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Sánchez nach Abschiebung von 5600 Migranten am Pranger

Sánchez nach Abschiebung von 5600 Migranten am Pranger

Sánchez nach Abschiebung von 5600 Migranten am Pranger

dpa
Madrid/Ceuta
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Migranten kommen in der spanischen Enklave Ceuta, nahe der Grenze zwischen Marokko und Spanien, an. Foto: Bernat Armangue/AP/dpa

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Nach 36 Stunden Chaos und der Ankunft Tausender Migranten beruhigt sich die Lage in der spanischen Nordafrika-Exklave Ceuta. Doch an der politischen Front ziehen für Madrid dunkle Wolken auf.

Nach Ausbruch der Migranten-Krise in Ceuta mit der Ankunft von mehr als 8000 Migranten innerhalb von nur 36 Stunden fackelte Ministerpräsident Pedro Sánchez nicht lange. Er entsandte am Dienstag das Militär in die spanische Nordafrika-Exklave, flog selber hin und ordnete Massenabschiebungen an.

Bis Mittwochnachmittag waren bereits 5600 durch eine kleine Tür am Grenzzaun wieder nach Marokko zurückgeschickt worden. Flüchtlinge, die sich verzweifelt und weinend an Soldaten-Beine klammerten, wurden vor laufenden Kameras auch mit einiger Gewalt weggetragen.

«Sánchez legt bei der Verteidigung der territorialen Integrität Spaniens Entschlossenheit an den Tag», titelte die liberale Zeitung «La Vanguardia» am Mittwoch anerkennend. Auch die Bundesregierung begrüßte «die bereits eingeleiteten Maßnahmen der spanischen Regierung» - in einer für Madrid aktuell schwierigen Situation, wie die stellvertretende Sprecherin Martina Fietz in Berlin betonte.

Viel Lob heimste der spanische Regierungschef ansonsten aber nicht ein. Es gab Kritik aus (fast) allen Ecken. Menschenrechtsgruppen wiesen die Express-Abschiebungen als illegal zurück. Die Opposition warf dem Sozialisten «Schwäche» vor. Die rechtspopulistische Partei Vox meinte, Sánchez habe eine «Invasion» und «einen Angriff auf Spanien» zugelassen. Bei seiner Ankunft in Ceuta war Sánchez am Dienstagabend von etwa 50 Demonstranten heftigst beschimpft worden, sein Fahrzeug bekam sogar einige Tritte und Schläge ab.

Oppositionsführer Pablo Casado sagte am Mittwoch im Madrider Parlament, die Krise sei eine Folge «des Regierungschaos», Sánchez sei als Ministerpräsident ungeeignet. Ceutas Bürgermeister Juan Vivas, ein Parteifreund Casados, rechtfertigte die Protestaktion seiner Wähler. Viele hätten sich am Dienstag «aus lauter Angst» zu Hause eingeschlossen, der Unterricht sei für die meisten Kinder ausgefallen. «Das ist keine Migrations-Krise, das ist eine Invasion. Unsere Straßen waren von den Eindringlingen beherrscht.»

Sánchez warf der Opposition am Mittwoch vor, die Krise zu missbrauchen, um die Regierung zu stürzen. Er kann es unmöglich allen Recht machen. Menschenrechts- und Flüchtlingshilfs-Organisationen hatten ihn zuvor ebenfalls angeprangert: «Wir bringen unsere Besorgnis über den Einsatz von Abschreckungs- und Blockademaßnahmen an den Grenzen zum Ausdruck, die die Migration kriminalisieren und zu sozialen Konfrontationen führen.»

Sind die Massenrückführungen ohne vorherige Prüfung des Anrechts auf Asyl aber rechtmäßig? Das ist nicht ganz klar. Zwar gibt es seit 1992 ein bilaterales Abkommen mit Marokko, das solche Schnellabschiebungen von illegalen Einwanderern grundsätzlich ermöglicht. Diese müssen aber eigentlich direkt an der Grenze erfolgen, und nicht erst, wenn Migranten schon länger auf spanischem Boden sind. Hier gibt es Interpretationsspielraum.

Zudem gibt es Gesetze, eine Entscheidung des Verfassungsgerichts in Madrid sowie ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das im Februar 2020 eine Klage zweier im Jahr 2014 schnell abgeschobener Migranten gegen Spanien zurückwies, auf die sich Madrid beruft. Von den Abschiebungen am Dienstag und Mittwoch waren aber auch Migranten betroffen, die ganz offensichtlich minderjährig waren und für die diese Gesetze und Urteile alle nicht greifen. Diese seien freiwillig zurückgekehrt, beteuert Madrid.

Um die vielen Hunderte noch in Ceuta verbliebenen unbegleiteten Kinder und Jugendlichen würden sich die spanischen Sozialdienste kümmern. «Einige sind nur sieben bis neun Jahre alt. Viele wollen zurück, weil sie keine Ahnung hatten, welche Folgen eine Grenzüberquerung hat», sagte Sozialministerin Ione Belarra. Diese Rückführungen werde man mit größter Behutsamkeit in die Wege leiten. Belarra rief die verschiedenen Regionen Spaniens dazu auf, Bereitschaft zur Aufnahme der Minderjährigen zu signalisieren.

Aber nicht nur innenpolitisch ziehen für Madrid dunkle Wolken auf. Nach dem Rekord-Ansturm stellt sich die Frage, ob das nicht bald wieder passieren kann. Beobachter in Spanien sind davon überzeugt, dass nicht nur die Suche der Migranten nach einer besseren Zukunft die Krise ausgelöst hat, sondern in erster Linie ein Streit über die Westsahara, die bis 1975 spanische Kolonie war. Marokko beansprucht große Teile des dünn besiedelten Gebiets an der Nordatlantikküste. Rabat ist erzürnt, weil der Chef der dortigen Unabhängigkeitsbewegung Polisario, Brahim Ghali, in einem spanischen Krankenhaus behandelt wird. Die Lockerung der Grenzkontrollen sei eine Art Vergeltungsaktion gewesen, heißt es.

Rabat hielt sich derweil am Mittwoch weiter weitgehend bedeckt. Bis auf Menschenrechtsminister El Mostafa Ramid, der die Kritik seines Landes an Madrid bekräftigte, gab es kaum öffentliche Äußerungen. Spaniens Verhalten, einem Feind Marokkos Zuflucht zu bieten, sei fahrlässig, unverantwortlich und völlig inakzeptabel, schrieb er bei Facebook. Der Preis sei hoch, wenn Marokko unterschätzt werde.

Das Vorgehen erinnert an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der leidende Migranten im Streit mit der EU zum Faustpfand machte. Im Konflikt um den Umgang mit Migranten beschloss Erdogan im März 2020, diese nicht mehr von der Einreise in die EU abzuhalten. Daraufhin kamen Tausende Menschen an die Grenze zu Griechenland. Das Nachrichtenportal «Politico» bezeichnete das Vorgehen Marokkos am Mittwoch als die «Ankara-Methode».

Marokko hat in anderen Konflikten unter anderem mit der EU sowie Deutschland bereits mit unterschiedlichen Mitteln Druck aufgebaut. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Regierung - wie in diesem Fall - auch in Zukunft Kontrollen an den Grenzen zu Ceuta oder der spanischen Exklave Melilla für politische Zwecke einsetzen könnte.

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