Leitartikel

„Vertrauenskrise in den Medien“

Vertrauenskrise in den Medien

Vertrauenskrise in den Medien

Apenrade/Aabenraa
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Online herrscht oft mehr der Schein als das Sein. Menschen erfinden sich neu – ganz so, wie sie sich selbst gefallen. Der Influencerin Katherine Diez ist dies jetzt womöglich auf die Füße gefallen. Warum diese Entwicklung zu bedauern ist und weshalb man in Nordschleswig mit einer solchen Unehrlichkeit nicht weit käme, schreibt Anna-Lena Holm in ihrem Leitartikel.

Waren es mutwillige Plagiate oder gedankenlose Nachlässigkeiten? Hat sie nun einen Bachelor im Fach Dänisch oder nicht? Das sind nur zwei Fragen, die in der vergangenen Woche in den Medien zum viel diskutierten Thema Katherine Diez besprochen wurden. Weiterführende Fragen beschäftigen sich mittlerweile unter anderem damit, ob Kritik an ihr als sexistisch zu bezeichnen ist. Schließlich ziele diese oftmals nicht zu knapp auf ihr äußeres Erscheinungsbild ab.

Klug und schön

Die Influencerin Katherine Diez betitelt sich auf der Social-Media-Plattform „Instagram“ selbst als Schriftstellerin, die „zum Thema Literatur spricht und schreibt“. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, der Gesellschaft zu zeigen: Die Attribute gutes Aussehen und Intellekt schließen einander nicht aus.

Stöbert man auf ihrem Instagram-Profil, fällt auf: Die dort veröffentlichten Bilder, unter denen sie im Textfeld Bücher empfiehlt oder Werbung fürs bogforum (Buchforum) macht, lassen sich mitunter erst auf den zweiten Blick in einen intellektuellen Kontext bringen. Im Fokus steht sie – ihre Pose, ihr Aussehen. Bücher: Nebensache.

Seit einigen Jahren steht die 35-Jährige in der Öffentlichkeit und schrieb bereits für bekannte Magazine und Zeitschriften – regelmäßig auch Buchrezensionen für „Berlingske“, eines der seriösesten Medienhäuser Dänemarks.

Bachelor oder keinen Bachelor?

Nun ist klar: Viele ihrer Buchrezensionen sind Plagiate. Oftmals wörtlich aus dem Englischen übersetzt, die so in Medien wie „The Guardian“ zu lesen waren. Ein anonymer Account auf der Onlineplattform „Reddit“ veröffentlichte eine ganze Reihe solcher Beispiele. Entsprechende Quellenangaben oder Verweise fehlen. Ob es sich um mutwilligen Betrug oder grobe Nachlässigkeit handelt, wird vielleicht niemals bekannt werden.

Aber damit nicht genug. Die jüngste Meldung: Die Universität Kopenhagen, an der Diez einen Bachelor-Abschluss im Fach „Dänisch“ erworben haben will, wie sie unter anderem auf ihrer Seite des professionellen Mediums „LinkedIn“ angibt, kann diese Ausbildung nicht bestätigen. Geäußert hat sie sich zu diesen Anschuldigungen noch nicht.

Die Online-Lüge

Diese Entwicklung ist absolut zu bedauern. Führt sie doch das, wofür Diez bisher stand, ad absurdum: Lasse dich vom Äußeren eines Menschen nicht fehlleiten. Bildung hat viele Gesichter – auch attraktive.

Diez hat viele fehlgeleitet. Stand heute scheint sie dem Motto „Mehr Schein als Sein“ alle Ehre zu machen. Wem kann man also noch trauen, wenn es womöglich so leicht ist, mit nur ein paar Angaben auf verschiedenen Onlineplattformen einen Lebenslauf und akademischen Hintergrund zu erfinden, der vermutlich erst einmal nicht weiter infrage gestellt wird?

Auf dem Boden der Tatsachen

Und warum empfinden es Menschen für wichtig, mehr darzustellen als der Wahrheit entspricht? In sozialen Medien scheinen sogenannte Influencerinnen und Influencer diesbezüglich im Wettbewerb zu stehen. Wo ist der Charme der Bodenständigkeit geblieben?

Die Antwort ist wohl: hier in Nordschleswig. Wo allein deswegen kaum jemand anderen etwas vorgaukeln kann, weil jeder jedem über Ecken bekannt ist. Vermutlich kennt hier nicht einmal jeder Instagram – und das ist doch auch sehr sympathisch.

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