Diese Woche in Kopenhagen

„Klimaveränderung“

Klimaveränderung

Klimaveränderung

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:

In Dänemark rühmt man sich zu Recht gerne damit, im Klimaschutz Vorbild zu sein. Doch es wird nicht reichen, zu sagen, wir machen bereits viel, nun sind die anderen dran, meint der Leiter des Kopenhagener Sekretariats der deutschen Minderheit in Dänemark, Jan Diedrichsen.

„Wie wir in den nächsten Monaten und Jahren mit dem Planeten umgehen, welche Entscheidungen wir treffen, dies wird die Zukunft der Menschheit bestimmen.“ Mit Aussagen wie diesen, wäre man noch vor kurzem von weiten Teilen der Gesellschaft, von Politik und Bevölkerung, in die Ecke der Fanatiker geschoben worden. Das hat sich in nur einem Jahr, nach dem Beginn der globalen Klimaproteste, grundlegend geändert.

Am Freitag gingen weltweit Millionen Menschen auf die Straße. In Deutschland fanden in 600 Städten Demonstrationen statt. In New York waren über eine Million Menschen – vor allem Jugendliche und Schüler - auf den Straßen. In Berlin waren es nach Angaben der Polizei rund 270.000 Demonstranten.  Schüler riefen in der Nähe des Brandenburger Tores: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!“

Der Startschuss für den weltweiten Klimastreik fiel bei Tagesanbruch an der Datumsgrenze im Pazifik. Auf den vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Inseln Vanuatu, den Salomonen und Kiribati sangen Kinder: „Wir sinken nicht, wir kämpfen“. Nicht jeder kann mit dem Pathos und dem moralisch aufgeladenen Impetus der Klimabewegung umgehen. Greta Thunberg provoziert neben viel Zustimmung und Bewunderung auch blanken Hass. Die Gesellschaft ist in dieser Frage tief gespalten. Weltweit. Eine Klimademonstration in Paris mit rund 60.000 Teilnehmern ist am Samstag von Gewalt überschattet worden. Die Polizei setzte Tränengas ein, es gab mehr als 160 Festnahmen.

In Dänemark rühmt man sich zu Recht gerne damit, im Klimaschutz Vorbild zu sein. Die Umweltpolitik des Landes ist in der Tat in vielen Bereichen vorbildlich. Die Klimaproteste haben in Dänemark nicht den Anklang gefunden, wie in anderen Ländern. Doch es wird in Dänemark nicht reichen, zu sagen, wir machen bereits viel, nun sind die anderen dran.

Wir werden in Dänemark noch viel mehr machen müssen und das wird den Konflikt noch weiter auf die Spitze treiben. Jeder einzelne wird das spüren. Es wird nicht reichen, keine Plastiktüten zu kaufen. Vor allem werden wir verzichten müssen auch da, wo wir es eigentlich nicht wollen: Beim ungebremsten Autofahren, bei billigen Lebensmitteln, beim Fleischkonsum, bei den Billigfliegern etc. Die Landwirtschaft und die Mobilität werden sich grundlegend ändern. Es werden viele Neuerungen kommen müssen, die zum Widerspruch reizen. Vieles wird teurer und anders werden.

Mal eben nach dem Abitur eine Weltreise machen und dann zu Hause für den Klimaschutz zu demonstrieren, das passt auch nicht zusammen. Meiner Meinung nach, gilt es mit einer Logik zu brechen, die den Rahmen unserer Gesellschaft bildet: Die Logik des Wachstums und des Konsums. Wir starren weiterhin wie die Schlangen auf das Kaninchen, wenn es um Wachstum geht. Immer mehr, immer weiter – nur das hält die Wirtschaft im Lot. Wir kaufen und konsumieren wie die Weltmeister. Statussymbole dominieren unser Bild von uns selbst.

Diese Statussymbole werden vor allem durch Geld und Konsum erreicht. Das geht so nicht weiter. Für eine nachhaltige Veränderung braucht es den Druck der Straße und des Protestes sowie ein Umdenken in der gesamten Bevölkerung. Doch das wird Widerspruch wecken. Jeder will Veränderungen, aber nicht bei einem selbst. Unsere Politik ist gefragt, diesen schwierigen Prozess zu führen und zu moderieren.

Mehr lesen

Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
„Wenn Minderheiten als Gefahr für andere dargestellt werden“