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Polnisches Parlament bestätigt: Weniger Geld für deutsche Minderheit

Polnisches Parlament bestätigt: Weniger Geld für deutsche Minderheit

Polen: Parlament bestätigt Kürzungen für deutsche Minderheit

Warschau/Apenrade
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Przemysław Czarnek
Bildungsminister Przemysław Czarnek (PiS), hier Mitte Januar bei einer Debatte über die „Lex Czarnek“, mit der unter anderem die Rechte von LGBT+-Personen an Bildungseinrichtungen beschnitten werden sollen Foto: Damian Burzykowski Via Www.imago-Images.de/Imago/Ritzau Scanpix

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Sprachunterricht als politisches Druckmittel: Polens Nationalisten wollen ihren Einfluss auf Auswanderer in Deutschland erhöhen. Wie die deutsche Minderheit in Oberschlesien zum Prügelknaben gemacht wird – und weshalb Minderheitenexperte Jan Diedrichsen die Bundesregierung dazu auffordert, schleunigst zu handeln.

Die Entscheidung war eindeutig: 239 von 460 Abgeordneten im polnischen Parlament Sejm haben einen Antrag des knapp von der Opposition kontrollierten Senates abgelehnt, die Kürzungen für die deutsche Minderheit in Polen zurückzunehmen. Das berichtet die deutsche Wochenzeitung „Wochenblatt“ aus Oppeln (Opole).

Minderheiten-Politiker: „Ich habe zur Besinnung aufgerufen“

„Noch vor den Abstimmungen habe ich einen formellen Antrag auf Pause gestellt, damit die Marschallin mit den Mitgliedern der Vereinigten Rechten (Abgeordnete der Koalitionsparteien, Anm. d. Red.) spricht und ihnen klarmachen kann, wie schädlich eine solche Entscheidung sein könnte. Eine Entscheidung, die gegen die Verfassung, das Minderheitenrecht und besonders für Kinder gefährlich ist. Ich habe zur Besinnung aufgerufen“, so der Abgeordnete der deutschen Minderheit im Sejm, Ryszard Galla, zum „Wochenblatt“.

Der Schaden ist groß, und die gute Zusammenarbeit der vergangenen Jahre ernsthaft in Gefahr.

Jan Diedrichsen

Grundsätzlich sind alle Minderheitensprachen von den Kürzungen um knapp 40 Millionen Złoty (65 Millionen Kronen oder 9 Millionen Euro) betroffen. Doch es ist kein Geheimnis, dass die Regierung vor allem die deutsche Minderheit im Lande treffen will.

Bildungsminister beschwört deutsche Menschenrechtsverletzung herauf

Im Dezember hatte Bildungsminister Przemysław Czarnek von der nationalistischen Regierungspartei PiS dies im Sejm deutlich gemacht.

Es könne nicht sein, dass Warschau 236 Millionen Złoty für die deutsche Minderheit und die deutsche Sprache zahle, aber die Regierung in Deutschland, wo 2,2 Millionen Polen lebten, keinen Euro für die polnische Minderheit ausgebe, so Czarnek. „Wir fordern, dass die Bundesrepublik ihre internationalen Verpflichtungen und die Menschenrechte einhält. Dann werden wir das Geld wieder freigeben.“

Dabei verschweigt die polnische Regierung wissentlich, dass viele Bundesländer – und Bildung ist in Deutschland Ländersache – durchaus Polnischunterricht anbieten.

Zudem handelt es sich bei einem sehr großen Teil der in Deutschland lebenden Menschen, die aus Polen migriert sind, um Angehörige der deutschen Minderheit in Polen, also um Aus- und Spätaussiedler. Die übrigen Polen in Deutschland stellen, wie andere Einwanderergruppen auch, keine anerkannte nationale Minderheit dar.

Nationale Minderheiten

Der Begriff „nationale Minderheiten“ ist international nicht einheitlich definiert. Die Kriterien der unterschiedlichen Organisationen und Staaten Europas ähneln einander jedoch stark. Sie entsprechen im Sinne der unten aufgeführten Definition durch die Bundesregierung.

