Schiffsunglück

Staatsanwalt ermittelt nach Jacht-Untergang wegen Tötung

Staatsanwalt ermittelt nach Jacht-Untergang wegen Tötung

Staatsanwalt ermittelt nach Jacht-Untergang wegen Tötung

dpa
Palermo
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Der britische Milliardär Mike Lynch und seine Tochter Hannah, die beim Untergang der «Bayesian» ums Leben kamen. (Archivbild) Foto: Uncredited/Lynch family via TANCREDI/AP

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Die Toten an Bord der Luxusjacht «Bayesian» sind alle geborgen. Jetzt geht es um die Frage, warum die Segeljacht so schnell sank und so viele Passagiere starben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Nach dem Untergang der Luxusjacht «Bayesian» vor Sizilien hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung eingeleitet. Damit soll geklärt werden, ob das Segelschiff möglicherweise sank, weil die Gefahr eines aufziehenden Sturms unterschätzt wurde. Bislang richten sich die Ermittlungen aber nicht konkret gegen den Kapitän oder andere Mitglieder der Crew. 

Bei dem Unglück am Montag kamen in Ufernähe der italienischen Mittelmeerinsel sieben Menschen ums Leben, darunter der britische Milliardär Mike Lynch. 15 Menschen konnten gerettet werden, darunter fast die gesamte Besatzung. Der schwerreiche Software-Unternehmer Lynch hatte auf der Segeltour mit Familie, Freunden und Geschäftspartnern einen Freispruch vor Gericht feiern wollen. 

Ermittler: Jacht von Fallböe getroffen

Nach Erkenntnissen der Ermittler wurde die «Bayesian» frühmorgens in einem Sturm mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 Kilometern pro Stunde von einer Fallböe getroffen, was dann zum Untergang binnen weniger Minuten führte. Staatsanwalt Raffaele Cammarano sagte auf einer Pressekonferenz in Palermo: «Es war ein plötzliches, abruptes Ereignis.» Allerdings hatten andere Kapitäne in der Region ihre Boote zuvor in Sicherheit gebracht.

Fallböen entstehen nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes, wenn kalte Luft in einem Gewitter nach unten fällt, auf den Boden trifft und sich dort in linearer Richtung ausbreitet. Aus nächster Nähe sehen sie oft wie eine «weiße Wand» aus, die sich rasend schnell bewegt. Häufig richten sie sogar mehr Schäden an als Tornados.

Bergung könnte sich noch Wochen hinziehen

Aufschluss erhoffen sich die Ermittler von der sogenannten Blackbox der 56 Meter langen Luxusjacht, die allerdings noch nicht entdeckt wurde. Zudem will die Staatsanwaltschaft vor einer Ausweitung der Ermittlungen die Bergung des Schiffs abwarten, was mehrere Wochen in Anspruch nehmen könnte. Die 500-Tonnen-Jacht - eines der größten Segelschiffe der Welt - liegt einen Kilometer vor dem kleinen Hafen Porticello in 50 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund. 

Die Staatsanwaltschaft schloss aber auch nicht aus, dass zuvor schon einige Beteiligte namentlich in ein Register der Verdächtigen eingetragen werden. Dies würde ihnen nach italienischem Recht Zugang zu den Akten erlauben. Staatsanwalt Ambrogio Cartosio sagte: «Man darf nichts überstürzen. Man muss verstehen, wem ein Verbrechen zuzuschreiben ist. Das kann sowohl den Kapitän und die Besatzung als auch den Hersteller betreffen.»

Schwester verabschiedet sich mit rührenden Worten

Insbesondere geht es auch um die Frage, warum mit Ausnahme des Schiffskochs alle Crew-Mitglieder überlebten - von den zwölf Passagieren aber nur die Hälfte. Vermutet wird, dass die Todesopfer in ihren Kabinen im Schlaf überrascht wurden und sich nicht mehr befreien konnten. Auch von einer Party am Vorabend ist die Rede. Nach Angaben der Ermittler wurde bei den Überlebenden keine Alkoholtests gemacht.

Mit rührenden Worten verabschiedete sich unterdessen Lynchs Tochter Esme von ihrer jüngeren Schwester Hannah (18). «Sie ist mein kleiner Engel, meine Heldin», heißt es in einer Mitteilung der Familie. «Hannah platzte oft in mein Schlafzimmer und legte sich zu mir. Manchmal strahlte sie, manchmal war sie frech, manchmal fragte sie um Rat. Egal, was passierte, sie brachte mir grenzenlose Liebe.» Esme war nicht an Bord. Die Mutter überlebte das Unglück.

Lynch selbst gehörte zu den reichsten Briten. Mit dem Verkauf seiner Software-Firma an den US-Konzern Hewlett Packard hatte er Milliarden gemacht. Die Übernahme stellte sich dann aber als Flop heraus, was lange juristische Streitigkeiten zur Folge hatte. Ein Gericht sprach Lynch jedoch kürzlich frei.

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