Konjunktur

Wirtschaftsflaute: Regierung erwartet Wachstum erst 2025

Wirtschaftsflaute: Regierung erwartet Wachstum erst 2025

Wirtschaftsflaute: Regierung erwartet Wachstum erst 2025

dpa
Berlin
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck fordert das Wachstumspaket der Bundesregierung Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Erst nächstes Jahr wächst die Wirtschaft laut Prognosen wieder - vorausgesetzt das Wachstumspaket zündet. Das alleine dürfte aber nicht reichen, vermutet selbst der Wirtschaftsminister.

Die Bundesregierung muss die prognostizierte Trendwende für die schwächelnde deutsche Wirtschaft auf 2025 verschieben - und hofft, dass dann das Wachstumspaket zündet. «Die Herausforderungen sind größer, als wir sie uns vielleicht eingestanden haben in den letzten Jahren, denn sie sind struktureller Natur», konstatierte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei der Vorstellung der Konjunkturprognose in Berlin. 

In ihrer Herbstprojektion rechnet die Bundesregierung für dieses Jahr demnach mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent. Damit korrigiert sie ihre Prognose zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts deutlich nach unten. Im Frühjahr war die Bundesregierung noch von einem leichten Plus von 0,3 Prozent ausgegangen. 

Die Korrektur kommt nicht überraschend, denn zuletzt hatten auch die großen Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Erwartungen nach unten korrigiert. Sie rechnen mit einem Minus von 0,1 Prozent. 

Steigende Arbeitslosigkeit, weniger Exporte und Unsicherheit

Die Wirtschaftsflaute führte Habeck weniger auf konjunkturelle als auf strukturelle Probleme zurück. Deutschland habe systematisch zu wenig in die Infrastruktur investiert. «Das sehen wir an verspäteten Bahnen und an zusammenfallenden Brücken, an fehlender Digitalisierung der Verwaltung», zählte der Grünen-Politiker auf. «Wir haben nicht genug getan, um Arbeits- und Fachkräftepotenzial zu mobilisieren.» 

Zudem habe das deutsche Wirtschaftswachstum in der Vergangenheit auf einer starken Exportwirtschaft beruht. Diese Säule sei nun angegriffen. China verfolge eine aggressive Exportstrategie und auch die USA handelten unter Präsident Joe Biden zunehmend protektionistisch. 

Ein weiterer Grund laut Habeck: Unsicherheit. Der Krieg in der Ukraine und die Konflikte im Nahen Osten sorgten dafür, dass sich Unternehmen und Privatleute bei Investitionen zurückhielten. Dazu komme, dass die politische Debatte in Deutschland und in Europa nicht klar zeige, wohin die Reise gehe. Auch Streit innerhalb der Ampel trage zur Unsicherheit bei, räumte Habeck auf Nachfrage ein. 

Für 2025 Wachstum erwartet

Für das kommende Jahr ist die Bundesregierung etwas optimistischer als zuvor: Sie erwartet ein Plus von 1,1 Prozent. Zum einen hofft sie, dass dann der private Konsum wieder anzieht und auch mehr Industrieprodukte im Ausland gekauft werden. Dann könnten sich die deutschen Firmen wieder mehr Investitionen zutrauen. 

Gerade seien die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen alles andere als zufriedenstellend. «Aber wir werden uns daraus befreien und aus ihnen herausarbeiten beziehungsweise sind dabei, uns aus ihnen herauszuarbeiten, wie wir es in der Geschichte des Landes schon so häufig getan haben», betonte Habeck. 

Bei den Prognosen für die kommenden beiden Jahre preist Habeck die Auswirkungen der geplanten, aber noch nicht vollständig umgesetzten Wachstumsinitiative ein. Das von der Ampel beschlossene Paket mit 49 Maßnahmen soll mit steuerlichen Verbesserungen für Firmen, Arbeitsanreizen und Strompreis-Vergünstigungen die Wirtschaft in Schwung bringen. 

«Das setzt aber auch voraus, dass diese Maßnahmen dann auch kommen», mahnte Habeck. «Und dass sie nicht, wie es schon einmal passiert ist, beim Wachstumschancengesetz kleingehäckselt werden.» In der Bundesregierung wird befürchtet, dass die Länder eine Reihe Maßnahmen im Bundesrat blockieren, weil sie dadurch weniger Steuern einnehmen würden. 

Habeck: Wachstumspaket allein reicht nicht

Experten bezweifeln, dass das Paket den erhofften Anschub bringt. Auch der Wirtschaftsminister räumte ein: Es sei mehr nötig. Habeck nannte unter anderem hohe Kosten für die Infrastruktur als Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. 

Es könne nicht sein, dass deutsche Unternehmen unter den versäumten Investitionen der letzten Jahre litten. «Deswegen hat der Bundeskanzler recht, dass wir beispielsweise bei den Netzentgelten mit zusätzlichem staatlichem Geld die Kosten des Anstiegs dämpfen oder gar aufheben müssen», sagte Habeck. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte der deutschen Wirtschaft vergangene Woche Entlastungen bei den Strompreisen und eine Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte zugesagt. Scholz hatte gesagt, kurzfristig könne dies durch einen Bundeszuschuss umgesetzt werden. 

Habeck für mehr Spielraum bei Schuldenbremse - Lindner widerspricht

Habeck sprach sich außerdem erneut für Bürokratieabbau aus. «Die Logik ist, die Standards zu wahren und gleichzeitig einfacher in der Umsetzung zu werden», sagte er. Immer wieder hatten Wirtschaftsverbände in der Vergangenheit eine Zunahme von Berichtspflichten beklagt - etwa beim Lieferkettengesetz. 

Eine weitere Stellschraube aus Habecks Sicht: Die Reform der Schuldenbremse. Das wirksamste und schnellste Instrument für mehr Wachstum seien Investitionsanreize, sagte er. Hier setze die Schuldenbremse in den Landesverfassungen und im Bundeshaushalt jedoch Grenzen. «Wenn es dort mehr Spiel geben würde, würden wir als Volkswirtschaft wirklich einmal aus dem Quark kommen», sagte Habeck voraus. 

Auch vom Bündnis Sahra Wagenknecht und der Linken kamen nach der neusten Konjunkturprognose Forderungen, die Schuldenbremse zu reformieren beziehungsweise auszusetzen. 

Widerspruch kam hingegen aus der eigenen Koalition. Finanzminister Christian Lindner (FDP) betonte: «Wachstum kann der Staat im Übrigen nicht mit Schulden kaufen.» Deutschland habe kein konjunkturelles Problem, das der Staat durch Nachfrage auspendeln könnte, sondern ein strukturelles Problem. Mittelstand, Handwerk und Industrie hätten Standortvertrauen verloren. 

Union sagt «massives Geldproblem» voraus

Die Konjunkturprognose der Bundesregierung ist auch eine Grundlage für die bevorstehende Steuerschätzung. Geringere Steuereinnahmen als bisher vorausgesagt sowie höhere Ausgaben für die Sozialversicherungen könnten die Haushaltsverhandlungen der Ampel-Koalition belasten. Zugleich aber bedeuten geringere Wachstumsaussichten, dass aufgrund des Mechanismus der Schuldenbremse eine höhere Schuldenaufnahme möglich ist. 

CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte der Ampel-Koalition ein «massives Geldproblem» voraus. «Der Haushalt rechnet mit viel zu guten Wirtschaftsdaten. Die Ampel basiert ihren Haushalt weniger auf Berechnungen, sondern mehr auf einem Glücksspiel», sagte er in München.

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