Wert gelegt wird stets auf die „traditionelle“ oder – in anderen Definitionen – „langjährige“ Beheimatung in oder Bindung zu dem fraglichen Staat oder der Region. Zudem müssen die Angehörigen der nationalen Minderheiten stets Staatsbürger in dem Land sein, das die nationale Minderheit anerkennen soll. In der Bundesrepublik gelten laut Bundesregierung folgende Kriterien:

  1. Die Angehörigen sind deutsche Staatsangehörige.
  2. Sie unterscheiden sich vom Mehrheitsvolk durch eigene Sprache, Kultur und Geschichte, also durch eine eigene Identität.
  3. Sie wollen diese Identität bewahren.
  4. Sie sind traditionell in Deutschland heimisch.
  5. Sie leben hier in angestammten Siedlungsgebieten.

Polnischunterricht in Deutschland statt Deutschunterricht in Polen

Mit dem Geld, das die Regierung in Polen der deutschen Minderheit nun wegnimmt, soll in Zukunft Polnischunterricht für die in Deutschland lebenden Polen finanziert und so der Einfluss der polnischen Regierung auf diese Bevölkerungsgruppe erhöht werden.

„Der Schaden ist groß, und die gute Zusammenarbeit der vergangenen Jahre ernsthaft in Gefahr. Eine Entwicklung, die auch von vielen namhaften Politikern, Wissenschaftlern und Medienvertretern in Polen scharf kritisiert wird“, so der aus Nordschleswig stammende Minderheiten-Experte Jan Diedrichsen in einer Kolumne für die Gesellschaft für bedrohte Völker.

Bernard Gaida
Der Vorsitzende des Dachverbandes der deutschen Minderheit in Polen, Bernard Gaida (Archivfoto) Foto: Cornelius von Tiedemann

Deutsche Minderheit sucht Hilfe in Europa

Die deutsche Minderheit in Polen will die Entscheidung derweil nicht kampflos hinnehmen. „Wir werden zuallererst den Europarat über die Entscheidung des Sejm informieren, weil dieser für zwei für die Minderheiten wichtige internationale Dokumente zuständig ist. Es sind die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten sowie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, die beide von Polen ratifiziert worden sind“, so Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, zum „Wochenblatt“.

Auch die Europäische Kommission und das EU-Parlament sollen eingeschaltet werden.

„Wir wissen zwar, dass Minderheitenrechte nicht zu den Kompetenzen der EU gehören, aber dass es zum Beispiel im Europäischen Parlament eine Intergroup gibt, die sich mit diesen Fragen befasst. Und schließlich werden wir auch die OSZE anschreiben, was besonders aus einem Grund wichtig ist. Polen steht dieser Organisation gerade vor und wird dann die Entscheidung des polnischen Parlaments erklären müssen“, zählt Bernard Gaida auf.

Auch juristische Schritte sollen unternommen werden, berichtet das „Wochenblatt“.

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen (Archivfoto) Foto: Cornelius von Tiedemann

Diedrichsen: Bundesregierung muss eingreifen

Und Jan Diedrichsen fordert auch ein Eingreifen der Bundesregierung: „Der Druck sollte erhöht werden, und die deutsche Minderheit in Polen hat alle Solidarität verdient. Auch wenn vonseiten der offiziellen Vertreter der Minderheit aus Oppeln keine Forderung Richtung Berlin ergeht, sich in den Streit einzubringen, sollte dies von dieser Stelle aus deutlich erfolgen: Es ist an der Bundesregierung in Warschau, vorstellig zu werden und wenn nötig auch bis zu einer Klärung des Streites finanziell für die deutsche Minderheit in Polen in die Bresche zu springen“, so Diedrichsen.

Er nimmt auch die Abgeordneten in die Verantwortung: „Auch der Deutsche Bundestag sollte seine Kontakte zum Sejm nutzen, um zu protestieren. Die Schülerinnen und Schüler der deutschen Minderheit dürfen nicht unter einer unverantwortlichen Regierungspolitik in Warschau leiden.“

 

 

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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