Kulturkommentar

„100 Jahre – nicht Grenzziehung, sondern Bibliotheksgesetz!“

100 Jahre – nicht Grenzziehung, sondern Bibliotheksgesetz!

100 Jahre – nicht Grenzziehung, sondern Bibliotheksgesetz!

Claudia Knauer
Claudia Knauer
Apenrade/Aabenraa
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Ein Kulturkommentar von Claudia Knauer, Büchereidirektorin des Verbandes Deutscher Büchereien Nordschleswig.

Im Ersten Weltkrieg sind nicht nur unzählige Menschen grausam gestorben, haben Haus und Hof und ihre Liebsten verloren, auch die demokratische Gesellschaftsordnung hat schweren Schaden genommen.  In Dänemark kam es 1920 zur Volksabstimmung über die Grenzziehung, und die Osterkrise, die Christian X . mit der Absetzung von Staatsminister Zahle und der faktischen Entmachtung des Parlaments ausgelöst hatte, zeigte sich bereits am Horizont. Menschen, die schon vorher erkannt hatten, dass aufgeklärte Bürger die beste Garantie gegen Staatsstreiche und undemokratische Machtübernahmen sein werden, sorgten dafür, dass am 5. März 1920 Dänemark als erst zweites Land weltweit ein Bibliotheksgesetz verabschiedete.  Dänen wurde der Zugang zu Wissen garantiert.

Eine Demokratie braucht Bürger, die lesen, sich ihre Informationen verschaffen und sie miteinander diskutieren können. Es geht um Bürger, nicht um Untertanen. In der ersten Fassung des Bibliotheksgesetzes, das mittlerweile einige Änderungen durchlaufen hat, steht als Aufgabe: „at udbrede Kundskaber og almindelig Oplysning“.  Es geht also von vornherein um viel mehr als um eine Sammlung von Büchern – heute von Medien aller Art. Es geht darum, Mitbürger zur Teilhabe an unserer Gesellschaft zu ermuntern, ihnen  Instrumente und den Raum für Meinungsbildung  und – das gehört auch dazu – für Unterhaltung zur Verfügung zu stellen.  Die Volksbibliothek ist, wie der Aarhuser Sozialdemokrat und Vorsitzende des Dänischen Bibliotheksverbandes, Steen Bording Andersen, formulierte, „ein politisches Projekt, das die Demokratie unterstützt“. Daran hat sich über die 100 Jahre hinweg eigentlich nichts geändert. Die Medien sind andere geworden, die Methoden vielleicht auch. Aber grundlegend geht es noch immer darum, dass die Menschen, die in Dänemark leben, ohne dafür bezahlen zu müssen, Zugang zu Wissen erhalten, Beratung, wo gewünscht und notwendig und einen Raum, in dem sie sich aufhalten und austauschen können, egal ob sie Rot, bBlau, Grün oder Weiß-gepunktet wählen, ob sie Männer oder Frauen lieben, ob sie klein sind oder groß, ob sie auf dem Land wohnen oder in der Stadt, ob sie einen Doktorgrad haben oder als Servicekraft dafür sorgen, dass die Regale im Supermarkt gefüllt und die Toiletten geputzt sind. Hier sind alle gleich. Und wir als Verband Deutscher Büchereien sind stolz darauf, ein eigener Paragraf dieses Gesetzes in der Fassung von 2000 zu sein, in der es heißt, Bibliotheken müssen für: „Aufklärung, Ausbildung und kulturelle Aktivität“  sorgen. Wir betrachten es als eine unserer vornehmsten Aufgaben, daran mitzuarbeiten, dass diese Demokratie Bestand hat. Wir haben keine bessere. Glückwunsch zum 100.!

P.S. Am 5. März veranstalten wir, wie viele andere Bibliotheken in Dänemark, einen Leseflashmob. Wer Lust hat, kommt um 16 Uhr in die Deutsche Zentralbücherei Apenrade und liest gemeinsam mit anderen bis 16.15 Uhr – was immer jeder möchte oder es wird vorgelesen. Kaffee und Kekse stehen bereit.

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