Wort zum Sonntag

„Das Wort zum Sonntag, 29. Mai 2022“

Das Wort zum Sonntag, 29. Mai 2022

Das Wort zum Sonntag, 29. Mai 2022

Pastorin Dorothea Lindow
Dorothea Lindow
Nordschleswig
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Das Wort zum Sonntag, 29. Mai 2022, von Pastorin Dorothea Lindow, Kirche zu Tondern.

Verkehrte Welt

Die Jünger Jesu verstehen die Welt nicht mehr. Die Welt – das ist ein überschaubarer Raum, den man zu Fuß oder per Schiff bereisen konnte. Die Welt lag einem zu Füßen, beziehungsweise unter den Füßen. Denn die Füße tragen uns durch die Welt, geben Halt, Stehvermögen, Standhaftigkeit. Zu unseren Füßen müssen wir uns bücken. Wer unbeweglich ist, hat Mühe, die eigenen Füße zu erreichen, sie zu berühren oder anzuschauen.

Und nun ist Himmelfahrt gewesen. Der Himmel ist unerreichbar. Auf Füßen kommt man dort nicht hin. Soweit die Füße tragen, kann man gehen; aber die Füße tragen uns nie in den Himmel. Der Himmel liegt jenseits unserer Grenzen, jenseits aller begehbarer Wege.

Himmelfahrt weist Jesus uns auf Pfingsten hin: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird. Und als Jesus das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.“

Da standen die Jünger und wunderten sich: Jesus war aufgefahren in den Himmel. Bisherige Grenzen galten in diesem Moment nichts mehr. Aufgefahren in den Himmel. Als die Jünger ungläubig, verwundert gen Himmel schauten, erlebten sie Irdisches. Da standen zwei Männer in weißen Gewändern neben ihnen und kommentierten: „Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel?“

Das Himmelfahrtsfest bekräftigt das Ostergeschehen: Ja, im Glauben an Jesus Christus wird unmögliches möglich. Unglaubliches geschieht. Alles ist möglich, dem, der da glaubt.

Später, als Kirchen gebaut wurden und die meisten Menschen noch nicht lesen konnten, stellte sich die Frage: Wie lässt sich Himmelfahrt bildlich darstellen? Wie machen wir unglaubliches sichtbar?

In der Christkirche in Tondern gibt es ein Bild von Jesu Himmelfahrt. Zu sehen ist eine Wolke, die den oberen Teil des Bildes ausfüllt. Unten aus der Wolke heraus gucken: Jesu Füße.

Verkehrte Welt, oder? Das ist doch wirklich eine verkehrte Welt. Sich aufrichten, den Blick erheben und die Füße von unten sehen! Wo gibt es das sonst?

Jesu Füße als Bild für Himmelfahrt. Aber was ist denn nun Himmelfahrt?

Für mich ist Himmelfahrt etwas Grenzüberschreitendes, ein anderer Ort, ein Jenseits,  in dem andere Regeln gelten. Die Himmelfahrt Jesu ist ein Fingerzeig hin auf Pfingsten, wenn Gottes Geist zu uns herab kommt. Jetzt fährt Jesus auf gen Himmel, in einer Woche kommt Gottes Geist zurück zu uns Menschen.

Menschliche Begrenzungen werden überwunden. Gott sei Dank! Und Jesu Füße sind zumindest in der Christkirche dafür ein sichtbares Symbol.

Ich wünsche Euch, dass der Himmel für euch immer mal wieder voller Geigen, äh – voller Füße hängt!

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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