Gesundheitswesen
Mediziner will bis zu 10.000 Menschenleben retten
Mediziner will bis zu 10.000 Menschenleben retten
Mediziner will bis zu 10.000 Menschenleben retten
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Frans Brandt Kristensen, Chefarzt im Apenrader Krankenhaus, hat Forschungsgelder bewilligt bekommen. Er möchte herausfinden, warum knapp ein Viertel aller Krebsfälle potenziell zu spät entdeckt wird. Mehrere Tausend Menschen könnten durch seine Forschungsergebnisse ein längeres Leben bekommen. Außerdem erzählt der gebürtige Kopenhagener, warum er sich im deutsch-dänischen Grenzland niedergelassen hat.
Etwa ein Viertel aller Krebsfälle in Dänemark wird potenziell zu spät entdeckt. Das bedeutet, dass etwa 10.000 Menschen ihre Diagnose meist erst dann bekommen, wenn die Krankheit schon so weit fortgeschritten ist, dass sie bei manchen nicht mehr heilbar ist und diese Menschen deshalb früher sterben.
Das passiert, obwohl es im Land gute Vorsorgekonzepte (Screenings) gibt, die darauf ausgerichtet sind, die häufigsten Krebsarten frühzeitig zu erkennen. Außerdem sind die Hausärzte darauf geschult, auf Krebssymptome zu achten und ihre Patientinnen und Patienten bei einem Verdacht in einen sogenannten Krebsverlauf (kræftpakkeforløb) zu schicken.
Menschen unter dem Radar
„Es gibt jedoch Menschen, die aus diesem Raster herausfallen, obwohl wir den Fokus auf Krebserkrankungen haben“, berichtet Frans Brandt Kristensen. Der Chefarzt der medizinischen Abteilung am Apenrader Krankenhaus (Sygehus Sønderjylland), zu dem auch die Kliniken in Sonderburg (Sønderborg) und Tondern (Tønder) gehören hat kürzlich 1,8 Millionen Kronen von der Region erhalten und soll jetzt erforschen, welche Menschen es sind, die die Vorsorgeuntersuchungen nicht wahrnehmen oder beim Hausarzt nicht als mögliche Krebsfälle auffallen.
Gibt es auch nur den geringsten Verdacht, dass eine Patientin oder ein Patient an Krebs erkrankt sein könnte, greift das dänische Vorsorgesystem recht zuverlässig – wenn es denn genutzt wird. „Innerhalb weniger Tage wissen Patient und Arzt, ob es Krebs ist oder nicht“, so der Spezialist für Endokrinologie (Lehre von den inneren Drüsen, etwa Schilddrüse oder Bauchspeicheldrüse).
„Es gibt jedoch Leute, die in unsere Notaufnahmen kommen, bei denen wir feststellen müssen, dass der Krebs so weit fortgeschritten ist, dass er kaum oder nicht mehr behandelbar ist“, berichtet er. Ziel der Forschung ist es, mehr Menschenleben durch eine rechtzeitige Diagnose zu retten.
Wer fällt warum durchs Raster?
Doch welche Menschen sind es, die aus dem Vorsorgesystem fallen? Dieser Frage geht Frans Brandt Kristensen jetzt nach. „Man hat eigene Theorien davon, wer das sein könnte. Es könnten die Singles sein, es könnten die sozial benachteiligten Menschen sein oder auch diejenigen mit psychischen Erkrankungen. Wir wissen es aber nicht genau. Bis hierhin sind es Vermutungen. Wir möchten herausfinden, um wen es sich genau handelt. Männer, Frauen, Altersgruppen, wo wohnen sie, was charakterisiert diese Menschen“, erzählt der Mediziner.
Haben Brandt Kristensen und sein Team das herausgefunden und genügend Wissen gesammelt, „wissen wir, warum die Erkrankung erst so spät entdeckt worden ist und können Gegenmittel ergreifen, damit diese Patientinnen und Patienten eine frühere Diagnose und Behandlung erhalten“, sagt der 45-Jährige.
