Kulturkommentar

„Heiße Zukunft im (kalten) Norden?“

Heiße Zukunft im (kalten) Norden?

Heiße Zukunft im (kalten) Norden?

Judith Reicherzer
Judith Reicherzer
Apenrade/Aabenraa
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Südeuropa brennt. Reisende zieht es in den Norden. Was hat es mit dem Phänomen des Klimawandeltourismus auf sich?

Urlaub in Europa 2022: Der Süden steht in Flammen, die Inflation steigt, und es herrscht Chaos an den Flughäfen. Was macht das mit dem europäischen Reiseverhalten?

All diese Faktoren beeinflussen indirekt oder direkt unsere Urlaubswahl. Insbesondere die dramatischen Brände in Südeuropa führen zu schrecklichen Urlaubserlebnissen oder Urlauben, die gar nicht stattfinden, da die Reise vor Antritt aufgrund von Verwüstung oder aus Sorge storniert wird. 

Einen Reiseboom gibt es trotzdem, und das nicht zuletzt, da die Corona-Restriktionen gefallen sind. Dies gilt auch für Dänemark, und so berichtete „Der Nordschleswiger“ im Mai 2022 von einem Touristenansturm auf das Land.

Die Beliebtheit Nordschleswigs und Gesamtdänemarks könnte aber auch noch auf eine andere Ursache zurückzuführen sein: Klimawandeltourismus. Ich habe es bereits selbst im Bekannten- und Freundeskreis gehört: Flugreisen in den Süden sind out. Nicht zuletzt, weil es in Deutschland dieses Jahr schon so viele heiße Tage über 35 Grad gab und die Waldbrände in Südeuropa abschrecken. Mit dem Bus oder Wohnwagen geht es deshalb alternativ nach Skandinavien. 

Eine kurze Recherche zeigt, dass dieser Trend – der sich im Laufe des Jahrhunderts manifestieren soll – bereits vor Jahren wissenschaftlich vorausgesagt wurde. Südeuropa, das immer stärker von Hitzewellen heimgesucht wird, wird für Urlauberinnen und Urlauber unattraktiver. Die Flucht vor Flammen ins Meer passt nicht zu den Urlaubsvorstellungen – was sich so dieses Jahr in Italien abgespielt hat. Warm soll es zwar schon sein, aber natürlich nicht in diesem Ausmaß. Da ist es eigentlich fast naheliegend, dass sich Nordeuropa als Reiseziel größerer Beliebtheit erfreut. 

Heiße Zukunft im (kalten) Norden? Strand, Meer und immer öfter hochsommerliche 30 Grad locken die Touristinnen und Touristen an, und Nordwesteuropa wird neuer Urlaubshotspot. Dänemark, das so nah an Deutschland liegt, hat damit einmal mehr einen entscheidenden Vorteil – wenn man so will – vor den anderen skandinavischen Ländern und könnte auf der deutschen Urlaubsrangliste auf Platz 1 landen. 

Dennoch wäre es naiv, das Reiseverhalten nur auf die Klimakrise zurückzuführen. Lohnentwicklung, Inflation, Weltgeschehen und Co. beeinflussen die Urlaubswahl wechselseitig.

Um den Temperaturanstieg möglichst gering zu halten wäre kein Urlaub wohl am besten, denn auch Reisen in den kühlen Norden sind schlecht für die CO2-Bilanz. Der Klimawandeltourismus ist damit vielmehr ein neues Paradox und hat einen faden Beigeschmack.

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