Halligen

Großprojekt im nordfriesischen Wattenmeer

Großprojekt im nordfriesischen Wattenmeer

Großprojekt im nordfriesischen Wattenmeer

Wolfgang Schmidt, dpa
Langeneß
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Baufahrzeuge stehen an der Baustelle Warft Treuberg auf der Hallig Langeneß. 73000 Kubikmeter Sand sind für die Aufschüttung erforderlich, um Wohnungen, eine Krankenpflegestation und einen Supermarkt zu errichten. Foto: Frank Molter/dpa

Es geht um die Zukunft eines Lebensraums: Auf den Halligen müssen Warften verstärkt werden, um Menschen und Natur zu schützen. Beispiele auf Langeneß und Hooge zeigen, dass nicht immer alles plangemäß läuft.

Eine große Sandschüssel liegt mitten auf der Hallig Langeneß im nordfriesischen Wattenmeer. Auf einer Seite tragen schwere Baufahrzeuge Kleieboden auf. In der Mitte fehlt noch eine Menge Sand. Hier entsteht eine Warft völlig neu, ein künstlich aufgeschütteter Erdhügel.

Nicht nur Platz für Wohnungen

Sie soll ein Haus mit vier Wohnungen beherbergen, einen Kaufmannsladen, Bauhöfe für die Gemeinde und den Landesbetrieb für Küstenschutz sowie eine Krankenpflegestation mit Telemedizin-Anschluss.

„Dass wir eine komplette Warft bauen können, ist großartig”, sagt Bürgermeisterin Heike Hinrichsen.

„Das soll pilothaft sein für weitere Warftverstärkungen.”

Heike Hinrichsen, die Bürgermeisterin der Halligen Langeneß und Ohland, steht auf der Baustelle der Warft Treuberg. Foto: Frank Molter/dpa

Diese sollen helfen, dass die Halligen dem Klimawandel trotzen können und Bewohner nicht wegziehen, sondern neue kommen. Das Vorhaben auf Langeneß ist ins Stocken geraten. Das liegt am Sand. 73.000 Kubikmeter aus der Nordsee waren zunächst geplant.

Zu wenig Sand

Das reichte nicht, wie Projektleiterin Annemarie Lübcke berichtet. Bis Ende 2019 waren es 93.000 Kubikmeter, im Frühjahr wurden noch einmal 5000 geholt. „Dann stellte sich heraus, dass immer noch 10.000 Kubikmeter fehlen”, schildert Lübcke. Dieser „Rest” ist jetzt in Arbeit. Mehrkosten zur ursprünglichen Sand-Planung: 1,2 Millionen Euro.

„Wegen des fehlenden Sandes bekommen wir die Warft dieses Jahr nicht fertig”, sagt Lübcke. Das hat Folgen: Wegen der im Herbst und Winter üblichen Sturmfluten muss die Baustelle vorsorglich abgebaut und im Frühjahr neu aufgebaut werden. Die Erdarbeiten müssen im Jahr 2021 ebenfalls zu Ende geführt werden.

Pilotprojekt mit Überraschungen

Auch das verursacht Kosten, so dass deren Gesamthöhe von geplant 7,2 auf eventuell 9 Millionen Euro steigen könnte. „Es hakt an manchen Ecken und Kanten”, sagt Bürgermeisterin Hinrichsen. Insgesamt aber komme man gut voran. Da es ein Pilotprojekt sei, passiere auch Unvorhergesehenes.

Weiße Wolken ziehen an diesem Tag über die Hallig, der Wind pfeift, Schafe und Kühe grasen in der Nähe. Hektik ist weit weg, aber das Internet ist richtig schnell. Ein idealer Platz für Homeoffice in aller Ruhe. Aber die Abgeschiedenheit muss man auch aushalten können in einem grauen November. An die 300 Menschen leben in der Halligwelt, 110 auf Langeneß mit seinen 18 Warften. 

