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Nummer-eins-Hit «Bauch Beine Po»: Bodyshaming oder Ironie?

Nummer-eins-Hit «Bauch Beine Po»: Bodyshaming oder Ironie?

Nummer-eins-Hit «Bauch Beine Po»: Bodyshaming oder Ironie?

dpa
Berlin
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Hat gut lachen angesichts eines Single-Chartrekords mit sieben Nummer-eins-Hits in Deutschland: Shirin David. (Archivbild) Foto: Jörg Carstensen/dpa

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Rapperin Shirin David landet mit ihrem neuen Song einen Charts-Rekord, erntet aber auch Kritik, weil er platt Dünnsein propagiere. Doch so simpel ist es wohl nicht.

«Geh ins Gymmie, werde skinny»: Der neue Hit von Shirin David - «Bauch Beine Po» - irritiert mit seiner scheinbar ungebrochenen Verherrlichung eines trainierten schlanken Körpers. Doch er könnte auch einfach nur besonders kluge Ironie sein.

Die 29-Jährige ist in Sachen Nummer-eins-Hits die erfolgreichste Sängerin in Deutschland. Keine Solo-Sängerin hat bislang mehr Songs auf Platz eins gehoben als sie - weder Madonna, Tina Turner, Beyoncé, Lady Gaga, Whitney Houston und Rihanna, noch Britney Spears, Mariah Carey, Céline Dion, Adele, Taylor Swift oder Helene Fischer.

Im Gegenteil: Helene Fischer hatte erst durch eine Kooperation mit der gebürtigen Hamburgerin Shirin David und der «Atemlos»-Neufassung letztes Jahr eine Nummer eins in den Single-Charts («Atemlos durch die Nacht (10 year anniversary edition)»).

Bei «Bauch Beine Po» gab es jetzt für Shirin David schon vor der Veröffentlichung Kritik und enttäuschte Stimmen von Fans, als Textzeilen in Social Media bekannt wurden. Propagiert sie hier problematisch ein dünnes Körperbild? Betreibt sie Bodyshaming?

«Ich bin schlau, aber blond und supermegahot»

Der Text scheint jedoch so drüber zu sein, dass es eigentlich nur bissige Scharfzüngigkeit sein kann. Doch wird Ironie in Zeiten des ernsten Eins-zu-eins-Verständnisses überhaupt noch verstanden?

«Du willst einen Body? Dann musst du pushen! Bist du ein Hottie, werden sie gucken. Geh ins Gymmie, werde skinny, mach daraus eine Show. Wir sind pretty im Bikini. Das ist Bauch, Beine, Po.» 

 

Es fallen in dem Lied auch Sätze wie «Ich bin out of office, ruf mich nicht an. Das ist Clean-Girl-Aesthetic, Beauty-Programm.» Außerdem: «Ich bin schlau, aber blond und supermegahot.»

Vielen fehlt in dem Text und dem lasziven Videoclip die doppelte Ebene. Und begleitende Events belegen offenbar, dass es David wirklich um Schlankheit und Fitness geht.

So postete sie ein «Iced Matcha Latte Rezept» und veranstaltete gemeinsam mit einer Fitnessstudiokette einen Bauch-Beine-Po-Kurs für Ausgewählte - den Bildern nach schlanke bewegliche Fans.

Doch Shirin David weiß wohl ganz genau, was sie tut. Sie wurde als Youtuberin bekannt und ist ein Medienprofi neuer Dimension. Sie schafft es problemlos, eine Grenzgängerin zu sein, die einerseits Schönheitstrends mitmacht und andererseits Selbstermächtigung feiert.

Botschaft: Als Feministin gut aussehen und klug sein

Was es mit dieser angeblich anderen Art Feminismus auf sich hat, die jenseits aller Klischees in manchen Köpfen liegen mag, erklärte sie etwa auch dem damals 73-jährigen Thomas Gottschalk in dessen letzter «Wetten, dass..?»-Ausgabe vergangenen November.

Er habe ihr die Feministin gar nicht angesehen, sagte Gottschalk. «Warum denn nicht?», fragte David vor dem ZDF-Millionenpublikum. «Weil ich gut aussehe? Als Feministin können wir gut aussehen, und wir können klug sein und eloquent und wunderschön zugleich. Das eine schließt das andere nicht aus.»

Mit dem selbstbewussten und aufgesetzt provokanten Auftritt versuchte David, Gottschalk («Ich bin ja aus der Generation Alice Schwarzer») ordentlich einen einzuschenken. 

Sie erinnerte dann auch daran, dass er mal gesagt habe, dass Influencer eigentlich nicht auf seine Couch gehörten, sie es da aber sehr gemütlich finde.

David pflegt das Image, sich in einem jahrelangen Kampf in der männerdominierten Musikbranche durchgesetzt zu haben. Es geht ihr um You-Go-Girl-Feminismus - Motto: Hauptsache, du gefällst dir selbst und hast ein paar Leute, die dich unterstützen.

«Ich weiß genau, wie es ist, nicht willkommen zu sein»

Und so dankt David am Abend der Verkündung ihres siebten Nummer-eins-Hits bei Instagram ihrem Manager Taban, ihrer Schwester Pati und ihrer Mutter. 

Und zu einem Foto von sich im Pool mit nassem T-Shirt postet sie zudem: «Ich weiß genau, wie es ist, nicht willkommen zu sein, nicht eingeladen zu werden und ignoriert zu werden. Ich habe von dieser Industrie und diesen Menschen absolut nichts geschenkt bekommen...» 

Doch ihre Ausdauer sei gewaltig. Und an alle, die nicht an sie geglaubt haben, schreibt Shirin David im selbstbewussten Hip-Hop-Ton: «Fickt euch, ihr braucht nicht ankommen...»

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