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Didde verwandelt Reste aller Art in stilvolle Einrichtungsgegenstände

Didde verwandelt Reste aller Art in stilvolle Einrichtungsgegenstände

Didde verwandelt Reste in stilvolle Einrichtungsgegenstände

Apenrade/Aabenraa
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Didde Christiansen lebt in Kopenhagen, ist aber in Apenrade aufgewachsen. Sie kommt immer wieder gerne in ihre nordschleswigsche Heimat zurück. Foto: Karin Riggelsen

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Entdeckt sie Bänke oder Regale von sich in Lifestyle-Magazinen oder in den Schaufenstern renommierter Läden, muss sie sich noch immer kneifen: Träum ich oder bin ich wach? Wie eine gebürtige Apenraderin quasi per Zufall zur Möbeldesignerin wurde.

Obwohl sie erst 28 Jahre alt ist, kann die gebürtige Apenraderin Didde Christiansen schon beachtliche Designerfolge vorweisen. Eigentlich wollte sie Anziehsachen entwerfen und ist auch ausgebildete Bekleidungshandwerkerin, doch in der Designbranche macht sie gerade mit Möbeln Furore, die sie aus Reststoffen herstellt.

Ihr Einstieg in die Möbelbranche ist zum einen Corona und zum anderen einem Zufall geschuldet.

Wegen Corona musste sie ihre Arbeit bei einem Bekleidungshersteller in China schon nach zwei Jahren abbrechen. Das war 2019.

Anfangs fertigte sie ihre Bänke im Fahrradkeller ihres Mietshauses, später mietete sie geeignete Räume an. Inzwischen lässt sie nach ihren Vorstellungen in Lemvig produzieren. Foto: Wecycle Furniture

Vergebliche Suche

Zurück in Dänemark, stieß sie beim Einrichten ihrer Wohnung in Kopenhagen auf ein Problem. Auf der Suche nach einer Sitzbank mit bestimmten Ausmaßen fand sie einfach nicht das Richtige. Und so stellte sie sich selbst in den Fahrradkeller des Mietshauses und bastelte dort aus Restholz und Jutebändern eine passende Sitzbank für ihren Esstisch. Das nötige Know-how für die Holzkonstruktion holte sie sich bei ihrem jüngeren Bruder, der zu dem Zeitpunkt noch in der Zimmererlehre war. Kreativität und handwerkliches Geschick sind in der Familie nahezu genetisch bedingt. Heimwerken und Upcycling hat bei den Christiansens Tradition. „Das wurde auch ganz gut“, muss sie im Nachhinein sich selbst loben.

Sie postete auch deshalb ein Foto von dem selbst gewerkelten Möbelstück in den sozialen Medien und erntete von der Familie sowie aus dem Freundes- und Bekanntenkreis viel Lob für ihre Sitzgelegenheit Marke Do-it-yourself. Sie hatte Blut geleckt und bot deshalb über DBA und Facebook Marketplace ihr Design ein. Es trudelten überraschend viele Bestellungen ein. Sie hatte mit den gewünschten Maßanfertigungen gut zu tun.

Ihre Bänke sind unter anderem im Kaufhaus „Magasin“ erhältlich – sowohl in Kopenhagen als auch in Aarhus. Foto: Wecycle Furniture

Kontakt über Instagram

„Nach rund vier Wochen habe ich mir einen freien Abend gegönnt und saß mit einer Freundin gemütlich beisammen. Da tickerte über Instagram eine Anfrage von einer mir unbekannten Frau ein. Sie stellte sich bei mir als Einkäuferin des Kaufhauses ,Magasin‘ vor und schrieb, sie könne sich gut vorstellen, meine Bänke in das Sortiment ihres Ladens aufzunehmen. Ich hielt das zunächst für Fake. Doch über das Portal Linkedin fand meine Freundin schnell heraus, dass das wohl alles seine Richtigkeit hatte“, erzählt Didde Christiansen. Dass sie über Instagram angeschrieben wurde, wunderte sie nicht so sehr, schließlich hatte sie zu dem Zeitpunkt weder eine Homepage noch eine Mail-Adresse für ihre Werkstatt.

Didde verabredete sich zu einem Gespräch mit der „Magasin“-Einkäuferin, die über eine Freundin auf ihre Bänke gestoßen war. Die beiden Frauen wurden sich schnell einig.

Wenig später standen schon die ersten Produkte aus Diddes Fahrradkeller-Werkstatt im Schaufenster des renommierten Kaufhauses. „Das war schon etwas surreal, die eigenen Bänke am Kongens Nytorv in Kopenhagen zu sehen“, gesteht die 28-jährige Apenraderin. Sie benötigte natürlich auch einen Firmennamen. „Wecycle Furniture“ ist der offizielle Name ihrer Firma.
 

