Gastbeitrag

„Putins Mafiastaat: Der Westen hat gierig die Hand aufgehalten “

Putins Mafiastaat: Der Westen hat gierig die Hand aufgehalten

Putins Mafiastaat: Der Westen hielt gierig die Hand auf

Wolfgang Mayr
Apenrade/Brüssel
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Heute überlasst unser Kolumnist Jan Diedrichsen seinem VOICES-Kollegen Wolfgang Mayr aus Südtirol das Wort. Er hat sich intensiv mit dem System Putin beschäftigt und bietet einige beschämende Erkenntnisse: Durch Geldgier des Westens finanziert Putin seit Jahrzehnten ein mafiöses Geflecht aus Kontrolle, Korruption und Machtbesessenheit.

Russland ist ein mafiöses Geflecht aus Kontrolle, Korruption und Machtbesessenheit. Dieser mafiöse Staat führt jetzt einen Eroberungskrieg in der Ukraine, seine Soldaten begehen Kriegsverbrechen, zerstören Dörfer und Städte, vertreiben Menschen. Den Befehl dafür gab Putin, er fordert seine Truppen auf, die Ukraine zu Ent-Nazifizieren, im Klartext, Ukrainerinnen und Ukrainer zu töten.

Trotzdem gibt es im Westen weiterhin genügend Menschen, die Putin applaudieren. Linke, die Russland als ein Gegengewicht zum „westlichen US-geführten Imperialismus“ sehen; Rechte, weil Putin angeblich auf Familie, Glaube und Tradition setzt.

Catherine Belton, ehemalige Moskaukorrespondentin der Financial Times, hat sich in einer sehr aufschlussreichen Recherche dem Thema gewidmet und erklärt das System Putin in ihrem Buch „Putins Netz“.

Putin ist ein krimineller Strippenzieher, sein Netz eine Struktur aus Abhängigkeiten, organisierter Kriminalität und gigantischer Geldwäsche. Bereits als Vize-Bürgermeister von St. Petersburg nutzt Putin die Mafia-Clans, die die Geschäfte rund um den Hafen beherrschten. Putin nutzt sie, um Öl- und Gas-Lizenzen an ein Netzwerk von Tarnfirmen im Ausland zu vergeben. Die Gewinne verschwinden in schwarze Kassen und in geheimen KGB-Zellen im Westen.

Als Präsident Russlands dehnte er das St. Petersburger Geschäftsmodell auf das ganze Land aus. Putin verscherbelte bei der groß angelegten Privatisierung – der Westen lobte diese angebliche marktwirtschaftliche Politik – die Schlüsselindustrien an seine engen Freunde mit KGB-Hintergrund. Sie müssen ihren nicht erarbeiteten Reichtum mit der Kreml-Clique teilen. Die im Land nicht benötigten überschüssigen Milliarden verschoben Putin und seine treuen Gehilfen in westliche Steueroasen. Mit diesen Unsummen korrumpierte Putin die westlichen Demokratien.

Ein Beispiel für die grenzenlose Gier ist Großbritannien: Russische Unternehmen überschwemmten strategisch die Londoner Börse, Oligarchen investierten massenhaft. Der Westen frohlockte, weil er vermeintlich gewonnen hat, weil Russland angeblich auf die liberale Marktwirtschaft und vielleicht auf die Demokratie setzte. Ein Trugschluss oder besser, Selbstbetrug. Die westliche Wirtschafts-Elite wollte sich am Goldrausch in Russland beteiligen.

Die Wirtschaftspolitiker in der EU freuten sich über das kapitalistische Gebaren der neuen russischen Elite. Ihnen war es offensichtlich egal, wenn Russland Einfluss auf die westliche Politik nahm, Hauptsache die Kasse war voll. Belton belegt in ihrem Buch detailliert die russischen Interventionen in der EU und in den USA. So strömten riesige Summen in die Propaganda der Brexit-Kampagne von Boris Johnson und Nigel Farage sowie in die Verbreitung von Fake News.

In West-Europa finanzierte Putin aus seiner Öl- und Gaskasse rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien, so soll die italienische Lega wie auch die Le-Pen-Partei Front National jede Menge Rubel erhalten haben. Mit billigen Energie-Lieferungen gewann Putin den ungarischen Ministerpräsidenten Orban für seine Aggressionspolitik, auf dem Balkan schüren russische Nationalisten den Konflikt zwischen Serben und Bosniaken. Unter den Augen der EU und der Nato.

In seinem Staat lässt Putin unbotmäßige Oligarchen wegen angeblicher Steuerhinterziehung verhaften, sein Netz sorgt für Rechtsbeugung, Erpressung, illegale Konten und staatliche Machtausübung wie bei der Mafia, wo Abtrünnige bestraft werden. Ex-KGB-Offizier Alexander Litwinenko wurde vergiftet. Agent Sergei Skripal, Informant für westliche Geheimdienste, überlebte nur knapp einen Giftangriff. Wie der Ex-Oligarch Beresowski in London starb, wurde nie geklärt.

Putin führte als Präsident Russland in einen zweiten Krieg gegen Tschetschenien, seine Marionette Medwedew schickte russische Soldaten nach Georgien, seit acht Jahren lässt Putin einen Bombenkrieg in Syrien führen. 2014 annektierte Russland die ukrainische Krim, rüstete Milizen im Donbas für ihren anti-ukrainischen Terror auf und überzieht seit Ende Februar die Ukraine mit einem Vernichtungskrieg. Die westeuropäischen Pazifisten schwiegen, die Linke schwafelte von Dialog und Diplomatie, die Regierenden und ihre Sicherheitsberater, wie der Merkel-Experte Erich Vad, wollten die russische Gefahr wegen der gut laufenden Geschäfte nicht erkennen. Ein Fall von Amtsunterlassung oder gar Versagen?

Mit diesem russischen Staat, seinem Präsidenten und den Oligarchen trieb der Westen einen schwungvollen Handel. Besonders schamlos Deutschland. Der „lupenreine Demokrat“, so der Sozialdemokrat Schröder über seinen Männer-Freund Putin, ist ein lupenreiner Diktator, der die Demokratiebewegung, Menschenrechtsorganisationen und freie Medien zerschlug. Putin räumte kaltschnäuzig Oligarchen weg, die ihm im Weg standen, wie Michail Chodorkowski und Boris Beresowski. Chodorkowski wurde wegen Steuerhinterziehung und Unterschlagung zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Und noch immer verdienen der russische Staat und die damit verbandelten Oligarchen täglich eine Milliarde Euro aus dem Öl- und Gasgeschäft mit der EU. Gelder, die direkt in den Krieg gegen die Ukraine fließen, Blutgeld, das dafür sorgt, dass Russland noch lange sein „Brudervolk“ bekriegen kann.

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