Diese Woche in Kopenhagen

Begeistert aus der Krise

Begeistert aus der Krise

Begeistert aus der Krise

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
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Foto: dpa

Entgegen jeder Vermutung zeigen EU-Statistiken, dass die Dänen der EU positiver eingestellt sind als viele andere Bevölkerungen in Europa. Dass die großen Aufgaben in Brüssel in guten Händen sind, scheint die Dänen zu überzeugen. Sie überlassen die Innenpolitik den Politikern auf Christiansborg – die große Politik wird in Brüssel gemacht. Doch ein wenig mehr EU-Engagement der dänischen Politik wäre wünschenswert, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen.

Es gibt nur wenige Bevölkerungen in Europa, die der EU und ihren Institutionen gegenüber so positiv eingestellt sind, wie die Dänen. Zumindest, wenn man der EU-Statistik glauben schenken mag: Die Dänen erzielen bei den Eurostat-Umfragen immer wieder Höchstwerte, so auch bei der vor wenigen Tagen veröffentlichten Statistik („Der Nordschleswiger“ berichtete). Dänemark – das EU-Jubel-Land?

Der Beobachter mag sich dabei etwas verwundert die Augen reiben, ist es doch ein beliebtes politisches Spiel in Dänemark, auf die EU zu schimpfen. Doch bereits seit einigen Jahren besteht die Diskrepanz zwischen der oftmals im politischen Diskurs sehr kritischen EU-Sichtweise der Eliten und den EU-positiven Umfragen unter den dänischen Bürgern. 

Die Dänen scheinen sich ganz gut damit arrangiert zu haben, dass die heimischen Politiker sich um die Innenpolitik kümmern. So sind die Themen, bei den nun anstehenden Sommerfraktionstreffen der Parteien, nicht die großen globalen Fragen. Weder Trump, Mittelmeer-Flüchtlinge, Naher Osten, Russland etc. werden im Mittelpunkt stehen. Es ist vielmehr die mit Spannung erwartete Offensive der Regierung Løkke Rasmussen, bei einer zu erwartenden Steuerreform. Auch die Sozialdemokraten und DF haben sich gruppiert und wollen eine „Wohlfahrtsoffensive“ anrollen lassen. 

Die Spielräume für mögliche Steuersenkungen (die wohl kaum so drastisch ausfallen werden, wie von der Liberalen Allianz vor ihrem Regierungsbeitritt gefordert) hängen mit der ökonomischen Großwetterlage zusammen, die in Europa gut aussieht. Sogar in den Krisenstaaten ist Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Die EU-Kommissarin Margrete Vestager hatte bereits zufrieden getwittert, dass es in Europa so gut gehe, wie seit dem Ausbruch der Krise 2008 nicht mehr; dabei jedoch einschränkend, dass die Arbeitslosenwerte in Spanien und Griechenland immer noch dramatisch seien. Aber just Griechenland und Spanien machen Hoffnung: Athen ist es erstmals wieder gelungen, am Markt Geld zu leihen. Wer hätte das vor einem Jahr gedacht.  Die EU und damit auch Dänemark scheinen aus dem Gröbsten raus zu sein. 

Es war daher auch ein sehr aufgeräumter EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker, der dem online-Magazin Politico ein Interview aus dem 13. Stock des Berlaymont-Gebäudes in Brüssel gewährte, bevor es ihn in den Sommerurlaub zog. Der Luxemburger erklärte, er sei zu lange im Geschäft, als dass er sich darüber ärgere, dass die EU-Kommission immer für die negativen Dinge herhalten müsse, während die Regierungen in den Mitgliedsstaaten sich alle Erfolge einverleiben würden. Das sei schon immer so gewesen, meint Juncker, gibt dabei aber selbstbewusst zu verstehen, dass ohne die EU-Kommission und die Arbeit der EU, die zunehmende Wucht der internationalen Krisen - sei es nun der US-Präsident Donald Trump, Putins Russland, die Flüchtlinge etc. – von keinem Land alleine hätten gemeistert werden können.  Dass die großen Aufgaben in Brüssel in guten Händen sind, das scheint auch die Dänen zu überzeugen. Sie überlassen die Innenpolitik den Politikern auf Christiansborg – die große Politik wird in Brüssel gemacht. Jean Claude Juncker und der EU wird das sicher recht sein. Doch einwenig mehr EU-Engagement der dänischen Politik wäre wünschenswert.

 

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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