen (...) weniger am Ende haben als jemand im Bürgergeld-Bezug» - unter der Bedingung, dass Geringverdiener ihre Anrechte etwa auf staatliches Wohngeld auch durchsetzen. Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sagte der «Rheinischen Post», Arbeit werde sich noch immer lohnen. «Und für diejenigen, die sich verweigern, gibt es auch weiterhin Sanktionsmöglichkeiten.»
Sollte das Vorhaben im Vermittlungsausschuss landen, müsste ein Kompromiss nach Experteneinschätzung bis spätestens Ende November gefunden sein, damit das Bürgergeld wie geplant zum 1. Januar eingeführt werden kann. Bundesratspräsident Peter Tschentscher (SPD) hält dies für möglich. «Erhält das Gesetz in dieser Sitzung keine Zustimmung, kann noch im November ein Vermittlungsverfahren durchgeführt und eine Einigung erreicht werden», sagte der Hamburger Bürgermeister der «Rheinischen Post». Das Bürgergeld sei eine «wichtige Entlastung für Millionen Menschen, die gerade in schwierigen Zeiten auf Unterstützung angewiesen sind».
Grüne: Nicht von CDU «auf der Nase herumtanzen lassen»
Der Arbeits- und Sozialminister von Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann (CDU), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Am Ende muss ein politischer Kompromiss her.» Genau für solche Fälle gebe es den Vermittlungsausschuss. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Johannes Vogel, zeigte sich im «Bericht aus Berlin» gesprächsbereit «über alles». «Aber was nicht passieren darf ist, dass das ganze Verfahren blockiert wird.»
Die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, forderte von ihrer Partei eine harte Linie in etwaigen Verhandlungen. «Ich erwarte von allen Teilen der Grünen Partei, sich in Bund und Land dafür einzusetzen, dass es wirklich zu einer menschenwürdigen Grundsicherung kommt. Niemand sollte sich von der CDU auf der Nase herumtanzen lassen», sagt sie dem RND. «Die Ampel sollte sich von dieser Arbeitgeberlobby-Partei nicht ihre Gesetze nicht diktieren lassen.»
Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe warf der Ampel in der Bürgergeld-Debatte «unsachliche Angriffe» auf die Union vor. «Gespielte Empörung erschwert die Kompromiss-Suche in dem absehbaren Vermittlungsverfahren. Statt zu poltern, sollte gerade die SPD einsehen, dass weitgehende Veränderungen am Gesetz für eine Einigung unumgänglich sind», forderte der CDU-Sozialpolitiker. Ampel-Politiker hatten der Union unter anderem vorgeworfen, «Fake News» zum Bürgergeld zu verbreiten.