Föhrer Vergangenheit

Auf dem Flachsfeld hatten Frauen das Sagen

Auf dem Flachsfeld hatten Frauen das Sagen

Auf dem Flachsfeld hatten Frauen das Sagen

Karin de la Roi-Frey/shz.de
Föhr
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Die Blüten sind wunderschön, die Samen essbar und ein Heilmittel und aus den Fasern werden Stoffe gewebt: Flachs ist eine sehr vielseitige Pflanze. Foto: Imago

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Frauen bauten die Pflanzen an und verarbeiteten die Fasern zu Leinenstoffen.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts „bebaute in Norddeutschland fast jeder Bauer einen kleinen, möglichst neu umgebrochenen Acker mit Flachs“, berichten manche Quellen. Das aber ist nicht richtig, denn dem Bauern gehörte wohl das Land, aber der Flachs war ausschließlich der Bereich der Frauen: von der Saat bis zum Spinnen. Auf dem Flachsfeld konnten die Frauen für kurze Zeit beweisen, das sie auch alleine ohne männliche Hilfe sehr gut zurecht kamen. Und das war ihnen in der bäuerlichen Obrigkeitsstruktur, verkörpert durch Oberknecht und Bauer, sehr wichtig.

Mägde erhielten oft als festen Teil ihres Lohns ein Stück Flachsfeld zur eigenen Bearbeitung. Dort waren sie keine Befehlsmpfängerinnen. Im Gegenteil, sie arbeiteten von der Saat bis zum Spinnen in eigener Verantwortung. Der Flachs aber bestimmte, wann was zu tun war. Bräute achteten besonders auf das Gedeihen des Flaches, glaubten sie doch, daran Glück oder Unglück ihrer zukünftigen Ehe zu erkennen.

Den Blick in eine Wyker Spinnstube zeigt diese alte Postkarte. Foto: Karin de la Roi-Frey

Die einjährige Kulturpflanze wurde im Frühjahr gesät. So lange die drei bis vier Monate wachsenden Pflanzen noch jung waren, musste das Feld mehrfach gejätet werden. Dann hieß es: „De Deern is bi to Flass wüden“, in manchen Regionen sagte man auch „jüdden“. Für die Fasergewinnung wurde der Flachs kurz vor der Samenreife, wenn er eine bräunliche Färbung angenommen hatte, geerntet. Nun begann überhaupt erst die richtige Arbeit. „Der Flachs geht neunmal durch des Menschen Hand, bis er ihn als Leinwand auf dem Leibe trägt“, wusste der Volksmund. Einst gehörten die Einzelschritte des umständlichen Arbeitsprozesses wie  das Riffeln (Abkämmen der Samenkapseln), Dörren (im Ofen) oder Brechen (um an die Fasern zu gelangen) zum Allgemeinwissen.

Der Mitte des 19. Jahrhunderts in Langenhorn aufgewachsenen Pädagoge und Philosoph Friedrich Paulsen  erinnert sich: „Die Mutter kaufte jeden Herbst einen ‚Stein‘ Flachs in Bredstedt ein“. „Stein“ war dabei die Gewichtsbezeichnung für zirka  elf  Kilogramm.   Und Paulsen weiter:   „Er wurde von ihr eigenhändig ‚gehechelt‘, erst durch grobe, dann durch feinere Kämme von Eisenstacheln gezogen und so von der ‚Heede‘ gesondert, in zierlichen Bündlein aufgeknüpft und dann versponnen“. Die Heede waren   holzige, härtere Fasern. Sie waren  der Abfall, der weiterverarbeitet wurde zu grobem Leinen, aus dem zum Beispiel  Bettlaken oder Tischtücher, Säcke, Beutel, Hemden oder auch „Heedenröcke“ gewebt wurden.

Zu feinem Tuch gewebt

Für ein besonders starkes Gewebe wurden zwei oder drei Fäden auf dem Spinnrad zusammengedreht. Die aus diesem Garn hergestellten Stoffe nannte man „Zwillich“ oder „Drillich“. Die nun übrigen reinen Flachssträhnen wurden gesponnen und zu feinem Tuch gewebt. „Im Winter saßen die Frauen am Spinnrad“ heißt es landauf und landab. Abend für Abend ging es darum, einen möglichst gleichmäßigen und festen Faden zu erhalten. Das war die Arbeit der Hausfrau oder erfahrener Mägde, während Anfängerinnen nur die Heede anvertraut wurde.

Übrig geblieben von einer einst selbstverständlichen und notwendigen Tätigkeit sind Begriffe wie „ins Blaue fahren“ (zur Zeit der blauen Flachsblüte) oder jemanden durchhecheln (mit spitzen Reden verhöhnen).

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