Leitartikel

„Ein Denker, Tüftler und Visionär dankt ab“

Ein Denker, Tüftler und Visionär dankt ab

Ein Denker, Tüftler und Visionär dankt ab

Norburg/Nordschleswig
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Jørgen Mads Clausen gibt am Freitag seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender ab. Seine Inspiration und seine Visionen bleiben jedoch Nordschleswig erhalten, schreibt Chefredakteur Gwyn Nissen.

Als Jørgen Mads Clausen das Erbe seines verstorbenen Vaters übernahm, war Danfoss bereits ein großes dänisches Unternehmen mit internationalen Ambitionen und Tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der Sohn des Danfoss-Gründers gibt daher vor allem seinem Vater die Ehre für den Erfolg, zumal Vater Mads das nötige Fundament für die zukünftige Entwicklung geschaffen hatte. Doch es ist Jørgen Mads Clausen, der aus dem väterlichen Erbe einen globalen Klima-Konzern mit mehr als 40.000 Mitarbeitenden in der ganzen Welt geschaffen hat.

Am Freitag tritt Clausen als Aufsichtsratsvorsitzender zurück und überlässt die Zügel anderen außerhalb der Familie.

1981 wurde Jørgen Mads Clausen erstmals im väterlichen Betrieb angestellt. Sein Vater, der bereits 1966 verstarb, hatte den Sohn unter anderem zu seinem Freund Due Jensen von Grundfos in die Lehre geschickt. 1990 trat Clausen erstmals in die Direktion ein, und ein Jahr später übernahm er die Verantwortung für die Hydraulikdivision. 1996 wurde Jørgen Mads Clausen Konzernchef von Danfoss – ein Posten, den er zwölf Jahre lang innehatte, bis er 2008 Aufsichtsratschef (Bestyrelsesformand) wurde. Von diesem Posten tritt er nun zurück.

Es gibt viele Geschichten über Jørgen Mads Clausen und seine fast jungenhafte Neugierde und Faszination für Technik. Zum Beispiel darüber, wie er während einer Sitzung einen Föhn auseinander bastelte, weil er die Turbofunktion untersuchen wollte. Doch Jørgen Mads Clausen ist nicht nur ein neugieriger Tüftler, sondern auch ein visionärer Denker, der seiner Umgebung meist einen Schritt voraus ist.

Dabei stieß Clausen bei seinem Antritt als Konzernchef vor allem bei den Mitarbeitern auf Skepsis, die sogar in einem Brief an den Aufsichtsrat zum Ausdruck kam. Könne er die Chefposition doch nur wegen der familiären Beziehungen bekommen haben und nicht wegen seiner Qualifikationen? Als er bereits in seiner ersten Vorstandssitzung die Vision verbreitete, dass Danfoss in seinen Geschäftsfeldern in Zukunft die Nummer eins oder zwei in der Welt sein sollte, wuchs diese Skepsis. Niemand glaubte mir, erzählt Clausen heute.

Jørgen Mads Clausen war aber nicht größenwahnsinnig geworden, sondern hatte sich unter anderem vom Amerikaner Jack Welch inspirieren lassen. Dieser hatte General Electric umgekrempelt, indem er sich auf den Kern des Unternehmens konzentrierte und alles andere abkapselte.

Das habe er kopiert, so Jørgen Mads Clausen. Viele haben das Buch von Welch gelesen, aber wenige haben es so umsetzen können wie Clausen, der eben auch eigene Visionen und vor allem auch die Eigenschaft hatte, danach zu handeln.

Früher hatte Danfoss die Ambition gehabt, Jahr für Jahr ein wenig zu wachsen, doch mit Jørgen Mads Clausen an der Spitze wurde das nordschleswigsche Weltunternehmen zunehmend ambitionierter und zielgerichteter.

Clausens Plan ging auf – das sahen schließlich auch die Mitarbeitenden anerkennend ein. Auch wenn nicht alles, was Clausen anfasste, zu Gold wurde, müsse man auch Chancen ergreifen, so Clausen. So hat er unter anderem Danfoss zum führenden Lieferanten von Power-Modulen für die E-Auto-Branche gemacht, weil Danfoss eine Chance erahnte, während die Konkurrenz noch zögerte. 20 Jahre lange machte dieser Geschäftszweig Miese – heute ist es ein Zukunftsträger des Unternehmens.

Danfoss hat heute Lösungen, die in Zukunft für eine bessere Welt sorgen können, so der Danfoss-Erbe unbescheiden. Das ist heute vor allem sein Verdienst – und das verdient Respekt.

Obwohl Mr. Danfoss am Freitag abdankt, die Familie Clausen bleibt mit der dritten Generation im Aufsichtsrat am Lenkrad des Unternehmens, und schließlich hat die Familie durch ihre Stiftung weiterhin bestimmenden Einfluss auf den Konzern.

Jørgen Mads Clausen will zwar nicht mehr im laufenden Betrieb mitmischen, doch er weiß auch, dass er und die Familie Clausen weiterhin einen großen Image-Wert für Danfoss haben. Daher steht er auch weiterhin für seinen Konzern zur Verfügung. Dabei wird er sich sicherlich nicht damit begnügen, bei Einweihungen nur das rote Band zu durchtrennen.

Das Denken, Tüfteln und Handeln wird er sich bestimmt nicht abgewöhnen, und daher wird der 73-jährige pensionierte Wirtschaftsboss auch in Zukunft zu hören und zu sehen sein.

Zum Beispiel wenn es darum geht, die deutsch-dänische Grenzregion, Fünen und Norddeutschland zu einem digitalen Kraftzentrum weiterzuentwickeln. Clausen sieht das Potenzial in der deutsch-dänischen Zusammenarbeit – und hat es schon immer gesehen.

Er freut sich über das gute deutsch-dänische Verhältnis, ist aber auch ungeduldig, weil noch zu wenig aus dem Potenzial gemacht wird. Man müsse sich noch besser kennenlernen, so Clausen, der unteren anderem Ideengeber für die mediale Zusammenarbeit im Grenzland zwischen dem „Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag“, „Jysk-Fynske Medier“, „Flensborg Avis“ und dem „Nordschleswiger“ war.

Auch wenn es um die Verwirklichung der Alsen-Fünen-Brücke geht, wird Clausen weiterhin die Strippen ziehen, um Alsen und Danfoss noch mehr in den Mittelpunkt des Landes zu rücken – statt am Rande Nordschleswigs.

Nicht alle Träume werden erfüllt, doch ohne Träume kommt man gar nicht von der Stelle. Jørgen Mads Clausen hat durch die Verwirklichung seiner Träume Nordschleswig eine einmalige Chance gegeben, in den kommenden Jahrzehnten bei der Lösung der weltweiten Klimaherausforderungen eine tragende Rolle zu spielen.

Ohne Danfoss wäre nicht nur Nordschleswig ärmer, sondern auch die Erdkugel. So weit hat es das Unternehmen in den vergangenen 25 Jahren tatsächlich gebracht – weil man sich damals traute, einem Tüftler, Denker und Visionär die Verantwortung zu geben.

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