Kriminalität
Potsdam gedenkt vier toter Heimbewohner
Potsdam gedenkt vier toter Heimbewohner
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Eine Mitarbeiterin soll vier Bewohner der Behinderteneinrichtung vorsätzlich getötet haben. In der Nikolaikirche in Potsdam wird den Opfern gedacht. Vier weiße Rollstühle stehen vor dem Altar.
In einem bewegenden Gottesdienst hat Potsdam der vier toten Opfer der Gewalttat in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderungen gedacht.
Vier weiße Rollstühle standen am Donnerstag auf der Empore vor dem Altar der Nikolaikirche in der Innenstadt, stellvertretend für die getöteten Männer und Frauen im Alter zwischen 31 und 56 Jahren. Mehr als 100 Angehörige der Opfer, Bewohner des Thusnelda-von-Saldern-Hauses und Potsdamer Bürger waren zu der Gedenkfeier der Stadt und der diakonischen Einrichtung Oberlinhaus gekommen. Einige Besucher hatten Tränen in den Augen.
Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zeigte sich erschüttert. «Was geschehen ist, macht uns bestürzt und ratlos. Seitdem ist nichts mehr wie es war», sagte Woidke. «Wir sind zutiefst erschüttert, weil es die Schwächsten waren, die besonders Hilfsbedürftigen, Menschen, die unsere Hilfe brauchen, die hier zu Opfern geworden sind.»
«Potsdam hat eine Mordtat erlebt, für die es in der jüngeren Stadtgeschichte nichts Vergleichbares gibt», sagte Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). Er wandte sich mit seiner Anteilnahme an die Angehörigen der Opfer, aber auch an die Bewohner und Mitarbeiter der Einrichtung: «Machen wir deutlich, dass wir alle beieinanderstehen, dass Potsdam in diesen schweren Stunden zusammensteht und zusammenhält», sagte Schubert.
Auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, betonte das Miteinander. Dies müsse nicht nur in der Familie und im Freundeskreis, sondern als ein gesellschaftliches, gleichberechtigtes Miteinander aller Menschen mit und ohne Behinderungen gelten, mahnte Dusel: «Wir müssen doch konstatieren, dass wir von einer Gesellschaft, an der alle Menschen gleichberechtigt teilhaben können, doch noch entfernt sind.»
Sichtlich bewegt zeigte sich die Bereichsleiterin Wohnen des Oberlinhauses, Tina Mäueler. «Ich fühle mich furchtbar, traurig, ich bin wütend und verstehe das alles nicht», bekannte sie. «Diese Tat hat alles verändert - aber wird sie uns Oberliner zerstören? - Nein!»
In dem Wohnheim waren am Mittwoch vergangener Woche die vier Bewohner getötet und eine Bewohnerin schwer verletzt worden. Tatverdächtig ist laut Staatsanwaltschaft und Polizei eine mittlerweile 52-jährige Pflegekraft. Sie ist inzwischen in einer psychiatrischen Klinik untergebracht und soll auf ihre Schuldfähigkeit untersucht werden.
Der Theologische Vorstand des Oberlinhauses, Matthias Fichtmüller, berichtete bei aller Trauer von einem Zeichen der Hoffnung: Die bei der Gewalttat schwer verletzte Bewohnerin sei am Mittwoch aus dem Krankenhaus entlassen worden und ins Oberlinhaus zurückgekehrt, sagte Fichtmüller. Die 43-Jährige sei zurückgekehrt in ihr Daheim und in ihre Familie. «Das Thusnelda-von-Saldern-Haus ist ihre Heimat und das Oberlinhaus ist ihr zuhause - trotz allem, was sie erlebt hat.»
Nach dem Gedenkgottesdienst läuteten die Glocken aller Potsdamer Kirchen zum Gedenken an die Opfer etwa zehn Minuten lang. Auf dem Alten Markt vor der Kirche lag ein Kondolenzbuch aus. Dort trug sich neben vielen anderen Besuchern des Gedenkgottesdienstes und Passanten auch der Potsdamer Hans-Michael Sander ein. «Oberlin hat immer schon eine gute Arbeit gemacht», sagte er. «Es ist erschütternd.» Der Potsdamer Wolfgang Banse sagte: «Meine ganze Anteilnahme gilt den Angehörigen und dem Haus.» Das Oberlinhaus gehöre zu Babelsberg sagte Banse, der selbst in dem Stadtteil wohnt.
Seit Donnerstag ist auch ein digitales Kondolenzbuch freigeschaltet. Dort hatten sich bis zum Abend bereits rund 100 Menschen eingetragen.