Wort zum Sonntag

„Das Wort zum Sonntag, 19. Februar 2022“

Das Wort zum Sonntag, 19. Februar 2022

Das Wort zum Sonntag, 19. Februar 2022

Pastorin Dorothea Lindow
Dorothea Lindow
Nordschleswig
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Das Wort zum Sonntag, 19. Februar 2022, von Pastorin Dorothea Lindow, Kirche zu Tondern.

Wer bin ich?

Fragt Bonhoeffer sich 1944 im Gestapogefängnis. Er denkt darüber nach, was ihn ausmacht, über das Bild, das andere von ihm haben und über das Bild, das er von sich selbst hat.

Vielschichtig sind wir Menschen. Wenn wir einander kennenlernen, präsentieren wir gern unsere Schokoladenseite. Nach dem Ersteindruck können wir uns näher kennenlernen. Vorsichtig zeigen wir einander die andere Seite, achten darauf, wie der andere reagiert. Wir beobachten, wie die andere sich zeigt, was für Seiten uns gezeigt werden, welche Seiten wir am anderen entdecken.

Aber immer haben wir dabei eine Vorstellung, wie wir gern sein wollen, wie die anderen uns sehen sollen.

Wer bin ich?

Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu, so beschreibt Ödön von Horvarth sein Selbstbild.

In diesem einen Satz wird deutlich, wie vielseitig wir sind. Deutlich wird aber auch, wie sehr wir ín unserer Rolle gefangen sind, die wir den größten Teil des Tages ausfüllen. Da ist die Mutter, die gern mal für ein paar Stunden Frau sein möchte; der Jugendliche in der Pubertät, der so gern ein selbstbewusster, sportlicher Mann wäre; das etwas dickere Mädchen, das täglich im Internet Schönheitsidealen folgt; der Mann im Ruhestand, der gern noch mal berufliche Anerkennung erleben würde; die allein lebende Frau, die sich nach einer Familie sehnt; das Kind, das so gern schon groß wäre.

Wer bin ich?

Am Aschermittwoch endet die Faschingszeit. So lange können wir die Chance nutzen und mal in eine andere Rolle schlüpfen. Wir können es ausprobieren, wie es uns geht, wenn wir vielleicht mal dazu kommen und ganz anders sind.

Wer bin ich dann? Welche Seiten von mir kommen zum Vorschein? Welche Seiten möchte ich gern mal ausleben?

Vielleicht wütend wie Rumpelstilzchen mit dem Fuß aufstampfen und laut schimpfen über die Ungerechtigkeiten in der Welt. Oder empfindsam wie die Prinzessin auf der Erbse jedem kleinen Wehwehchen nachgeben. Oder ein Clown, der anderen ungeschminkt die Wahrheit sagen darf.

Wer bin ich, und wer will ich sein?

In der Faschingszeit kann ich mich ausprobieren. Am Aschermittwoch ist – Gott sei Dank – alles wieder vorbei. Ich kann dann wieder sein wie ich bin, mit meinen Stärken und Schwächen, meinen Begabungen und all dem, was ich einfach nie können werde. Ich gehe meinen Weg weiter, vertraue, dass Gott mit mir geht. Denn so steht es schon im 1. Buch Samuel: Der Mensch sieht, was vor Augen ist, aber Gott sieht das Herz an.

Gott sei Dank!

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