Diese Woche (nicht ganz) in Kopenhagen

Dort, wo der Hut liegt

Dort, wo der Hut liegt

Dort, wo der Hut liegt

Kopenhagen
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Abendstimmung auf der Halbinsel Loit Foto: Walter Turnowsky

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Weihnachten ist ein Zeitpunkt, an dem viele von uns nach Hause fahren. Gemeint ist damit häufig der Ort der Kindheit und Jugend. Doch wo liegt eigentlich die Heimat? Darüber sinniert Walter Turnowsky ein wenig.

Von zu Hause nach Hause. So war meine Zugfahrt wieder einmal am Mittwochmorgen. Die Strecke zwischen Kopenhagen und Rothenkrug (Rødekro) ist mir zwar sehr vertraut. Zu Hause ist jedoch nur an beiden Enden.

Der Rothenkruger Bahnhof ist dabei irgendwie der Anfang des einen Zuhauses. Er ist allerdings weder besonders freundlich noch heimelig. Verlassen und zugig sind eher Begriffe, die einem einfallen. Doch er ist der Ort des Wiedersehens, des Abgeholtwerdens und des Abholens.

Ähnlich wie bei der Zugfahrt ergeht es mir bei Flügen nach Nuuk. Der große rote Airbus fühlt sich zwar wie ein guter Freund an. Doch erst wenn nach dem Umsteigen die kleine Propellermaschine den Nuuk Fjord überquert, ist zu Hause. Während der Fahrt vom Flugplatz in die Stadt kommt auch die Seele an.

Blick auf Nuuk Foto: Walter Turnowsky

Ich gehöre zu den Menschen, die sich an neuen Orten meistens schnell zurechtfinden. Wie schon einst Marvin Gaye sang: Dort, wo ich den Hut ablege, ist daheim.

Und so hat der Hut schon an vielen verschiedenen Stellen gelegen: Klagenfurt (damals noch als Babyhütchen), Tingleff, Apenrade und Halbinsel Loit, Ilkeston, Albertslund, Kopenhagen, Dresden, Aalborg, Kopenhagen, Nuuk und wieder Kopenhagen.

Irgendwie sind alle Orte Heimat für mich, einige nur ein wenig, andere deutlich mehr.

Landschaft spielt dabei für mich eine wichtige Rolle. Das wurde mir einmal mehr bewusst, als ich mir erneut das Video zum Song „Ballebrovej 2“ der Sängerin Rikke Thomsen angeschaut habe. Sie fährt darin zwar durch Blans, und ich bin von der anderen Seite der Apenrader Förde. Aber die Moränenlandschaft auf Sundewitt ähnelt der auf der Halbinsel Loit doch sehr.

Auch die Sprache, in der Rikke Thomsen singt, ist ein Stück Heimat. Wenn ich in der Apenrader Fußgängerzone die weiche sønderjyske Sprachmelodie höre, dann weckt das positive Gefühle.

Spricht in Kopenhagen hinter mir im Bus jemand grönländisch, drehe ich – obwohl der Sprache nur bruchstückweise mächtig – unwillkürlich den Kopf. Höre ich irgendwo jemanden sächseln, so ziehen sich die Mundwinkel nach oben. Das Englisch der Midlands ist für mich das „richtige“ Englisch. Den Aalborger Dialekt finde ich nicht gerade schön, aber wohltuend vertraut.

Frühling auf der Halbinsel Loit Foto: Walter Turnowsky

Letztendlich ist es natürlich weder die Sprache noch die Landschaft, die es ausmacht. Es sind nur die konkreten Manifestationen, an denen sich Erinnerungen und Gefühle festmachen. Prägend sind die Menschen, denen ich begegnet bin. Dort, wo ich wichtige Phasen meines Lebens verbracht, Neues erlebt habe, dort habe ich die engste Anknüpfung.

Daher ist mein Geburtsort für mich auch am wenigsten die Heimat. Die Erinnerungen des ersten Lebensjahres sind dann doch gelinde gesagt, bescheiden.

Für dich ist vielleicht gerade der Geburtsort das echte Zuhause. Wichtig ist nur, dass der Hut an der für dich richtigen Stelle liegt.

Die Nørrebrogade in Kopenhagen Foto: Walter Turnowsky

Für mich liegt er über Weihnachten einige Tage am Ort meiner Jugend und wandert dann wieder nach Kopenhagen, das zuhauseste Zuhause – oder so fühlt es sich zumindest derzeit an.

In dem Sinne wünsche ich dir und deinem Hut ein schönes Fest.

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