Konflikte

Drohender Atomtest: Machthaber Kim geht hohes Risiko ein

Drohender Atomtest: Machthaber Kim geht hohes Risiko ein

Drohender Atomtest: Machthaber Kim geht hohes Risiko ein

dpa
Seoul/Washington/Peking
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Kim Jong Un bei einer Militärübung für Luftangriffe der koreanischen Volksarmee. Foto: kcna/kns/dpa

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Nordkorea ist dabei, seine Atomstreitmacht auszubauen. Dem Ziel dienten auch die jüngsten Raketentests. Auch ein neuer Atomtest wird erwartet. Auf der koreanischen Halbinsel braut sich eine gefährliche Gemengelage zusammen.

Während Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, haben sich die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel wieder gefährlich verschärft. Nordkorea testet trotz harter internationaler Sanktionen und Kritik unablässig atomwaffenfähige Raketen.

Seit Beginn des Jahres waren es bereits mehr als 40 ballistische Raketen einschließlich Mittel- und Interkontinentalraketen - soviel wie in keinem Jahr zuvor. Seit September erfolgten die Tests in ungewohnt hoher Frequenz.

Südkorea und die USA haben derweil in vollem Umfang wieder gemeinsame Militärübungen zur Abschreckung Nordkoreas durchgeführt, was Pjöngjang als Provokation empfindet. Dazu kommt, dass der Verhandlungsweg im Konflikt um das Atomwaffenprogramm Nordkoreas derzeit verbaut ist. Experten plädieren schon seit längerem dafür, neue Lösungsansätze zu finden.

Ähnlich wie der russische Präsident Wladimir Putin schwingt auch Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un jetzt die atomare Drohkeule. Zuletzt erklärte die Regierung des Ein-Parteien-Staats, die jüngsten Raketentests sollten dem Zweck dienen, den Beschuss von Flugplätzen in Südkorea mit taktischen Nuklearwaffen zu simulieren.

Sorge in Südkorea

«Dieses Gerede über taktische Atomwaffen, ob es nun von Putin oder Kim Jong Un kommt, ist unverantwortlich und gefährlich, und die Eskalation dieser Art von Drohungen oder Spekulationen hilft nicht in dieser Situation», mahnt der US-Botschafter in Seoul, Philip Goldberg. Kein Zweifel besteht in Washington und Seoul, dass Nordkorea kurz davor ist, einen neuen Atomtest zu unternehmen. Es wäre der siebte Atomtest und der erste des Landes seit 2017. In Südkorea herrscht die Sorge, die Lage könnte sich so zuspitzen wie vor fünf Jahren, als die Menschen in der Region Angst vor einem neuen bewaffneten Konflikt auf der koreanischen Halbinsel hatten.

Nordkoreas Ziel ist es, über das ganze Spektrum nuklearer Waffen zu verfügen und die Atomwaffen- und Raketentechnik zusammenzuführen. Experten gehen daher davon aus, dass Nordkorea diesmal taktische Atomwaffen testen könnte, was es bisher nicht getan habe. «Nordkorea wird am Ende taktische Nuklearwaffen testen und aufstellen (wie Kim gesagt hat)», schrieb der Experte Ankit Panda im Juni auf Twitter.

Solche Waffen werden auch als «small nukes» bezeichnet - taktische Waffen, deren Wirkungskreis und Sprengkraft deutlich geringer ist als bei strategischen Atomwaffen, die über einen Kontinent hinaus eingesetzt werden können. Sie könnten bei Kämpfen theoretisch als Alternative zu herkömmlichen Waffen eingesetzt werden, etwa als Kurzstreckenraketen und Artilleriegeschosse.

Kim ist bereit, weiter auf Risiko zu gehen

Nordkorea wähnt sich durch die atomare Bewaffnung als unangreifbar, für die Führung ist sie eine Garantie für ihren Fortbestand. Wenn es zu neuen Verhandlungen kommen sollte, will Nordkorea mit den USA auf Augenhöhe sein. Neue Atomtests zeigen auch, dass Kim bereit ist, weiter auf Risiko zu gehen. Die USA könnten mit neuen Militärübungen antworten und vorübergehend wieder strategische Waffen nach Südkorea schicken. Das würde wiederum Nordkorea zu neuen harten Reaktionen verleiten - eine bislang endlose Schleife, in der die betroffenen Länder schon seit Jahren gefangen sind.

Für US-Präsident Joe Biden ist Nordkoreas Verhalten ein großes Problem, noch dazu, weil er und seine Regierung mit Russlands Krieg in der Ukraine und Chinas Machtstreben außenpolitisch bereits alle Hände voll zu tun haben. Die Konflikte mit Russland und China sind bei der Nordkorea-Frage außerdem hinderlich - auf Unterstützung aus Moskau und Peking können die Amerikaner hier derzeit kaum hoffen.

Wege für eine friedliche Konfliktlösung sind verschlungen

Die US-Regierung bot Nordkorea immer wieder Verhandlungen ohne Vorbedingungen an. Alle Angebote dieser Art liefen jedoch bislang ins Leere. Und bei Biden ist derzeit jenseits von Appellen, zumindest nach außen hin, keine neue Strategie erkennbar. Eine Hoffnung der USA ist, dass sich China stärker für eine Lösung einsetzt. Washington wirft Peking vor, zu wenig zu tun. China habe es nicht geschafft, «den Raketentests Nordkoreas und dessen Anstrengungen zur Umgehung der Sanktionen entgegenzuwirken», sagt Goldberg.

Auch wenn China nicht glücklich über die Raketentests und die Aussicht auf einen neuen Atomtest seines Nachbarn sein sollte, lässt es sich das nicht anmerken. Vielleicht ist Peking auch froh, dass die USA, Japan und Südkorea durch die nordkoreanische Bedrohung abgelenkt sind, wie einige Beobachter anmerken. Ähnlich wie gegenüber dem russischen Einmarsch in der Ukraine demonstriert China in dem jahrelangen Konflikt mit Nordkorea nach außen vorgeblich Neutralität, die sich aber eher gegen die USA richtet.

Die Wege für eine friedliche Konfliktlösung sind verschlungen. Die jahrzehntelangen Bemühungen der USA, Kim zum Verzicht auf seine Waffen zu bewegen, seien gescheitert, schrieb vor wenigen Tagen der Experte für nukleare Rüstungskontrolle, Jeffrey Lewis, in einem Gastbeitrag für die «New York Times». Und Kim sei fest entschlossen, die Waffen zum Schutz seines Landes auch einzusetzen. «Washington muss das Undenkbare ins Auge fassen: zu akzeptieren, dass Nordkorea ein Atomstaat ist».

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