Desolater Revierclub

Radikaler Multi-Rauswurf auf Schalke

Radikaler Multi-Rauswurf auf Schalke

Radikaler Multi-Rauswurf auf Schalke

dpa
Gelsenkirchen
Zuletzt aktualisiert um:
Jochen Schneider ist nicht mehr Sportvorstand des FC Schalke 04. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Auf dem unaufhaltsamen Weg in die 2. Liga muss auf Schalke mal wieder der Trainer gehen. Auch Sportchef Schneider ist nun endgültig weg. Der finanziell und sportlich angeschlagene Tabellenletzte reagiert mit einer Interimslösung. Ein neuer Coach wird noch gesucht.

Der FC Schalke 04 hat bald mehr Trainer als Punkte in einer Saison und gibt beim Sturzflug in die 2. Liga ein Bild des Grauens ab.

Auf das desaströse 1:5 (1:3) beim VfB Stuttgart und eine angebliche Revolte der nicht bundesligatauglichen Spieler vor der Partie reagierte der abgeschlagene Tabellenletzte radikal: Cheftrainer Christian Gross, Sportvorstand Jochen Schneider, Teammanager Sascha Riether und Fitnesscoach Werner Leuthard müssen gehen. «Ich bin sehr enttäuscht», sagte Gross der Schweizer Zeitung «Blick» in einem veröffentlichten Interview.

Der 66-Jährige verwies darauf, dass «es im Umfeld einer Mannschaft Strömungen geben kann, die über das Fußballerische hinausgehen. Auch wenn ich klar sagen muss: Mir fehlten die Siege. Keine Frage.»

Die getroffenen Entscheidungen seien «nach den enttäuschenden Auftritten gegen Dortmund und Stuttgart unausweichlich geworden», sagte Aufsichtsratschef Jens Buchta am Sonntagmittag und leitete endgültig die Planungen für den vierten Bundesliga-Abstieg ein. «Wir brauchen nicht Drumherum zu reden: Die sportliche Situation ist eindeutig, deshalb müssen wir bei jeder noch zu treffenden Personalentscheidung auch über die Saison hinausdenken.»

Übergangsweise soll der frühere Manager des Hamburger SV und bisherige Leiter des Schalker Nachwuchsleistungszentrums, Peter Knäbel, Schneiders Nachfolge antreten. Zunächst bis zum Saisonende springt Ex-Profi Gerald Asamoah als Teammanager ein. Wer das taumelnde Team hingegen auf das Spiel gegen den FSV Mainz 05 am Freitag vorbereitet, ist noch unklar. Wenn ein fünfter Trainer in einer Saison auf der Bank säße, wäre dies Rekord in der Bundesliga-Geschichte.

Zuvor hatte der mit 240 Millionen Euro verschuldete Revierclub unter David Wagner, Manuel Baum, Huub Stevens und zuletzt Gross in 23 Spielen gerade einmal neun Pünktchen erreicht. Seit 55 Jahren stand kein Bundesligateam zu diesem Zeitpunkt schlechter da als der einstige Champions-League-Dauergast, der 2018 noch Vizemeister war.

Die Trennung vom glücklosen Schneider spätestens zum Saisonende hatte zuvor bereits festgestanden. Buchta dankte ausdrücklich ihm für dessen «unermüdlichen» Einsatz. Der 50-Jährige war im März 2019 nach Gelsenkirchen gekommen und hatte aufgrund einiger Fehler in der Zeit vor ihm von Beginn an einen schweren Stand. Der von ihm verpflichtete Wagner schien zunächst ein Glücksgriff, doch nach einer überragenden Hinserie 2019/2020 folgte seit Januar 2020 ein beispielloser Absturz, der bis dato anhält. Seit jenem Zeitpunkt gelangen ganze zwei Siege in der Bundesliga. Die Trennung von Wagner folgte bereits nach dem zweiten Spieltag dieser Saison. Mit seinen weiteren Trainer-Entscheidungen lag Schneider dann komplett daneben.

Baum musste ohne einen einzigen Sieg im Dezember gehen. Es folgte kurz vor dem Jahreswechsel der 66 Jahre alte Gross, den Schneider aus gemeinsamen Stuttgarter Zeiten kannte. Auch unter dem Schweizer gab es indes keine Wende. Im Gegenteil: Nach der 0:4-Klatsche im Derby gegen Dortmund vor einer Woche sollen laut Medienberichten Führungsspieler bei Schneider vorgesprochen haben und die Trennung von Gross gefordert haben, was aber abgelehnt worden sei.

Laut «Bild» handelte es sich dabei um die erst im Winter verpflichteten Sead Kolasinac, Shkodran Mustafi und den dauer-verletzten Klaas-Jan Huntelaar. Ein Clubsprecher hatte entsprechenden Berichte vor dem Spiel gegen Stuttgart entschieden zurückgewiesen. Riether ließ die genauen Inhalte von Gesprächen mit Spielern, die es diese Woche gegeben hatte, offen.

Zu ihm sei kein Spieler gekommen, sagte Gross dem «Blick», räumte aber ein, dass «diese Meldung von der Revolte, vom Aufstand oder von was auch immer» natürlich große Unruhe gebracht habe.

Beim VfB folgte dann erneut eine unterirdische Leistung der Spieler. Sinnbildlich dafür stand der geradezu grotesk verschossene Elfmeter von Nabil Bentaleb (72. Minute), durch den die Königsblauen noch einmal auf 2:3 hätten herankommen können. Der als schwierig geltende 26-Jährige war auf Schalke schon sechsmal suspendiert und immer wieder begnadigt worden. Zuletzt hatte es der Club noch einmal mit dem technisch versierten Offensivspieler versucht, obwohl zuvor eine erneute Rückkehr Bentalebs kategorisch ausgeschlossen worden war.

Erschreckend war zudem auch das Bild, das einige Spieler abseits des Feldes abgaben. Angesprochen darauf, ob er tatsächlich die Trennung von Gross gefordert habe, wich Mustafi bei Sky aus: «Mein Job ist, auf den Platz zu gehen und zu helfen», sagte der Weltmeister von 2014. «Im Endeffekt ist jetzt nicht die Zeit, wo wir versuchen müssen, dass der eine den Job vom anderen macht, sondern jeder muss seinen Job machen.» Dies taten die Spieler unter wechselnden Trainern über Monate aber nur unzureichend. Auch bereits 61 Gegentore - mit Abstand Liga-Höchstwert - stellen eine desaströse Bilanz dar.

Gross zeigte sich zudem enttäuscht von den im Raum stehenden Vorwürfen einiger Spieler, er habe falsch trainiert und immer wieder Spielernamen verwechselt. «Ich denke, dass, wenn Konflikte da sind, dass man sie selbstverständlich ansprechen muss, aber auf die richtige Art», sagte Gross. Er könne das, was in den Medien steht, «nicht unbedingt nachvollziehen». Am Sonntag kam er mit einer Sporttasche über der Schulter und in Schalker Trainingshose auf das Vereinsgelände - wenig später gab der Club die radikalen Trennungen bekannt.

Mehr lesen