Kulturkommentar

„Kein Führerschein ist auch keine Lösung“

Kein Führerschein ist auch keine Lösung

Kein Führerschein ist auch keine Lösung

Alena Rosenberg Praktikantin
Nordschleswig
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Wer volljährig ist, darf endlich alleine Auto fahren. Stolz wird das erste eigene Auto präsentiert, Freundinnen und Freunde mutieren zu Taxifahrenden, Geschwister lassen sich chauffieren. Doch was ist mit denen, die gar keinen Führerschein besitzen?

Immer mehr Menschen in Deutschland absolvieren ihre Fahrprüfung, erkennbar in der Statistik. Auch in meinem Freundeskreis konnte ich mitverfolgen, wie alle nach und nach ihre Lizenz bekommen haben.

Ich kann diesen Kommentar direkt mit einem Geständnis beginnen: Ich bin 20 Jahre alt und habe keinen Führerschein. Oftmals ernte ich dafür komische Blicke. Manche fragen mich dann auch ganz perplex, wieso ich den nicht habe und wie ich ohne überlebe. Und ich sage euch, es geht tatsächlich. In meiner Heimatstadt Magdeburg gibt es ein meist hervorragend funktionierendes Bus- und Bahnnetz. Hier habe ich ein Redaktionsfahrrad und kann damit einkaufen oder zur Arbeit fahren. Zu Ausflügen nehmen mich meine Mitbewohnerinnen mit, genauer gesagt zwinge ich sie dazu. 

 

Warum habe ich keinen Führerschein?

Noch vor meinem 17. Geburtstag hat meine Oma mir empfohlen, direkt Auto fahren zu lernen. „Dann kannst du unbesorgt ins Abi gehen und hast die Fahrerlaubnis schon in der Tasche,“ sagte sie damals. Was sie nicht wusste: Ich hatte zu dieser Zeit panische Angst vor der Vorstellung, Auto zu fahren. Diese große Verantwortung und die nötige Selbstständigkeit waren mir einfach zu viel. Außerdem war ich damals ein sehr tollpatschiger Teenager und ich erinnere mich genau an einen Satz, den mir eine Freundin damals um die Ohren gehauen hat: „Bei dir würde ich mich niemals ins Auto setzen! Da muss ich ja Angst um mein Leben haben!“ Sowas entmutigt sehr. 

In der Abitur-Phase hatte ich demzufolge keine Nerven, um mich um die Fahrerlaubnis zu kümmern. Direkt nach dem Abschluss habe ich angefangen zu studieren und neue Freunde gefunden. In dieser Zeit habe ich immer wieder gemerkt, dass gemeinsame Autofahrten richtig Spaß machen. Da ich keinen Alkohol trinke, wäre ich für Partys die perfekte Fahrerin, dachte ich mir. Vielleicht wäre es doch nicht schlecht, einen Führerschein zu haben. 

Da tat sich ein neues Problem auf: Woher nehmen und nicht stehlen? Ich bin schließlich nur eine arme Studentin. Meine Eltern waren jedenfalls geschockt, als ich ihnen die Kostenvoranschläge gezeigt habe. Unter 3.000 Euro gibt es nichts mehr. Aber nennt mir etwas, das nicht teurer geworden ist. Schlussendlich habe ich jetzt mein Sparkonto geplündert und kann bei meiner Rückkehr die Theorieprüfung machen. 

 

Warum jetzt auf einmal doch? 

Ich liebe meine Magdeburger Freundesgruppe, das steht nicht zur Diskussion. Und trotzdem habe ich regelmäßig Seitenhiebe á la „Ja, ist scheiße ohne Führerschein, oder?“ oder „Tja, hättest du einen Führerschein, wäre das alles einfacher.“ 

Obwohl man weiß, dass es nicht böse gemeint ist, gehen solche Sprüche an die Konsistenz. Doch diese Differenzen sind meistens mit einer ernsteren Ansage zu lösen. Vor allem, weil viele nicht damit rechnen, dass andere Angst vorm Autofahren haben. Denn sie haben ihre Angst scheinbar überwunden und es geschafft. Wenn die Eltern alles bezahlen und dir hinterher auch das Auto kaufen, ist es auch oft nicht klar, dass das ein krasses Privileg ist. Nicht jeder kann sich Autofahren leisten und einfach jeden ohne Führerschein zu verurteilen, ist nicht richtig. 

Ich habe mich dazu entschieden, mich meiner Angst zu stellen und werde dabei von meinem Freundeskreis unterstützt. Für mich ist klar, dass ich später einen Führerschein brauche, wenn ich eine Familie haben möchte, und deshalb stelle ich mich der Herausforderung. Und selbst wenn die Angst unüberwindbar gewesen wäre, hätten sie es akzeptieren müssen. Denn Ängste sind normal, alle haben sie und nicht jeder überwindet sie. 

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