Leitartikel

„Drohungen sind unpassend“

Drohungen sind unpassend

Drohungen sind unpassend

Apenrade/Aabenraa
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„Nordschleswiger“-Journalist Helge Möller spricht sich in seinem Leitartikel dafür aus, dass, solange eine Entscheidung frei ist, diese auch akzeptiert werden sollte – ohne große Aufregung.

Im Grunde genommen mag man sich die Grafiken gar nicht mehr anschauen. Die Zahl der Corona-Infektionen nimmt in Dänemark wieder zu, die Krankenhäuser müssen mehr Corona-Patienten aufnehmen. Wieder gibt es mehr Tote. Und das bei einer im Vergleich zu anderen Ländern guten Impfquote. Ein Anstieg wurde zwar erwartet, frustrierend ist er aber trotzdem und nun das: Der dänische Gesundheitsminister Magnus Heunicke (Soz.) sagte kürzlich: „Wenn wir Dänemark offen halten wollen, müssen sich mehr impfen lassen."

Je nach Standpunkt ist das eine nüchterne Feststellung, eine Warnung oder gar eine Drohung. Dabei liegt die Impfquote mit 75,1 Prozent im Vergleich zu Deutschland mit 66,4 Prozent (Anteil Geimpfter an der Gesamtbevölkerung) deutlich höher – wobei es in Deutschland je nach Bundesland deutliche Unterschiede und offenbar eine „Dunkelziffer" gibt.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Partei Venstre, Martin Geertsen, hielt dann auch sofort dagegen und nannte die Aussage auf Dänisch „vild“, was sich unterschiedlich übersetzen lässt, etwa mit heftig oder unglaublich, aber auch mit verantwortungslos oder irre – alles in allem also eher nicht positiv.

Geertsen meint, es habe zwischen Regierung und der Bevölkerung eine Art Vereinbarung gegeben, dass es zu keinen Restriktionen und Lockdowns mehr kommen werde, wenn die Bevölkerung die Impfangebote gut wahrnimmt.

Was sie, siehe oben, getan hat. Die Frage, die sich in Dänemark und auch in Deutschland stellt, ist, wie weitermachen? Die Zeiten sind längst vorbei, als es in Deutschland viel Geduld und Einsatz brauchte, um einen Impftermin zu ergattern. Mittlerweile kommt die Impfung oft zu den Bürgern und nicht die Bürger zur Impfung. Die Politik sollte registrieren und akzeptieren, dass sie nicht alle davon überzeugen kann, sich impfen zu lassen. Das werden niedrigschwellige Impfangebote vielleicht  noch ein bisschen ändern, Drohungen aber bestimmt nicht.

Man mag beklagen, dass Argumente der Impfgegner nicht stichhaltig sind, dass die Gegner insgesamt der Gemeinschaft keinen Dienst erweisen, dass sie das Gesundheitssystem unter Druck setzen – ändern lässt sich die Impfquote aber nun Ende Oktober wohl nicht mehr sonderlich. Wenn es die freie Wahl gibt, müssen sich Politiker irgendwann damit arrangieren, dass sich Menschen gegen eine Impfung entscheiden und eben nicht so, wie sie es wünschen.

Es ist befremdlich, welches Ausmaß die Diskussion um den Fußballer Joshua Kimmich angenommen hat, nachdem dieser dem Sender „Sky“ bestätigt hatte, dass er sich noch nicht habe impfen lassen und Bedenken habe. Das hätte eine kurze Meldung sein können, eine Notiz, doch es baute sich eine Welle von Zeitungsartikeln auf – Fußballkollegen, Gesundheitsexperten sagten ihre Meinung, hinzu kam das Feedback aus den sozialen Medien, es wurde ausgiebig kommentiert. Es könnte sein, dass sich die Entscheidung des Sportlers für ihn selbst als unklug, als nicht gesund erweist. Gesund ist die aufgeheizte Diskussion der beiden Lager mit Sicherheit nicht – für alle.

Die Furcht bleibt, dass das Virus sich nicht eindämmen lässt, dass die Krankenhäuser, die Menschen, die dort arbeiten, überlastet sind, und die Versorgung zusammenbricht. Doch weiterhin ist die Pandemie, zumindest in Dänemark, nicht gesellschaftsbedrohend. Es ist nicht nötig, Menschen unter Druck zu setzen, und es wird vermutlich auch nichts ändern an der Impfquote.

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