Umwelt und Natur

Sonnensturm trieb Pottwale in die Nordsee

Sonnensturm trieb Pottwale in die Nordsee

Sonnensturm trieb Pottwale in die Nordsee

Kay Müller, SHZ
Schleswig-Holstein
Zuletzt aktualisiert um:
Foto: dpa

Ein Wissenschaftler aus Büsum hat die mögliche Ursache für die Strandung von 29 Tieren Anfang 2016 im Wattenmeer gefunden.

Das Rätsel der 29 gestrandeten Pottwale, die zu Beginn des Jahres 2016 an der deutschen Nordseeküste ums Leben kamen, ist vermutlich gelöst. „Die Wale haben wegen eines Sonnensturms und der dadurch bedingten Verschiebung des Magnetfeldes der Erde die Orientierung verloren und sind in die flache Nordsee geschwommen“, sagt der Physiker Dr. Klaus Heinrich Vanselow vom Forschungs- und Technologiezentrum Westküste Büsum der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Er ist sich sicher: „Das natürliche Navigationssystem der Pottwale ist ausgefallen.“

Seit Jahren untersucht der 57-Jährige, der gerade einen wissenschaftlichen Fachaufsatz zu dem Thema veröffentlicht hat, die Explosionen auf der Sonne und gleicht sie mit Daten über Strandungen von Pottwalen ab. „Es gibt für beide Ereignisse lange Zeitreihen und eben auffällige Zusammenhänge.“ In regelmäßigen Abständen gibt es Explosionen auf der Sonne, bei der geladene Teilchen auch Richtung Erde geschleudert werden. Dadurch verschiebt sich das Magnetfeld unseres Planeten. „Es wird verbogen – es gibt Verschiebungen von bis zu 400 Kilometern in Nord-Süd-Richtung“, sagt Vanselow. Da sich die Wale, wie viele andere Tiere, an dem Magnetfeld orientieren, können sie sich verirren. Auch Vögel oder Fische wüssten bisweilen nicht mehr genau, wo sie sich befinden. Allerdings seien die Konsequenzen nicht so deutlich sichtbar wie bei den gestrandeten Pottwalen.

Den 29 Tieren, die vor fast zwei Jahren an der Dithmarscher Küste, vor Helgoland und in Niedersachsen gestorben sind, ist genau das zum Verhängnis geworden: „Um die Jahreswende 2015/2016 gab es zwei Sonnenstürme: Ende Januar und Ende Februar“, sagt Vanselow. „Wenn man annimmt, dass die Tiere zwischen Norwegen und Schottland unterwegs waren, kann es gut sein, dass sie dort falsch abgebogen sind und etwa 800 Kilometer in die falsche Richtung weitergezogen sind“, sagt Vanselow.

Fehler nicht bemerkt

Den Fehler bemerkten die Jungbullen offenbar nicht, weil sie sich an dem verschobenen Magnetfeld orientierten – bis sie Tage später in der für sie zu flachen Nordsee landeten. Von dort fanden sie den Weg nicht zurück, strandeten und wurden von ihrem Körpergewicht erdrückt. „Die Untersuchung der Kadaver hat gezeigt, dass die Tiere zwar große Mengen Müll im Magen hatten, aber nicht krank waren“, so der Wissenschaftler.

Schon seit langem vermutet Vanselow einen Zusammenhang zwischen Sonnenstürmen und Walstrandungen. „In diesem Fall kann man relativ viele andere Faktoren ausschließen.“ Dennoch sei nicht sicher, dass die Wale ausschließlich wegen der Sonnenstürme die Orientierung verloren hätten. „Wir wissen viel zu wenig über Pottwale, vermutlich ist es ein Bündel von Faktoren, das die Ursache erklärt“, sagt Vanselow. Dass die Wale auch durch Ölplattformen oder Windkraftanlagen in ihrer Wanderschaft gestört würden, sei möglich. Der Physiker ist sich aber relativ sicher, dass vor allem natürliche Phänomene für die Strandungen verantwortlich sind. „Denn die gab es schon, bevor der Mensch massiv in die Natur eingegriffen hat.“

Eines sei klar: „Walstrandungen wird es auch weiter geben. Schließlich kann man die Sonne nicht ausschalten.“ Und die nach einer erneuten Explosion auf der Sonne möglicherweise Richtung Nordsee schwimmenden Tiere abzufangen, hält der Wissenschaftler für sehr schwierig.

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