Sommerspiele in Tokio
«Wahnsinniges Gefühl» - Zverev mit Tränen ins Olympia-Finale
«Wahnsinniges Gefühl» - Zverev mit Tränen ins Olympia-Finale
«Wahnsinniges Gefühl» - Zverev mit Tränen ins Olympia-Finale
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Dass Alexander Zverev ins olympische Halbfinale von Tokio einzieht, war keine Überraschung. Aber Finale? Dem stand eigentlich der serbische Topfavorit Novak Djokovic im Weg. Aber Zverev packt es.
Alexander Zverev hatte Tränen in den Augen, saß nach der Tennis-Sensation von Tokio minutenlang tief bewegt auf seiner Spielerbank. Völlig überraschend war der 24-Jährige mit einem Weltklasse-Erfolg über den serbischen Topfavoriten Novak Djokovic ins Endspiel eingezogen.
Er könnte nun am Sonntag als erster deutscher Tennisspieler im Herren-Einzel Olympiasieger werden. Mit Silber hat er die erste Einzel-Medaille seit 21 Jahren bereits sicher. «Das ist einer der emotionalsten Siege, den ich je in meiner Karriere gehabt habe», sagte der Olympia-Finalist geschafft. «Ich habe jetzt eine Medaille für Deutschland, das ist ein wahnsinniges Gefühl.»
Endspiel gegen Überraschungsfinalisten
Als er nach dem 1:6, 6:3, 6:1 gegen den Weltranglistenersten auf der Bank Platz genommen hatte, sei er erleichtert gewesen. Er sei so stolz wie selten, vielleicht so stolz wie noch in keinem anderen sportlichen Moment, sagt er. «Aber ich weiß auch, dass ich ein Goldmedaillenmatch vor mir habe.» Im Endspiel gegen den russischen Überraschungsfinalisten Karen Chatschanow ist er Favorit.
Wenn er seine Leistung von Freitag wiederholen kann, dürfte Zverev kaum aufzuhalten sein. Mit einem famosen Comeback und einem herausragenden Auftritt gewann der Hamburger den denkwürdigen Halbfinal-Showdown gegen Djokovic. Nach dem verwandelten Matchball hielt er sich die Hände vors Gesicht, ein paar Tränen flossen. «Das hat aber hoffentlich niemand gesehen», sagte er.
Sein älterer Bruder Mischa Zverev war ebenfalls völlig hin und weg: «Ich kann nix sagen. Ich hab tausendmal geheult, dann hab ich gelacht, dann war ich sauer. So emotional, das war anstrengend», sagte der 33-Jährige bei Eurosport. Zverevs Gruß: «Hör auf zu heulen. Einer in der Familie reicht.»
Zverev auf den Spuren deutscher Größen
Als Genießer der Olympia-Atmosphäre wandelt Debütant Zverev in der japanischen Hauptstadt auf den Spuren deutscher Tennis-Größen. Steffi Graf gewann 1988 Gold und vier Jahre später Silber. Vor fünf Jahren feierte auch Angelique Kerber die silberne Plakette. Haas hatte als bislang letzter Deutscher im Herren-Einzel 2000 in Sydney das Endspiel erreicht, aber gegen den Russen Jewgeni Kafelnikow verloren.
Egal wie seine letzte Partie in Tokio nun gegen den Weltranglisten-25. Chatschanow ausgeht, schon jetzt hat Zverev ein wichtiges Zeichen in seiner Karriere gesetzt und sogar Tennis-Idol Boris Becker etwas voraus. Becker holte zwar Doppel-Gold in Barcelona mit Michael Stich, blieb als Olympia-Solist aber erfolglos.
In den Tagen von Tokio betonte Zverev mehrmals, dass sein Anspruch hoch ist und wie viel Spaß ihm die Olympia-Abwechslung bereite. Wäre ein Sieg jetzt sogar höher einzuschätzen als ein Wimbledonsieg? «Vielleicht jetzt momentan ja», antwortete Zverev. «Ich war auch einer, der gesagt hat, Grand Slams haben einen höheren Stellenwert.» Aber hier spiele hier eben nicht nur für sich selbst. «Ich spiele nicht nur für meine Eltern, nicht nur für meinen Bruder, für meine Familie. Ich spiele auch für all die Athleten im Dorf, für jeden, der zuhause zuschaut», sagte die deutsche Nummer eins: «Deswegen waren da viele Emotionen für mich.»
Golden-Slam-Traum für Djokovic geplatzt
Am Ende hatte Zverev seinen unterlegen Kontrahenten Djokovic lange umarmt. Er habe sich beim Serben entschuldigt, dass er ihm einen historischen Erfolg vermasselt habe. Es war ein Nebeneffekt seines Finaleinzugs, dass Steffi Grafs Triumph von 1988 nun vorerst weiter einmalig bleibt. Denn den Golden Slam mit dem Olympiasieg und vier Grand-Slam-Titeln kann Djokovic nun nicht mehr gewinnen.
Keineswegs überraschend war es gewesen, dass der erste Satz an den Favoriten gegangen war. So deutlich, wie es das Ergebnis vermuten lässt, verlief der Anfang des Matches aber bei weitem nicht. Die Wende brachte dann ausgerechnet ein Wutanfall des Hamburgers, als es schon so aussah, als würde seine Niederlage im vermeintlichen vorweggenommenen Endspiel kurz bevorstehen. Als Zverev im zweiten Satz seinen Aufschlag zum 2:3 abgab, ließ er seinem Ärger freien Lauf und schlug einen Ball so hoch in die Luft, dass er aus dem Stadion hätte fliegen können. Aus der Djokovic-Unterstützer-Gruppe im eigentlich Zuschauer-leeren Stadion schallten zugleich «Nole, Nole»-Rufe.
Die Szene schien wie ein Weckruf für den US-Open-Finalisten von 2020, der danach zehn von elf Spielen gewann. Wie stark Zverev dann auch im entscheidenden dritten Durchgang gegen den 20-fachen Grand-Slam-Turniersieger spielte, beeindruckte auch den Davis-Cup-Teamchef Michael Kohlmann. «Ich glaube, dass er dann losgelassen hat, er ist dann noch ein bisschen mehr ins Risiko gegangen. Damit hat Novak glaube ich auch nicht gerechnet.»