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Früher Oma, heute Tiktok - «Cleanfluencer» geben Putztipps

Früher Oma, heute Tiktok - «Cleanfluencer» geben Putztipps

Früher Oma, heute Tiktok - «Cleanfluencer» geben Putztipps

dpa
Stuttgart
Zuletzt aktualisiert um:
Auch in der Küche werden Putzvideos gedreht. Foto: Christoph Reichwein/dpa

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Die eigene Wohnung putzen und damit Geld machen? Einige «Cleanfluencer» begeistern mit ihren bezahlten Putztricks Millionen Menschen auf Tiktok und Co. Doch die Videos können auch problematisch sein.

Putz mit mir das Bad, bring in 15 Minuten das Wohnzimmer wieder in Ordnung und probier diesen neuen Trick, um Fugen strahlend weiß zu bekommen. Allein auf Tiktok finden sich unter dem Hashtag #cleantok mehr als vier Millionen Videos mit solchen und ähnlichen Sprüchen. Auch Lea de Bruijn teilt seit etwa einem Jahr Putz- und Haushaltstipps auf Tiktok. 

«Die Leute genießen es, sich diese Videos anzusehen», sagt die 25-Jährige aus dem Ruhrgebiet. «Die Videos motivieren sie auch zum Aufräumen, wenn sie gerade vielleicht keine Lust haben.» Die Follower würden Vertrauen zu den Influencern aufbauen. «Wenn sie etwas empfehlen, glauben die Follower in der Regel, dass das Produkt gut ist oder der Trick funktioniert.»

Vierstellige Summen pro Video

Ihrem Account @my.cleantok folgen auf Tiktok mehr als 110.000 Abonnenten, auf Instagram unter @leabloomz rund 28.000. In ihrer Nische nennt man die Social-Media-Persönlichkeiten auch Cleanfluencer. Das englische Wort «clean» bedeutet sauber.

De Bruijn hat ihre Leidenschaft, das Putzen, zu ihrem Beruf gemacht. An einem Video arbeitet die Influencerin nach eigenen Angaben etwa acht bis zehn Stunden - und bekommt dafür vierstellige Summen. «Ich arbeite immer wieder in verschiedenen Kooperationen und bekomme auch zwei bis drei Anfragen täglich», sagt die 25-Jährige. «Da sind kleine, aber auch namhafte Unternehmen dabei.» Ihr Plan: «Bald werde ich meine eigenen Reinigungsprodukte vorstellen und verkaufen.»

Putz- und Haushaltstipps im Internet sehr gefragt

De Bruijn empfiehlt in ihren Videos beispielsweise, Weichspüler auf einen Lappen zu geben und damit über staubanfällige Oberflächen zu wischen, da der Staub sich dadurch nicht mehr dort absetzen könne. Sie zeigt auch, wie sie ihre Fenster mit Shampoo putzt - ohne dabei Streifen zu hinterlassen. Oft testet die Cleanfluencerin neue Putzprodukte wie Seifen, Schwämme oder Tücher, zeigt, mit welchen Mitteln man etwa Kopfkissen tiefenreinigt oder wie sie regelmäßig das Treppenhaus ihres Mehrfamilienhauses wischt. 

«Früher hat man klassischerweise die Oma oder Mutter nach Hausmittelchen gefragt, jetzt suchen viele danach im Internet und insbesondere in sozialen Medien», sagt Arne Westermann, Professor für Marketing und Kommunikation an der International School of Management (ISM). 

Neben dem Putzen gibt es unzählige weitere Nischen in sozialen Netzwerken, die jeweils ihre eigenen Influencer haben. So zeigen Menschen, wie sie sich schminken, wie sie kochen, wie sie reisen, was sie anziehen, wie sie ihr Fahrrad ausstatten, welche Bücher sie lesen und vieles mehr. 

Unternehmen nutzen Trend

Da ist es kein Wunder, dass diese Themenblasen nicht nur für Privatpersonen interessant sind. «Die Unternehmen schauen, was trendet, und wie sie mit ihren Produkten dort aufspringen können», sagt der Marketingexperte Westermann. Das laufe nicht zwingend nur über die Firmen-Accounts. Für Influencer wie Lea de Bruijn könne so ein lukratives Geschäft entstehen. 

Die Influencer-Kampagnen der Reinigungssparte Vileda des Freudenberg-Konzerns, mit Sitz in Weinheim, wurden nach eigenen Angaben 2024 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, und es ist geplant, diese weiter auszubauen. Auch beim Reinigungsgerätehersteller Kärcher, der seinen Hauptsitz im baden-württembergischen Winnenden hat, haben die Influencer-Kooperationen stetig zugenommen. Der Haushaltswarenhersteller Leifheit verzeichnet ebenfalls eine deutliche Zunahme der Zusammenarbeit mit sogenannten Cleanfluencern. Die Anzahl der Kooperationen liegt demnach im unteren bis mittleren zweistelligen Bereich.

Frauensache?

Neben den wirtschaftlichen Reizen sieht die Psychologin Brigitte Bösenkopf allerdings auch mehrere Probleme in den Putz-Videos. «Am besten wäre es, wenn die Person nach einem solchen Video direkt aufspringt und die Motivation nutzt, um aufzuräumen», sagt sie. «Es liegt aber in der Natur von Sozialen Netzwerken, dass sie die Nutzerinnen und Nutzer meist fesseln und die eigene Initiative auf der Strecke bleibt.» Der Vergleich der eigenen ungeputzten Wohnung mit denen in den Videos sei tückisch und führe zu Frust: «In den Sozialen Netzwerken gibt es viele Perfektionisten, die fast schon mit einer klinisch auffälligen Reinlichkeit ihre Wohnung putzen», erklärt Bösenkopf. 

Auch die Tatsache, dass viele der Putzvideos von Frauen gedreht und veröffentlicht werden, sei problematisch: «So können traditionelle Rollenbilder verfestigt werden», sagt Bösenkopf. Bei Kochvideos sei das anders: «Hier erkennt man an den Videos, dass das Kochen nicht mehr nur "Frauensache" ist.» In der Realität putzen demnach auch viele Männer ihr Zuhause, posten allerdings weniger Videos in den Sozialen Netzwerken.

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