Geomar Helmholtz-Zentrum

Mikroplastik im Meer für Miesmuscheln nicht gefährlich

Mikroplastik im Meer für Miesmuscheln nicht gefährlich

Mikroplastik im Meer für Miesmuscheln nicht gefährlich

Frank Jung/shz.de
Kiel
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Foto: Inna Sokolova

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Ein Langzeit-Experiment aus Kiel zeigt: Mikro-Plastik im Meer wirkt auf Miesmuscheln weniger gefährlich als befürchtet.

Ob in den Sedimenten der Tiefsee, im Eis der Polargebiete oder erst recht in dichtbesiedelten Meeren wie Nord- und Ostsee: Partikel von Mikroplastik finden Forscher so gut wie überall in der Umwelt. Doch realistische Studien zu den Auswirkungen sind rar. Umso mehr Aufmerksamkeit wird da eine Studie zweier Wissenschaftler des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel auf sich ziehen. Sie haben das bislang längste Labor-Experiment zu den Folgen künstlicher Mikropartikel auf Miesmuscheln ausgewertet. Und zwar mit einem hoffnungsvollen Ergebnis: „Entgegen verbreiteter Befürchtungen zeigt unsere Studie, dass die Miesmuscheln auch über einen längeren Zeitraum kaum beeinträchtigt werden“, sagt Erstautorin Thea Hamm.

Miesmuscheln eignen sich als Modellorganismus für derartige Analysen besonders, weil sie in vielen Küstenökosystemen verbreitet sind. Zur Nahrungsaufnahme filtrieren sie Meerwasser und nehmen dabei unweigerlich Mikroplastik aus dem Meerwasser auf.

Die Muscheln standen 42 Wochen lang unter Beobachtung

Thea Hamm hat junge Miesmuscheln in einem Labor in Kiel über 42 Wochen verschiedenen Konzentrationen und Arten von Mikroplastik ausgesetzt. Die Verschmutzung in den Versuchstanks entsprach Werten, die Forscher in der Umwelt tatsächlich messen. Frühere Untersuchungen hätten mit unrealistisch hohen Plastikkonzentrationen und zu kurzen Zeiträumen gearbeitet. In den jetzigen Versuchen fanden gleichmäßig runde Partikel wie sie etwa in Kosmetika vorkommen ebenso Verwendung wie unregelmäßig geformte. Letztere entstehen beim Zerfall größerer Kunststoffteile.

Wachstumsrate, Haftfähigkeit und Filter-Aktivität als Indikatoren

Beobachtet hat Thamm zum Beispiel die Wachstumsrate der Muscheln, die Produktion der Haftfäden, mit denen sie sich am Untergrund festhalten oder auch die Rate, mit der sie Futteralgen aus dem Wasser filterten.

Das ist zunächst eine beruhigende Nachricht. Aber sie bedeutet noch keine Entwarnung, was die Verschmutzung generell angeht.

Thea Hamm, Meeresforscherin

Negative Effekte Einflüsse des Mikroplastiks zeigten sich laut einer Mitteilung von Geomar erst spät im Experiment und „waren eher schwach“. Hamm schlussfolgert: Zumindest in der Konzentration, in denen Mikroplastik zur Zeit im Meer vorkommt, scheine es nur eine geringe Bedrohung für Miesmuschelpopulationen darzustellen. „Das ist zunächst eine beruhigende Nachricht“, sagt Hamm, betont aber zugleich: „Sie bedeutet aber noch keine Entwarnung was die Verschmutzung mit den Mikropartikeln generell angeht. Andere Arten reagieren vielleicht anders. Wir benötigen einfach noch mehr Langzeitexperimente.“

Größere Tiere wie etwa Vertreter einiger Wal- und Seevogelarten können nachgewiesenermaßen verenden, wenn sie zu viel größere Plastikteile verschlucken. Mikroplastik beginnt erst bei einem Ausmaß von weniger als fünf Millimetern.

Die neue Kieler Studie ist in der internationalen Fachzeitschrift „Science of the Total Environment“ veröffentlicht worden.

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