Archäologie

Bei Kassö entdeckt: Urnen zeigen Totenkult im Jahre Null

Bei Kassö entdeckt: Urnen zeigen Totenkult im Jahre Null

Bei Kassö entdeckt: Urnen zeigen Totenkult im Jahre Null

Kassö/Kassø
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Die Ausgrabung bei Kassö: Niels Michaelsen (v.), Anne Eg und Hans Christian Petersen im knapp sieben Meter breiten Bereich Foto: Museum Sønderjylland

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Mehrere Urnen sind bei Ausgrabungen an der geplanten Stromtrasse gefunden worden. Sie zeugen von den Ritualen aus vergangenen Zeiten und zeigen, dass es schon damals Bestattungsbräuche gab. Ein weiterer Fund erfreut die Grabungsleiterin fast ebenso.

Aus Sicht der Forschung ist es ein spektakulärer Fund: Bei Ausgrabungen ein wenig nördlich von Kassö sind bisher elf Urnen entdeckt worden.

Über fast 30 Kilometer erstreckt sich die Länge der Grabung, denn von Bredebro bis zum kleinen Örtchen in der Kommune Apenrade (Aabenraa) wird bald vom Energieversorger „Energinet“ eine Stromtrasse angelegt. Auf einer Breite von knapp sieben Metern wird die Erde auf dieser Fläche von den Archäologinnen und Archäologen des Museum Sønderjylland untersucht. Allerdings graben sich die Museumsmitarbeitenden Stück für Stück voran.

Friedhof aus der Steinzeit

Für Laien ist der Fund von Urnen nun keine Sensation, für Katrine Moberg Riis jedoch schon. Die Museumsinspektorin ist für die Ausgrabung verantwortlich, und sie ist begeistert. „Die Urnen stammen aus der Zeit um Christi Geburt“, berichtet sie. Und das ist bisher nicht alles, denn die Grabgefäße wurden nicht einfach so verbuddelt. „Die bisher gefundenen Urnen stehen im Zentrum eines Grabens, der die Urne umgibt. Knapp fünf Meter Durchmesser hat der kreisförmige Graben“, beschreibt sie die Fundstellen. In zwei weiteren Kreisen befinden sich keine Gefäße. 

Eine Urne aus der Zeit um Christi Geburt: Die Urne ist von Steinen ummantelt. Foto: Museum Sønderjylland
Der dunkle Ring markiert den Grabenring um die Urne, die in der Mitte begraben war. Foto: Museum Sønderjylland

Das wundert die Wissenschaftlerin, doch „wir gehen natürlich davon aus, dass es sich um vorbereitete Grabstellen handelt“. Es könne aber auch ein symbolisches Grab sein, fügt sie hinzu. Sicher sei allerdings, dass es sich bei den Grabstätten um einen historischen Friedhof handelt.

Bisher einziger Friedhof

„Es ist die bisher einzige Stelle, an der wir solche Gräber gefunden haben“, sagt Katrine Moberg Riis. Und das macht den Fund zu etwas Besonderem. „Wir haben viele Häuser gefunden, aber keine menschlichen Überreste. Wir haben uns immer gewundert, wo die Menschen abgeblieben sind“, sagt die Museumsinspektorin. „Wir bekommen hier ganz neues Wissen über das Leben vor knapp 2.000 Jahren“, freut sie sich.

Niels Michaelsen und Anne Eg graben eine Urne aus. Foto: Museum Sønderjylland

Dass die Menschen verbrannt wurden, sei zu damaliger Zeit normal gewesen, erzählt die Inspektorin. „Das wechselt im Laufe der Jahrhunderte. Während um das Jahr Null eingeäschert wurde, ließ man sich 1.000 Jahre später lieber beerdigen.  Das blieb in unserer Region bis heute. Jetzt erleben wir ja wieder den Wechsel hin zum Verbrennen.“

Leben der Menschen von damals besser kennenlernen

Über den Glauben der Menschen, die sich bei Kassö niedergelassen hatten, wisse man wenig. „Wir haben ja keine schriftlichen Quellen, auf die wir zurückgreifen könnten“, erklärt die Wissenschaftlerin. Was man weiß: Die Menschen waren damals Bauern, sie legten Felder an und hielten Tiere, mit denen sie in den etwa 15 Meter langen, einfachen Häusern lebten.

