Jugendhilfe

„Systemsprenger“:Traumapädagogin und Psychologin beraten Jugendhilfe-Teams

„Systemsprenger“:Traumapädagogin und Psychologin beraten Jugendhilfe

Traumapädagogin und Psychologin beraten Jugendhilfe-Teams

Silke Schlüter/shz.de
Niebüll
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An die Grenze gehen: Das Team von ''Haus am Park'' in Husum hat die ''IPT-Leistungen'' genutzt und ist sehr zufrieden. Foto: Kompass

Kreisläufe durchbrechen und neue Lösungen finden: Das Intensivpädagogische Team berät Einrichtungen, Eltern und Kinder.

Der Kreis Nordfriesland hat seine Sozialraumverträge für die Jugend-, Familien- und Eingliederungshilfen neu vergeben. In der Jugendhilfe haben sich die Kompass gGmbH (Sozialräume Nord/Süd), das Diakonische Werk Husum (Husum/Mitte) und das Diakonische Werk Südtondern (Inseln) durchgesetzt; in der Eingliederungshilfe die IUVO gGmbH (Süd) sowie die Lebenshilfe Husum (Husum/Mitte), Niebüll (Nord) und Inseln (Inseln). In loser Reihenfolge stellen wir alle Sozialraumträger mit einem konkreten Angebot vor. Heute geht es um ein Beratungskonzept der Kompass gGmbH in Niebüll, mit dem die Teams in der Achtruper Mühle und im Haus am Park in Husum gute Erfahrungen gemacht haben.


Der Teufelskreis der "Systemsprenger"


Ein Problem der Kinder- und Jugendhilfe besteht darin, dass sie von Kreisläufen geprägt sein kann: Die Kinder und Jugendlichen werden von einem Hilfesetting ins nächste verschoben und durchlaufen so nicht selten in wenigen Jahren verschiedene Hilfemaßnahmen. Vor allem dann, wenn sie sich in großem Maße grenzüberschreitend verhalten („Systemsprenger“). Oder eine Hilfemaßnahme stagniert und es braucht Ideen zur Gestaltung des Hilfeprozesses von außerhalb.

Für beide Fälle bietet Kompass IPT-Leistungen an: das Intensivpädagogische Team – bestehend aus einer Traumapädagogin und einer Psychologin – kann immer dann hinzugezogen werden, wenn Kinder, Jugendliche und Familien, aber auch das Helfersystem, an ihre Grenzen stoßen. Der Zugang wird über eine Fallberatung mit dem Jugendamt ermöglicht.

Die pädagogische Leiterin Dr. Karo Torpus beschreibt ein fiktives Beispiel:

Annas Biographie zeugt von Beziehungsabbrüchen: Im Säuglingsalter stimmten die Eltern einer Unterbringung in einer Pflegefamilie zu, da sie sich mit der Versorgung überfordert sahen und das Kindeswohl innerfamiliär nicht sichergestellt war. Im Grundschulalter kann Anna nicht weiter in der Pflegefamilie bleiben, da ihre Verhaltensauffälligkeiten das Familienleben sprengen.

Auf der Suche nach dem richtigen Ort für das Kind beginnt eine Reise durch verschiedene Einrichtungen. Seit zwei Jahren lebt das Mädchen in einer kleinen Einrichtung. Auch dort kommt es seit einiger Zeit zu Auseinandersetzungen. Anna, inzwischen zehn Jahre alt, schmeißt Steine auf vorbeifahrende Autos, sie verweigert sich, schreit stundenlang, zerstört ihre eigene Sachen und die Sachen anderer. Ihr Verhalten ist für alle Beteiligten unkalkulierbar, sie ist in den Situationen nicht ansprechbar, wirkt wie auf „Autopilot“.

Das sieht dann so aus, dass gemeinsam mit dem Team der Einrichtung Methoden entwickelt werden, um Annas Ausraster kalkulierbarer zu machen.

Dr. Karo Torpus, pädagosche Leiterin

„Hier kann eine Beratung durch das IPT erfolgen“, so Karo Torpus. „Das sieht dann so aus, dass gemeinsam mit dem Team der Einrichtung Methoden entwickelt werden, um Annas Ausraster kalkulierbarer zu machen. Dazu gehört die Dokumentation der Trigger, die rund um den Ausraster auffallen: Geruch, Kleidung des Teams oder der Mitbewohner, Abweichungen vom Tagesablauf, Streitigkeiten in der Schule etc.“ Zudem wurde ein Muster deutlich: Alle zwei Jahre gab es bisher einen Abbruch und ein neues Hilfesetting, so dass im Kind abgespeichert ist, dass es jetzt erneut das Bindungsverhalten und das Aushalten des Teams prüfen muss. 

Im Ergebnis wird klar: Anna reagiert auf verschiedene Trigger und braucht stringent die Rückmeldung, dass sie in der Einrichtung gewollt ist und bleiben darf.

Dr. Karo Torpus, pädagosche Leiterin

„Im Ergebnis wird klar: Anna reagiert auf verschiedene Trigger und braucht stringent die Rückmeldung, dass sie in der Einrichtung gewollt ist und bleiben darf. Um mit der Situation umgehen und Anna ´aushalten´ zu können, nutzt das Team Supervisionen und gegenseitige Entlastungen.“
 

Ein Fallbeispiel aus der "Achtruper Mühle"

Im „Kinderhaus zur Mühle“ wurde das IPT in einem besonderen Fall eingesetzt: „Zum Zeitpunkt der Beratungen war das Kind schon nicht mehr in unserer Einrichtung. Aufgrund der massiven Problematik schienen wir nicht der richtige Ort mit den entsprechenden Hilfen zu sein“, erinnert sich Diplom-Heilpädagoge Jörg Mielack.

 

In der Einrichtung "Kinderhaus zur Mühle" in der Achtruper Mühle wurden die Beratungen dankend angenommen. Foto: Kompass

Während der Beratung habe sich schnell herauskristallisiert, dass alle Mitarbeiter einen wertschätzenden und differenzierten Blick auf das Kind hatten und so auch bei ihnen eine Form von Trauer und Verlust entstanden war. „Hier war das IPT voller Empathie und suchte mit uns nach gemeinsamen Wegen, die dem Kind, aber auch den Mitarbeitern für die Zukunft hilfreich sein könnten.

Der Blick von außen

Die Beratung war für uns alle eine Bereicherung, da Blickwinkel eröffnet wurden, die wir im täglichen Setting leicht übersehen. Eine Unterstützung von außen in unserer Arbeit mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen ermöglicht eine unterstützende Reflexion und eine wertschätzende Sicht auf unsere Arbeit.“

Als Bereicherung für alle Beteiligten beschreibt auch das Team vom Haus am Park in Husum die Zusammenarbeit mit dem IPT-Team: „Die Mitarbeiter nehmen sich Zeit für all unsere Fragen und versuchen sie nach bestem Gewissen zu beantworten. Der Bedarf wird erkannt, verstanden und schnell nach einer Möglichkeit der Beratung gesucht. Durch die Zusammenarbeit sehen wir die Klienten aus einem anderen Blickwinkel. Dadurch kann man sie besser verstehen und auf Grundlage des neuen Wissens nochmal anders handeln. So werden Methoden zur Selbsthilfe geschaffen, die die Klienten auch anwenden können“, darin ist sich der Einrichtungsleiter Timo Wolski mit seinen Mitarbeitern Lale Stauch, Samantha Drozdecki und Jörn Sörensen einig.

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