Flüchtlinge

Gegenseitige Appelle zu stärkerer Begrenzung der Migration

Gegenseitige Appelle zu stärkerer Begrenzung der Migration

Gegenseitige Appelle zu stärkerer Begrenzung der Migration

dpa
Berlin
Zuletzt aktualisiert um:
Asylbewerber stehen in einer Erstaufnahme-Einrichtung in Brandenburg in einer Schlange. Foto: Hannes P Albert/dpa

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Die Politik sucht unter wachsendem Druck Antworten auf steigende Flüchtlingszahlen, die in vielen Kommunen zu praktischen Problemen führen. Kommen dazu jetzt parteiübergreifende Ansätze in Sicht?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich für eine stärkere Kontrolle der irregulären Migration ausgesprochen und mögliche zusätzliche Maßnahmen in Aussicht gestellt. Es seien sehr viele, die nach Europa und nach Deutschland kämen, und die Zahl habe «dramatisch zugenommen», sagte er bei einer SPD-Kundgebung am Samstag in Nürnberg. «Deutschland bekennt sich zum Asylrecht», betonte der Kanzler. Wer komme und sich nicht auf Schutzgründe berufen könne oder Straftaten begangen habe, müsse aber auch zurückgeführt werden.

Scholz forderte mit Blick auf die Lage an den Grenzen Aufklärung über mögliche Unregelmäßigkeiten bei Visavergaben im Nachbarland Polen. «Ich möchte nicht, dass aus Polen einfach durchgewinkt wird und wir dann hinterher die Diskussion führen über unsere Asylpolitik.» Es müsse so sein, «dass wer in Polen ankommt, dort registriert wird und dort ein Asylverfahren macht» - und nicht Visa, die irgendwie für Geld verteilt worden seien, das Problem noch vergrößerten. Darüber solle mit der polnischen Regierung gesprochen werden.

Forderungen nach gemeinsamen Lösungen

Im Ringen um eine stärkere Begrenzung der Migration fordern sich Ampel-Koalition und Union gegenseitig zu gemeinsamen Lösungen auf. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der «Süddeutschen Zeitung»: «Wenn wir dieser Herausforderung Herr werden wollen, dann müssen die Parteien im Deutschen Bundestag bereit sein, parteiübergreifend den Schulterschluss zu suchen.»

Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Wenn wir nicht wollen, dass der Rechtspopulismus dieses Thema ausbeutet, dann sind alle demokratischen Parteien verpflichtet, bei der Suche nach Lösungen zu helfen.» Die FDP hielt den Grünen jedoch «Blockaden» vor und rief sie zum Umdenken auf.

Habeck sagte bei einem Grünen-Parteitag in Neumünster in Schleswig-Holstein: «Was wir machen müssen, sind konkrete Maßnahmen, die den Menschen helfen, den Kommunen helfen, die insgesamt dem politischen System helfen.» Hohle Sprüche und Phrasen würden nicht weiterhelfen. Habeck sprach sich für Abkommen mit Herkunfts- und Transitländern aus. Das bedeute aber, «diesen Ländern auch etwas zu geben». Es dürfe nicht dazu führen, dass sie nach dem Motto «Geld gegen Gewalt» Menschen mit totaler Gewalt zurückführten. Stattdessen gehe es darum, für Anreize zu sorgen, die durchreisenden Menschen zu halten. Anschließend könnten sie gesteuert nach Europa geholt werden.

FDP dringt auf Umdenken der Grünen

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte den bisherigen Kurs der Grünen scharf. «Ob bei Reformen auf europäischer Ebene oder bei der Einstufung der sicheren Herkunftsländer: Die Grünen sind in der Migrationspolitik ein Sicherheitsrisiko für das Land und erschweren durch realitätsferne Positionen konsequentes Regierungshandeln und parteiübergreifende Lösungen», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Hier müsse dringend ein Umdenken der Grünen stattfinden.

«Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik»

Linnemann sagte, es brauche in der Migrationspolitik jetzt «so einen Konsens wie 1993». Damals war auf Grundlage eines Kompromisses von Union und FDP mit der oppositionellen SPD das Asylgrundrecht eingeschränkt worden. «Ich persönlich würde dann sofort öffentliche Zuspitzungen im Streit mit den Ampel-Parteien sein lassen - und ich wäre sofort bereit zu sagen: Kommt, wir setzen uns an einen Tisch! Damit die Flüchtlingszahlen runtergehen», sagte Linnemann. Die gesamte Infrastruktur sei nicht auf diese hohe Zahl ausgelegt.

Am Freitag hatte die oppositionelle Union im Bundestag bereits einen eigenen Antrag für einen «Deutschland-Pakt in der Migrationspolitik» mit verschiedenen Forderungen vorgelegt. Hintergrund ist der zuvor von Kanzler Olaf Scholz (SPD) vorgeschlagene Deutschland-Pakt. Die Union moniert, dass der Ankündigung keine konkreten Schritte folgten.

Zusätzliche Grenzkontrollen?

Mögliche Bewegung deutete sich in der umstrittenen Frage zusätzlicher Grenzkontrollen an. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der «Welt am Sonntag» auf die Frage, ob es an der polnischen und tschechischen Grenze kurzfristige stationäre Kontrollen geben werde: «Aus meiner Sicht ist das eine Möglichkeit, Schleuserkriminalität härter zu bekämpfen.» Ein Ministeriumssprecher teilte der Deutschen Presse-Agentur unter Bezug auf das Interview mit: «Entsprechende zusätzliche grenzpolizeiliche Maßnahmen werden aktuell geprüft.»

Solche zusätzlichen Kontrollen müssten mit der Überwachung des gesamten Grenzgebiets durch die Schleierfahndung gut zusammengreifen, sagte Faeser. «Dafür haben wir die Präsenz der Bundespolizei an der polnischen und der tschechischen Grenze bereits stark verstärkt.» Sie warnte zugleich: «Man sollte aber nicht suggerieren, dass keine Asylbewerber mehr kommen, sobald es stationäre Grenzkontrollen gibt.» Wenn eine Person an der Grenze um Asyl bitte, müsse der Asylantrag in Deutschland geprüft werden. Entscheidend bleibe also der Schutz der EU-Außengrenzen, «den wir mit dem gemeinsamen Asylsystem erreichen».

Aus Ländern und Kommunen kamen zuletzt zunehmende Warnungen vor einer Überlastung. Bis Ende August registrierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr als 204.000 Erstanträge auf Asyl - ein Plus von 77 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Dazu kommt, dass wegen des russischen Kriegs mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine in Deutschland Schutz suchten, die keinen Asylantrag stellen müssen.

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