An der Ausgrabungsstelle verschaffen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Überblick. Ein Bagger legt die oberste Erdschicht frei. „Dann schauen wir, wo es sich lohnt, den Boden weiter zu untersuchen“, erzählt Katrine Moberg Riis. Neben den Urnen sind schon Häuserreste aus verschiedenen Jahrhunderten ausgegraben worden. Kassö war ein beliebter Ort zum Wohnen. Die Häuser liegen knapp vier Kilometer östlich des „Friedhofs“.

Mit Röntgenstrahlen durchleuchtet

„Die Urnen werden vorsichtig aus dem Boden gegraben, in Gaze gewickelt und dann zur näheren Untersuchung ins Museumslabor gebracht. Dort werden sie geröntgt, um festzustellen, was sich darin befindet.“ So bekommen die Archäologinnen und Archäologen einen Überblick über den Inhalt. Erst dann werden die Grabgefäße geöffnet. „Das wird spannend zu sehen, was sich darin befindet“, so Katrine Moberg Riis.

Eine in Gaze gewickelte Urne wird aus der Erde genommen und zur weiteren Untersuchung zum Konservator gebracht. Foto: Museum Sønderjylland

Zumeist sind es Haarnadeln, Messer oder Schmuck – also Gegenstände aus Metall – die den Verstorbenen mitgegeben worden sind. Doch was die Museumsmitarbeitenden jetzt zutage gefördert haben, könnte Überraschungen bieten.

Kassös Ursprung

Dann macht Katrine Moberg Riis einen Zeitsprung. „Wir haben außerdem noch Brunnen aus dem 16. Jahrhundert gefunden“, sagt sie. „Die Brunnen könnten der Ursprung für das heutige Kassö bilden.“ Auch dieser Fund bringt vollkommen neues Wissen über die Umgebung. Neben dem Brunnen lagen Häuser, was darauf hindeutet, dass die Menschen, die dort lebten, eine Gemeinschaft bildeten und sich den Brunnen teilten.

Ein so gut erhaltener Brunnenfund ist selten. Mit Holz ist er ausgekleidet. Foto: Museum Sønderjylland
Ein weiterer Brunnen wird freigelegt. Im Gegensatz zu den anderen Brunnen ist dieser mit Steinen ausgekleidet. Foto: Museum Sønderjylland

Das Besondere an diesem Brunnen: Das Brunnenloch wurde luftdicht verschlossen, weshalb der Brunnen erhalten blieb und nicht durch Blätter, Sand oder anderes Material verschüttet wurde. Außerdem verrottete das Baumaterial nicht. „Wir können nun sehen, wie der Brunnen angelegt wurde, wie die Seitenwände verstärkt worden sind, damit sie nicht zusammenstürzen“, erzählt die Wissenschaftlerin.

Bevor dieses Stück Holz als Brunnenverkleidung endete, war es höchstwahrscheinlich in einem Haus verbaut. Die vierkantige Form und die Löcher im Holz deuten darauf hin. Foto: Museum Sønderjylland

Die Bäume, die zum Bau des Brunnens benutzt worden sind, werden zum Teil mit einer Säge in Scheiben geschnitten. „Daran können wir sehen, wie alt der Baum ist und wie das Klima zu der Zeit war. Das bringt uns Wissen über den Ort und die damalige Zeit“, erklärt Katrine Moberg Riis.

Sie ist gespannt, was die Daten, die man jetzt durch die Funde sammelt, zu weiterem Wissen über unsere Ahnen und das Leben vor Jahrhunderten und Jahrtausenden beiträgt.

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