Ihre Bänke und Regale werden aus Restholz produziert. Foto: Wecycle Furniture

Mehr Zeit für den kreativen Prozess

Zunächst stellte sie sich nach Feierabend und am Wochenende an die Werkbank. Das wurde aber auf die Dauer zu stressig. „Nach einem halben Jahr habe ich dann meinen Job gekündigt, um mich voll und ganz meiner Firma zu widmen“, erzählt Didde Christiansen.

„Wecycle Furniture“ ist weiterhin ein Ein-Frau-Betrieb. Sie hofft jedoch, Mitte des kommenden Jahres eine Person einstellen zu können. Freie Tage oder gar Ferien sind derzeit für sie nicht wirklich drin.

„Allerdings werde ich von meinem Lebensgefährten und meiner Familie nach Kräften unterstützt. Darüber hinaus beschäftige ich immer wieder Praktikanten. Sie sind primär für das Marketing zuständig, damit ich mich auf das Wesentliche konzentrieren kann“, sagt die 28-Jährige. Für sie ist das Wesentliche der kreative Prozess. Seit dem 1. Juni dieses Jahres werden ihre Bänke und von ihr entworfene Regale bei einem Betrieb in Lemvig hergestellt – in drei Größen, in drei Farben.

Als sie für ein dänisches Textilunternehmen in China arbeitete, war es normal, dass die Designerin oder der Designer seine Stoffe auf dem Markt einkaufte. In Dänemark sind Einkauf und Design voneinander getrennt. Bei Wecycle Furniture liegt auch alles in den Händen der Designerin selbst – wenn auch gezwungenermaßen. Foto: Wecycle Furniture

Ein Mentor an der Seite

„Ich bin ja für alles selbst verantwortlich und muss mir quasi alles allein aneignen“, sagt sie. Transportkosten sind ein verteuernder Faktor, hat sie feststellen müssen. Deshalb muss sie auch immer gut überlegen, ihre Produkte möglichst platzsparend und doch sicher zu verpacken, berichtet sie von den „Qualen“ einer Existenzgründerin, die eigentlich weniger Zeit am Schreibtisch verbringen möchte. „Ich habe mir deshalb mit Michael Møller einen Mentor geholt, der mich berät und vor typischen Anfängerfehlern bewahrt“, erzählt Didde Christiansen.

Michael Møller ist in Nordschleswig kein Unbekannter. Er ist gebürtiger Apenrader, war selbst als Existenzgründer erfolgreich und ist heute als Unternehmensberater tätig. „Er ist außerdem der Vetter der Frau meines Vaters“, erzählt Didde Christiansen lachend: Auch wenn sie in Kopenhagen lebt, so ist das nordschleswigsche Netzwerk noch voll intakt.

Sie darf ihre Möbel zwar nicht mit dem Label „nachhaltig“ vermarkten, weil bei der Produktion Strom und bei dem Versand Treibstoff verbraucht werden, aber als umweltfreundliche Alternative darf sie ihre Produkte mit Fug und Recht bezeichnen.

Didde verwendet ausschließlich Reststoffe. So hat sie eine Absprache mit der dänischen Baumarktkette „Bygma“ getroffen, dass sie deren Restholz übernehmen kann.

Didde Christiansen hofft, Mitte des kommenden Jahres eine Vollzeit-Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter einstellen zu können. Foto: Karin Riggelsen

Neue Deals

Sie war erst vor wenigen Tagen auf „Heimaturlaub“, aber nicht nur, um sich mit der Familie zu treffen, sondern auch um neue Deals zu tätigen.

„Ich war bei Frøslev Træ in Pattburg, um zu schauen, ob ich auch mit der Firma ins Geschäft kommen kann. Ich war auch bei dem 3D-Druckunternehmen LAB3D in Apenrade, um mir anzuschauen, ob sie mir bei meinen neuen Ideen behilflich sein können“, erzählt Didde Christiansen. Sie möchte nämlich Deko-Gegenstände wie Lampen und Vasen aus Altglas, Altplastik und auch aus Holzspänen in ihre Produktpalette aufnehmen. Die 28-Jährige ist recht zuversichtlich, dass sie mit beiden Unternehmen schon bald Kooperationsverträge vorweisen kann.

Kissen aus Textilresten hat sie ebenfalls entworfen. Auch die sollen demnächst in kleineren Auflagen produziert werden, und zwar durch Zusammenarbeit mit dem sozialökonomischen Betrieb „I Tråd Med Verden“. Arbeitsmarktferne und langzeitbeschäftigungslose Menschen aus den Brennpunktvierteln der dänischen Hauptstadt finden hier Beschäftigung.

Wie Didde Christiansen abschließend betont: „Meine Produkte sind keine Massenware. Sie werden immer nur in kleineren Auflagen produziert.“

Inzwischen hat sie aber eine Homepage und eine Firmenmail, sowie einen Webshop. Sie bietet zudem Flechtkurse an.

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Leitartikel

Anna-Lena Holm
Anna-Lena Holm Hauptredaktion
„Vertrauenskrise in den Medien“