Leitartikel
„Klimaschutz vor Wirtschaftsinteressen“
Wir tun zu wenig
Wir tun zu wenig
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Es ist global eine Ohnmacht zu spüren angesichts immer häufiger werdender Anomalien und Extremwetterereignisse. Weil die Staaten beim Klimaschutz versagen, müssen also zunächst alle in ihrem Alltag schauen, wie es sich ressourcenschonender leben lässt. Das sind wir den künftigen Generationen schuldig, meint Journalist Gerrit Hencke.
Kaum ein Tag vergeht, ohne neue oder bekannte Hiobsbotschaften. Überschwemmungen in Spanien, Waldbrände in Kalifornien, und auch der Sauerstoffmangel in den Förden Nordschleswigs hält an, obwohl sich die Lage im Herbst üblicherweise entspannen sollte. Das tut sie – jedoch nur sehr langsam.
Die besonders ernste Situation in der Flensburger Förde und dem Nübelnoor ist bekannt. Entlang der dänischen Küste sind rekordgroße Flächen betroffen. Zu geringer Wasseraustausch zwischen Nord- und Ostsee, steigende Temperaturen durch die Klimaerwärmung und Nährstoffeinträge – vor allem durch die Landwirtschaft – sind die bekannten Gründe. Während die Zeit drängt, endlich mutige Maßnahmen zum Klimaschutz zu beschließen, passiert global recht wenig, um Flora und Fauna vor dem Kollaps zu bewahren.
Zwar verhandelt die SVM-Regierung derzeit über ein Paket zur Minderung der Klima- und Umweltbelastung, aber vier Oppositionsparteien gehen die Bemühungen nicht weit genug – von Umweltschutzverbänden ganz zu schweigen. Und selbst Regierungschefin Mette Frederiksen (Soz.) fürchtet, dass die Absprache sogar ganz scheitert. Die Auswirkungen dürften in naher Zukunft verheerend sein.
Sind die Förden hier ein lokales Problem für Dänemark – und auch Deutschland –, so ist auch global eine Ohnmacht angesichts immer häufiger werdender Anomalien und Extremwetterereignisse zu spüren. Dazu kommt, dass gerade auch in führenden Wirtschaftsnationen der Klimaschutz nicht die oberste Priorität genießt, obwohl gerade die größten Verursachenden der Klimakrise vorangehen müssten. Es ist ein öffentliches Desinteresse gegenüber der Natur zugunsten der Wirtschaft.
So poltert etwa der wiedergewählte Donald Trump bereits, er werde wieder aus dem Pariser Klimaabkommen und der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) aussteigen. Trump plant, Naturschutzgebiete zu verkleinern, um Erdölbohrungen und Bergbau den Weg frei zu machen. Die USA sind hinter China der größte Emittent von Treibhausgasen. Während China bei erneuerbaren Energien und entsprechender Technologie weltweit die Führung übernimmt, kommt mit Trump ein Zweifler der Klimakrise an die Macht.
Auch in Deutschland zeichnet sich ab, dass sich die künftige Führung des Landes nach dem Zerfall der Ampel-Koalition eher weniger mit Klimaschutz auseinandersetzen wird. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat gute Chancen, die nächste Bundestagswahl zu gewinnen. Er bezeichnete Windkraftanlagen kürzlich als „hässlich“ und Übergangstechnologie.
Als Alternativen nannte er die Atomenergie, über deren Aus seine Partei 2011 mitentschieden hatte. Für alte Brennelemente gibt es in Deutschland nach wie vor kein Endlager. Auch prüfe die CDU die Kernfusion, so Merz. Eine Technologie, die in den Kinderschuhen steckt. Denn über Testreaktoren geht es noch nicht hinaus. Expertinnen und Experten sprechen von 25 bis 35 Jahren, bis Kernfusion tatsächlich Energie liefern könnte. Ein Beispiel für ein Luftschloss, mit dem die aktuellen Herausforderungen verdrängt werden sollen. Schon jetzt ist klar, dass Deutschland nicht mal die CO₂-Neutralität bis 2045 erreichen kann, wenn nicht schnell entschlossen gehandelt wird. Dabei gäbe es durchaus Einsparpotenzial – etwa durch das umstrittene Tempolimit auf Autobahnen.
Der Baum brennt. Doch gleichzeitig breitet sich auch Machtlosigkeit aus. Und weil Staaten wie Dänemark, Deutschland und die USA nicht in die Pötte kommen, wird auch der gerade begonnene UN-Klimagipfel in Baku voraussichtlich so enden, wie wir es schon kennen: „Leider wieder nichts herausgekommen.“
Weil die Staatengemeinschaft versagt, liegt es also zunächst an jedem Einzelnen, selbst etwas zu tun. Und zugegeben, auch ich war auch schon besser darin, nachhaltig zu leben. Denn ab und an resigniere ich. Immer dann, wenn zum Beispiel auf dem Supermarkt-Parkplatz ein Auto mit laufendem Motor steht, während der Besitzer drinnen einkaufen ist.
Warum also mache ich mir die Mühe überhaupt, das Auto häufiger stehen zu lassen, kaum noch Fleisch zu konsumieren oder unnötige Käufe zu vermeiden, während sich tonnenweise „Fast Fashion“-Abfall in der Atacama-Wüste stapelt? Es ändert doch nichts. Doch, tut es.
Meine Kinder verstehen mittlerweile, warum ich lieber das Lastenrad nehme. Denn es geht darum, dass sie einen Planeten erben, der noch bewohnbar ist. Schon in den 1980er-Jahren machte die sogenannte „Weissagung der Cree“ auf Umweltprobleme aufmerksam. „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“ 40 Jahre ist das her. Heute gilt dieses Zitat mehr denn je.
Und sind wir ehrlich: Klima und Umwelt sind zu wichtig, um es dem privaten Engagement zu überlassen. Es ist daher an der Zeit, dass Staaten den Klimaschutz vor die Wirtschaftsinteressen stellen. Die Kosten, jetzt in den Klimaschutz investieren, sind viel geringer als die Kosten, die auf uns zukommen, wenn nicht gehandelt wird.