Etwa 40.000 Menschen bekommen jedes Jahr die Nachricht, an Krebs erkrankt zu sein, ein Viertel von ihnen könnte die Diagnose früher bekommen und somit früher behandelt werden.
Forschung in Nordschleswig stärken
Das Apenrader Forschungsprojekt, es hat den sperrigen Titel „Rechtzeitiges Entdecken und Diagnostizieren von Krebserkrankungen unter Patienten, die nicht durch etablierte Vorsorgeuntersuchungen entdeckt werden – ein lösungsorientierter Ansatz“, wird zwar in Nordschleswig durchgeführt, die Ergebnisse werden dann jedoch landesweit eingesetzt.
Damit kommt das Apenrader Krankenhaus auf die Forschungslandkarte. „Es ist zwar eine kleine Forschungseinheit, die wir jetzt bilden, doch das Ergebnis wird spürbare Auswirkungen in ganz Dänemark haben“, ist sich Frans Brandt Kristensen sicher.
Das Grenzland auf die Landkarte zu bringen, ist etwas, für das der Arzt brennt. Geboren und aufgewachsen ist er zwar in Kopenhagen, doch hat er acht Jahre seiner Kindheit und Jugend in Deutschland verbracht. Bottrup, Münster und Hamburg zählen zu seinen Heimatorten dort. Heute lebt er mit seiner Frau und drei gemeinsamen Töchtern in Flensburg (Flensborg). „Ich möchte mein Können und Wissen in Nordschleswig einsetzen, und dass ich jetzt an der Spitze dieser medizinischen Forschungseinheit stehe, darüber bin ich sehr froh“, erklärt er.
Besser strukturiert in Dänemark
Im Gegensatz zum Nachbarland sieht Frans Brandt Kristensen das dänische Vorsorgesystem besser strukturiert. „In Deutschland ist es mehr der eigene Arzt, der dafür verantwortlich ist und Entscheidungen trifft. Hier ist das Netz enger gestrickt“, erklärt er. Beide Systeme hätten jedoch Vor- und Nachteile. Wenn man beide kombinieren würde, wäre es die beste Lösung, meint der Fachmediziner.
Als Nachteil in Deutschland, einem Gesundheitssystem, das er als Patient erlebt, sieht er, dass Ärzte und Krankenhäuser Untersuchungen frei verschreiben bzw. durchführen können. „Da wird Geld ausgegeben, was nicht immer notwendig ist“, ist ihm aufgefallen. Das ist so in Dänemark nicht möglich. Hier gibt es relativ strikte Vorgaben, wann eine Untersuchung zum Einsatz kommt und wann nicht. „Man kann zu viel untersuchen“, sagt Brandt Kristensen. „Das ist eine Belastung für die Patientinnen und Patienten und das Gesundheitssystem. Hier arbeiten wir nach sehr strengen Protokollen“, erklärt er den Unterschied. „Doch man kann immer besser werden“, fügt er hinzu.
Darum im Grenzland
„Das deutsch-dänische Grenzland bietet Möglichkeiten, die es sonst so nicht gibt“, antwortet der Wahl-Flensburger auf die Frage, warum er sich hier niedergelassen habe. Die Kinder wüchsen mit zwei Sprachen und zwei Kulturen auf, nennt er als eine dieser Möglichkeiten, die der Hobby-Läufer für seine Kinder als großen Vorteil sieht.
Die Forschungsgruppe:
Frans Brandt Kristensen ist Leiter der Medizinischen Forschungsgruppe des „Sygehus Sønderrjylland“, zu dem die Krankenhäuser in Apenrade, Sonderburg und Tondern gehören. Hauptziel der Gruppe ist es, die Behandlung für die Patientinnen und Patienten zu verbessern. Die Forschungsgruppe ist als übergeordnetes Angebot für Forscherinnen und Forscher zu betrachten, die in einem Spezialgebiet forschen möchten. Sie bekommen Hilfe und Beratung.