Energiekrise

Streit um Atomausstieg - Bundesamt gegen längere Laufzeiten

Streit um Atomausstieg - Bundesamt gegen längere Laufzeiten

Streit um Atomausstieg - Bundesamt gegen längere Laufzeiten

dpa
Berlin
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Der Atomausstieg ist für Ende 2022 geplant. Doch die Bundesregierung steht zunehmend unter Druck, diesen zu verschieben. Foto: Armin Weigel/dpa

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Die Debatte über verlängerte AKW-Laufzeiten dauert weiter an. Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung lehnt eine Verlängerung ab. Die CSU lässt hingegen nicht locker.

Der Präsident des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung, Wolfram König, lehnt verlängerte Laufzeiten von Atomkraftwerken in Deutschland ab.

«Eine solche Abschätzung müsste nicht nur die Sicherheit der Atomkraftwerke berücksichtigen, sondern auch die Entsorgung der radioaktiven Abfälle» schreibt König in einem Beitrag für die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung». «In beiden Fällen wären die gesamtgesellschaftlichen Kosten für einen Weiterbetrieb der Anlagen erheblich», gab König zu bedenken. «Der mühsam errungene gesellschaftliche Konsens würde auch grundsätzlich infrage gestellt werden.»

Aktuell sind noch drei Atomkraftwerke in Deutschland am Netz: Emsland in Niedersachsen, Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg. Sie sollen laut Gesetzeslage aber Ende 2022 abgeschaltet werden. Diskutiert wird unter anderem, sie in einem sogenannten Streckbetrieb einige Monate länger laufen zu lassen. Das schließen auch Grünen-Politiker nicht aus, verweisen aber auf einen neuen Stresstest zur Stromversorgung, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angeordnet hat.

König hat zudem erhebliche Zweifel am Zeitplan für die Suche nach einem Standort für ein Atommüllendlager in Deutschland. Bis zum Jahr 2031 soll laut Gesetz die Entscheidung für einen Endlager-Standort gefallen sein, damit ab 2050 die Lagerung beginnen kann. «Mein Bundesamt hat gegenüber dem mit der Standortsuche beauftragten Unternehmen immer wieder den Fortschritt im Verfahren angemahnt, damit der gesetzlich festgelegte Zeitplan eingehalten wird. Bis das Endlager betriebsbereit ist, sind weitere 20 Jahre anzusetzen», schreibt König. «Heute muss ich konstatieren, dass ich das Ziel 2031 für nicht mehr realistisch halte.»

Dobrindt: AKW-Laufzeitverlängerung um fünf Jahre denkbar

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hält verlängerte Laufzeiten von Kernkraftwerken in Deutschland um mehrere Jahre hingegen für möglich. In der «Welt am Sonntag» forderte der CSU-Politiker eine Entscheidung zur «Vernunft-Energie». «Wir werden uns noch lange Zeit Putins brutalem Versuch, den Westen durch Energieterror zu destabilisieren, ausgesetzt sehen. In dieser Lage sind Laufzeitverlängerungen für die Kernkraft von mindestens weiteren fünf Jahren denkbar.»

Auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann plädierte dafür, die noch drei am Netz befindlichen deutschen Atomkraftwerke länger laufen zu lassen. Zwar sollte der Atomausstieg grundsätzlich nicht infrage gestellt werden, sagte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 9. Oktober. Angesichts der drohenden Gas- und auch Stromlücke erwarteten die Menschen aber pragmatische Lösungen, um gut durch den Winter zu kommen. «Insofern darf man keine Option ausschließen, die auf der Hand liegt», sagte Althusmann. Ein sogenannter Streckbetrieb - bei dem mit den bisherigen Brennelementen länger Strom produziert wird - sei zwingend notwendig. Althusmann forderte ferner, Brennelemente aus dem Ausland zu bestellen und vorsorglich zurückzulegen, um im Fall der Fälle eine Energielücke zu verhindern.

Trittin: Bayern muss mehr Strom einsparen

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin forderte in Richtung CSU, mehr Strom einzusparen. «Wir haben ein regionales Problem, und zwar in Bayern. Und ich sage den Bayern: Man kann da ganz viel machen, vor allem Stromsparen», sagte der frühere Umweltminister dem «Tagesspiegel». «Dass im Winter die bayerischen Alpen mit Schneekanonen beschneit werden, muss auf den Prüfstand. Wir haben in Bayern ein gigantisches Stromsparpotenzial, das weit über dem liegt, was Isar 2 liefern könnte.»

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder entgegnete, Bayern liege mit 53 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien erheblich über dem Bundesdurchschnitt und werde nun auch bei der Nutzung der Windenergie deutlich besser. Zugleich warf der CSU-Chef den Grünen eine unklare Haltung zum Weiterbetrieb von AKW vor. «Mit ihrer zögerlichen Tiki-Taka-Politik zur Kernenergie hat die Bundesregierung wegen der Grünen bereits sehr viel Zeit verloren, schrieb Söder am Samstag auf Twitter.

Lemke: Stresstest soll Situation bewerten

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» mit Blick auf Isar 2: «Wenn der Stresstest ergibt, dass Bayern tatsächlich ein ernsthaftes Strom- bzw. Netzproblem haben könnte, dann werden wir diese Situation und die dann bestehenden Optionen bewerten.»

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte es «offenkundig», worum es Söder, CDU-Chef Friedrich Merz und Politikern der FDP eigentlich gehe: «Die Rücknahme des Atomausstiegs.» Die Atomkraft sei eine «gefährliche und teure Hochrisikotechnologie». Dagegen müsse man auf Energieeinsparung, Effizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien setzen. Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital betonte ebenfalls mit Hinweis auf die Risiken: «CSU und CDU agieren unseriös, wenn sie so tun, als könne man die Reaktoren einfach weiterlaufen lassen und sogar bereits abgeschaltete AKW wieder in Betrieb nehmen.» Fakt sei, dass seit Jahren vorgeschriebene Sicherheitsüberprüfungen der AKW fehlten.

Zur Klärung der Grünen-Position zu längeren Laufzeiten hält Ex-Umweltminister Trittin notfalls einen Parteitag für nötig. «Wenn man ernsthaft eine Änderung des Atomgesetzes wollte, wird das ohne Parteitag nicht gehen», sagte Trittin dem «Tagesspiegel». Trittin betonte, auch ein sogenannter Streckbetrieb sei eine Laufzeitverlängerung. Dafür müsse das Atomgesetz geändert werden. «Das werden wir nicht anfassen», zeigte sich Trittin überzeugt. Denn die FDP hoffe ansonsten, mit der Union zusammen alles Mögliche da neu rein zu verhandeln, meinte er.

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