Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa
Davos
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Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj (l) im Gespräch mit der Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd (r): Die Ukraine fürchtet, dass die Unterstützung des Westens im Kampf gegen Russland schwindet. Mit einem Auftritt in der Schweiz will Präsident Selenskyj das verhindern. Foto: Alessandro Della Valle/KEYSTONE/dpa

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Selenskyj bekräftigt bei einem Treffen mit Stoltenberg Hoffnungen auf einen Nato-Beitritt. Und mit einem Auftritt in der Schweiz will der ukrainische Präsident für weitere Unterstützung werben. Der Überblick.

Mit einer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum im Schweizer Skiort Davos will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Nachdruck um Hilfe für sein Land im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg werben.

Die Mehrheit der Staaten sehe Russlands Aggression als einen nicht provozierten und kriminellen Krieg, für den das Land bestraft werden müsse, sagte Selenskyj in der Schweiz. Der Staatschef will heute auch einen persönlichen Auftritt in Davos dazu nutzen, den Westen in Zeiten bröckelnder Unterstützung wachzurütteln, weiter Milliarden und Waffen bereitzustellen.

Kuleba über Willen der Ukrainer: «Dann kämpfen wir mit Schaufeln»

Angesichts des bröckelnden internationalen Rückhalts bat der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba insbesondere die USA um weitere Militärhilfen und betonte den Kampfeswillen seiner Landsleute. «Was auch immer der Preis für die Unterstützung der Ukraine jetzt ist: Der Preis, im Falle einer ukrainischen Niederlage das Chaos in der Welt zu beseitigen, wird viel höher sein», sagte Kuleba dem US-Sender ABC News in einem Interview, aus dem am Montagabend (Ortszeit) Auszüge veröffentlicht wurden.

Auch unter schwersten Bedingungen werde sich die Ukraine Russland nicht ergeben, fügte der Minister hinzu: «Selbst wenn uns die Waffen ausgehen, werden wir mit Schaufeln kämpfen. Denn was für die Ukraine auf dem Spiel steht, ist die Existenz dieser Nation.» Für mögliche Friedensverhandlungen mit Russland müsse sein Land erst eine bessere Ausgangslage auf dem Schlachtfeld schaffen, sagte Kuleba.

Selenskyj trifft Stoltenberg: Hoffnung auf Nato-Beitritt

Selenskyj bekräftigte bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Hoffnungen seines Landes auf einen Beitritt zu dem Militärbündnis. Kiew erwarte beim Nato-Gipfel im Juli in Washington Entscheidungen, die eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Allianz näherbrächten, sagte Selenskyj am Dienstag am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos in der Schweiz. Das Präsidentenamt in Kiew veröffentlichte auch Fotos von Selenskyjs Treffen mit Stoltenberg, bei dem es nach Angaben von Selenskyj auch um die Vorbereitungen auf den Nato-Gipfel ging.

Russland begründet seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch mit dem Streben des Landes in die Nato. Eine Aufnahme der Ukraine in das Bündnis ist bisher jedoch nicht in Sicht. Selenskyj teilte zum Treffen mit Stoltenberg mit, bis zu einem Beitritt der Ukraine wolle das Land weiter wie zuletzt mit Großbritannien bilaterale Sicherheitsabkommen schließen.

Stoltenberg: Irgendwann wird der Preis für Russland zu hoch

Stoltenberg setzt auf anhaltende Unterstützung der Nato-Staaten für den Abwehrkampf der Ukraine. «Hilfe für die Ukraine ist eine Investition in unsere eigene Sicherheit», betonte er auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. «Wir müssen der Ukraine nur beistehen - und irgendwann wird Russland verstehen, dass sie einen zu hohen Preis zahlen und einer Art gerechtem Frieden zustimmen», sagte er. Die Nato-Staaten müssten ihr Möglichstes tun, um den Preis für Russland hochzutreiben.

Paradoxerweise sei ein Ende des Krieges ausgerechnet mit mehr Waffen für die Ukraine zu erreichen, sagte Stoltenberg. Je glaubwürdiger die militärische Unterstützung sei, desto wahrscheinlicher werde ein Erfolg der Diplomaten am Verhandlungstisch. Irgendwann müsse Russlands Präsident Wladimir Putin einsehen, dass der Preis zu hoch sei und einem dauerhaften Frieden mit der Ukraine als unabhängiger Nation zustimmen.