Klimawandel bedroht die Halligen

Die Warft Treuberg gehört zum Landesprojekt Hallig 2050. Anfang 2016 hatte die Landesregierung von Schleswig-Holstein ein Programm beschlossen, um die Halligen dauerhaft lebensfähig zu halten. Das besonders wütende Orkantief „Xaver” im Winter 2013 hatte sie akut gefährdet. Das Programm mit einem Volumen von 30 Millionen Euro ist auf Jahrzehnte angelegt. Träger der Warftverstärkungen sind die Gemeinden; das Land bringt 95 Prozent der Kosten auf.

„Schön, dass uns das Land so unterstützt”, sagt Hinrichsen, die seit 40 Jahren hier lebt.

„Wir müssen dem Klimawandel begegnen.”

20 Mal wird Langeneß im Jahr überflutet; mit steigendem Meeresspiegel kann das öfter und gefährlicher werden. Tobt der „Blanke Hans”, ragen nur noch die Warften mit den erhöht stehenden Gebäuden aus dem Wasser.

Die derzeit unbewohnte Treuberg-Warft war aus Expertensicht viel zu flach. Von einst 3,8 bis 4,2 Metern wird sie nun auf 5,9 Meter erhöht und eine bebaubare Fläche von 3060 Quadratmetern bekommen, das entspricht in etwa 56 mal 55 Metern. Nachdem die Gemeinde die Warft gekauft hatte, kam die Verstärkung nach und nach in Gang. Im nächsten Jahr soll die Fertigstellung beginnen, zunächst mit dem Anlegen der Zufahrten. Dann kann der „Hochbau” starten.

Kaufmannsladen soll Tourismus beleben

Seit 2013 hat Langeneß keinen Einkaufsladen, auch deshalb ist die neue Warft wichtig. Derzeit wird die Hallig zweimal die Woche vom Festland beliefert, im Winter einmal. Deswegen bleibt mancher Urlauber aus: Nicht einfach einkaufen zu können, sondern im Voraus bestellen zu müssen, behagt nicht allen. „Das hält viele ab, länger zu bleiben”, sagt Hinrichsen.

Heute kommen Gäste im Schnitt für fünf Tage, früher waren es ein, zwei mehr. 25.000 bis 26.000 Übernachtungsgäste zählt Langeneß im Jahr, sagt Tourismusbüro-Leiterin Alina Ciesielski. Bis vor einigen Jahren waren es 28.000, in der Spitze 30.000. Weil die Bevölkerung geschrumpft ist, ist der geplante Dauerwohnraum auf Treuberg so wichtig. Zurzeit zählt Langeneß nur ein Kita-Kind, es waren mal zehn.

Verstärkung mit Verzögerung

Die bewohnten Warften auf den Halligen waren bis 2007 schon mit einem Aufwand von 18 Millionen Euro verstärkt worden, aber das reichte nicht. Auf der von 100 Menschen bewohnten Hallig Hooge ist die Verstärkung der vergleichsweise großen Hanswarft noch nicht fertig wie geplant. „Wir gehen da jetzt in das dritte Jahr”, sagt Projektleiterin Lübcke. Bei den 16 Auffahrten habe es Differenzen zwischen Gemeinde, Baufirma und Planungsbüro gegeben. Nun sei man einig, aber eine Fertigstellung sei 2020 nicht mehr zu schaffen.

In einem neuen Gebäude auf der Hanswarft gibt es einen viel besuchten Einkaufsladen, einen Krankenpflegestation, einen Kultur-Treff und einen Schutzraum für Katastrophenfälle. Fast bezugsfertig sind dringend benötigte drei Wohnungen. Weitere Pilotprojekte zur Warftverstärkung betreffen Nordstrandischmoor und Gröde.

Wellenbrecher im Wattenmeer

Die Arbeiten auf den Halligen dienen im Übrigen nicht nur dem Schutz der dort Lebenden. Denn Inseln und Halligen nehmen den Sturmfluten Energie und schützen so auch die Menschen an der Festland-Küste mit.

 

 

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