Minderheiten in Europa

Italien: Rückschlag für die Südtiroler Volkspartei und Zuwächse für rechte Separatisten

Italien: Rückschlag für die Südtiroler Volkspartei und Zuwächse für Separatisten

Italien: Südtirol nach Wahl am Scheideweg

Hatto Schmidt/Dolomiten
Bozen/Bolzano
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Betretene Gesichter: SVP-Obmann Philipp Achammer (links) und Landeshauptmann Arno Kompatscher nach der Wahl. Foto: Dolomiten/DLife

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Große Verluste: Erstmals muss die Südtiroler Volkspartei mit mehr als einem Partner regieren. Bauchweh macht nicht nur die Meloni-Partei „Fratelli d’Italia“. Hatto Schmidt von den „Dolomiten“ erklärt die Lage nach der Landtagswahl.

Die Südtiroler Volkspartei hat bei der Landtagswahl in der autonomen Provinz Südtirol am vergangenen Sonntag kräftig Federn lassen müssen. Das Wahlergebnis von 34,5 Prozent bedeutet einen Verlust von 7,4 Prozentpunkten für die traditionelle Partei der Deutschsprachigen in der Alpenregion im äußersten Norden Italiens.

Die SVP stellt nur noch 13 von 35 Abgeordneten im Landtag (minus zwei) und ist erstmals seit 1948 auf mehr als einen Koalitionspartner angewiesen. Die Bildung einer neuen Regierung wird somit nicht einfach. Vor 15 Jahren hatte die SVP noch mit 48 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit der Mandate errungen.  

 
Landeshauptmann Arno Kompatscher steht vor keiner leichten Aufgabe.
Landeshauptmann Arno Kompatscher steht vor keiner leichten Aufgabe. Foto: Dolomiten/DLife

Neue Regierung womöglich ein Fünfergespann

Da keine der anderen Parteien mehr als vier Landtagsmandate erringen konnte, werden möglicherweise bis zu fünf Parteien die neue Landesregierung bilden. Die Spekulationen schießen ins Kraut, wer infrage kommt. Die Sondierungsgespräche sollen nach Allerheiligen (in Südtirol der 1. November) beginnen. 

Schon die Wahl eines italienischen Regierungspartners gestaltet sich kompliziert. Laut Autonomiestatut müssen so viele italienische Landrätinnen und Landräte in der Landesregierung sitzen, wie es dem Anteil der italienischen Abgeordneten im Landtag entspricht. Doch der bisherige Partner, die Lega des italienischen Vizepremiers Matteo Salvini, ist implodiert und konnte statt vier nur mehr ein Mandat erringen.

Der in Umfragen vorausgesagte Siegeszug der rechten Partei „Fratelli d’Italia“ (Brüder Italiens) von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni blieb aus: Sie erhielt nur zwei Mandate. Dazu kommen noch je ein Mandat von zwei Splitterparteien. Im neuen Landtag sind statt vorher acht nur noch fünf italienische Abgeordnete vertreten, sodass die italienische Sprachgruppe voraussichtlich nur ein statt zwei Mitglieder der Landesregierung stellen wird. 



Brücken von links nach rechts kaum in Aussicht

Mit wem aber will die SVP auf deutscher Seite koalieren? Die Grünen, die sich leicht verbessert haben, aber dennoch weiterhin drei Abgeordnete stellen, schließen eine Koalition mit den „Fratelli d’Italia“ aus. Sehr skeptisch ist dazu auch das Team K (vier Mandate), eine lokale Abspaltung von der Fünf-Sterne-Bewegung des früheren Ministerpräsidenten Antonio Conte. Ihre Mandatszahl verdoppelt (von zwei auf vier) hat die Südtirol-patriotische, populistische Bewegung Süd-Tiroler Freiheit, die für die Loslösung Südtirols von Italien und die Rückgliederung Südtirols an Österreich eintritt. Sie punktete vorrangig mit den Themen Migration und Sicherheit bei jungen Leuten.

Weit weniger Stimmen als in Umfragen vorhergesagt, erhielt der frühere SVP-Landesrat Thomas Widmann mit seiner Liste; nur er selbst wird im Landtag sitzen. Widmann war nach einer despektierlichen Äußerung über Landeshauptmann Arno Kompatscher von diesem aus der Landesregierung geworfen worden.

Drei Impfgegner und Verschwörungstheoretiker werden darüber hinaus im neuen Landtag sitzen. Die kommenden fünf Jahre versprechen spannend zu werden, und es werden schon Wetten abgeschlossen, dass die neue Landesregierung die volle Amtszeit von fünf Jahren nicht überstehen wird.  

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