Von der Leyen sieht Scheitern Russlands

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rief in Davos zu einer fortgesetzten Unterstützung der Ukraine auf. Die bisherigen Entwicklungen zeigten, dass die Ukraine in diesem Krieg bestehen könne, sagte sie in einer Rede. Dafür müssen sie in ihrem Widerstand aber weiter gestärkt werden.

«Die Ukraine benötigt Planbarkeit bei der Finanzierung im gesamten Jahr 2024 und darüber hinaus», sagte von der Leyen vor dem Hintergrund noch ausstehender Zusagen auch der EU. Zudem brauche sie kontinuierliche Waffenlieferungen, um sich zu verteidigen und ihr rechtmäßiges Hoheitsgebiet zurückzuerobern.

Den bisherigen Verlauf des Konflikts wertete von der Leyen als Beweis dafür, dass Putin seine strategischen Ziele in der Ukraine bislang verfehlt. «Als Russland in die Ukraine einmarschierte, befürchteten viele, dass Kiew in nur wenigen Tagen und der Rest des Landes innerhalb weniger Wochen fallen würde», sagte sie. Doch dies sei nicht passiert. Stattdessen habe Russland etwa die Hälfte seiner militärischen Schlagkraft verloren und sei aus der Hälfte der Gebiete vertrieben, die es ursprünglich eingenommen hatte.

Habeck hofft auf Investitionen deutscher Unternehmen in Ukraine

Wirtschaftsminister Robert Habeck setzt auf Investitionen deutscher Unternehmen in der Ukraine. Trotz des Kriegs gebe die Bundesregierung Investitionsgarantien, die die Firmen ähnlich wie eine Versicherung absicherten, sagte der Grünen-Politiker beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Dort will er unter anderem an einer Veranstaltung mit Selenskyj und mehreren Unternehmenschefs teilnehmen.

Die Garantien seien «ein ungeheuer erfolgreicher Schritt, der zeigt, dass wir daran glauben und darauf vertrauen, dass die Ukraine diese schwierige Situation erfolgreich besteht, aber auch, dass deutsche Unternehmen in die Ukraine investieren werden». In Davos will er dafür werben, dass auch andere Staaten dieses Instrument nutzen.

London: Weiter keine Fortschritte an Front

Nach Einschätzung des britischen Verteidigungsministeriums haben weder Russland noch die Ukraine in der vergangenen Woche nennenswerte Fortschritte an der Front gemacht. Russland habe es trotz der Einnahme der Kleinstadt Marjinka im Dezember nicht geschafft, daraus Kapital zu schlagen und entweder westlich Richtung Kurachowe oder südlich Richtung Nowomychajliwka vorzustoßen, teilten die Briten mit.

Moskau hatte im Dezember die Einnahme der Stadt gemeldet, ukrainischen Militärangaben zufolge wird am Stadtrand weiter gekämpft.

Die Briten schrieben auf der Plattform X (früher Twitter), die Einkesselung der Stadt Awdijiwka bleibe wahrscheinlich derzeit Russlands wesentliches Ziel. Allerdings habe Russland bisher nur sehr begrenzt Gebietsgewinne erzielt, was zudem mit hohen Verlusten an Material und Personal einhergegangen sei.

Russland: Drei ukrainische Drohnen über Woronesch abgewehrt

Russland wehrte unterdessen laut dem Verteidigungsministerium in Moskau in der Nacht erneut einen ukrainischen Drohnenangriff über der Stadt Woronesch im Grenzgebiet im Südwesten des Landes ab. Drei Geschosse seien von der Luftabwehr zerstört worden, teilte das Ministerium auf Telegram mit. Dabei sei ein Kind leicht verletzt worden, nachdem Fragmente einer abgeschossenen Drohne in eine Wohnung eingeschlagen waren, schrieb der Gouverneur des Gebiets, Alexander Gussew, ebenfalls bei Telegram. Das 2013 geborene Mädchen habe Schnittwunden an Armen, Beinen und Hals. Mehrere Wohnblöcke und Privathäuser wurden laut Gussew beschädigt.

Bei der Verteidigung der Ukraine kommt es immer wieder auch zu Angriffen auf russischem Gebiet. Die russischen Schäden oder Opferzahlen stehen dabei allerdings in keinem Verhältnis zu den schweren Kriegsfolgen in der Ukraine.

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