Lokaler Kulturkommentar

„Beim nassen Hosenboden stößt selbst Deutsch an seine Grenzen“

Beim nassen Hosenboden stößt selbst Deutsch an seine Grenzen

Beim nassen Hosenboden stößt selbst Deutsch an seine Grenzen

Apenrade/Aabenraa
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Ausschnitt aus dem Klappentext der deutschen Ausgabe von Ole Lund Kirkegaards Gummi-Tarzan Foto: WooW Books

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Die deutsche Sprache soll laut einem internationalen Sprachdienstleister momentan mehr als 5 Millionen Wörter umfassen, die dänische Sprache besteht dagegen nur aus rund einer Million Wörtern. Kann es bei dieser großen Masse an Wörtern wirklich sein, dass es für einen dänischen Ausdruck kein deutsches Äquivalent gibt?

Für einen Artikel suchte ich nach der deutschen Version des dänischen Ausdrucks „buksevand“.

„Buksevand“ ist eine perfide Form des Mobbings, die früher in Volksschulen praktiziert wurde. Das Opfer erhält einen nassen Hosenboden, weil es mit dem (bekleideten) Po in das gefüllte Waschbecken, in die Toilettenschüssel, unter einen laufenden Wasserhahn oder in eine Wasserpfütze gehalten wird. An einigen Schulen wurden auch die dortigen Trinkbrunnen für solche Taten zweckentfremdet.

Ich weiß aus meiner eigenen Schulzeit in den 1970er-Jahren von Klassenkameraden (ja, es waren nur männliche, die diese Prozedur über sich ergehen lassen mussten), dass diese Handlungen damals auch an deutsch-nordschleswigschen Schulen von älteren und stärkeren Schülern (auch immer männliche Jugendliche) praktiziert wurden.

Wörterbücher keine Hilfe

Kein Wörterbuch – weder digital noch analog – bringt die gewünschte Übersetzung. Ich frage sämtliche „native german“, also die gebürtigen Deutschen, in der Redaktion.

Meist ernte ich Achselzucken. Dafür gebe es kein deutsches Wort. Vorgeschlagen wird mir „Mobbing“ oder „erniedrigende Gemeinheit“.

Beides passt aber nicht in meinen Artikel.

Dass diese Form des Mobbings in deutschen Schulen nicht stattgefunden hat und allein ein rein dänisches Phänomen ist, wage ich doch zu bezweifeln! Es gibt aber offensichtlich keinen Begriff für diese Handlung.

Was mache ich?

Die Hilfe steht im Bücherschrank

Ich suche mir Hilfe in der Literatur!

Es ist zwar ein Kinderbuch, Mitte der 1970er-Jahre geschrieben vom Dänen Ole Lund Kirkegaard (1940-1979), der für sein Schaffen viele Preise einheimste. Gummi-Tarzan wurde 2006 sogar in den dänischen Kulturkanon aufgenommen. Der gleichnamige Film von Søren Kragh-Jacobsen aus dem Jahr 1981 wurde unter anderem mit dem Kinderfilmpreis von Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, ausgezeichnet.

Es gibt wohl kaum ein dänisches Kind, das in den 1970er- und 1980er-Jahren groß geworden ist, ohne das Buch gelesen oder zumindest den Film gesehen zu haben.

Bei uns zu Hause steht das Buch – auf Dänisch – im Regal. Die Geschichte von dem schmächtigen Ivan, der Schwierigkeiten in der Schule hat, sowohl im Unterricht als in den Pausen, wo er von den „Großen“ gemobbt wird, indem sie ihm unter anderem den Hosenboden nass machen, habe ich seinerzeit meinem Sohn vorgelesen. Das Wort „buksevand“ kommt im dänischen Original vor.

Viele der Lund-Kirkegaard-Bücher (etwa Otto er et næsehorn, Albert, Orla Frøsnapper) sind dänische Klassiker und in andere Sprachen übersetzt worden – auch ins Deutsche.

Nun war ich gespannt, wie die deutsche Übersetzerin Maike Dörries mit dem Ausdruck „buksevand“ umgegangen ist und siehe da: Sie hat es mit Hosenwasser übersetzt.

Ich habe in meinem Artikel für diesen Ausdruck kämpfen müssen, aber schließlich lautet die Überschrift einer relativ unspektakulären, aber amüsanten Polizeimeldung:

Mopedfahrer verpasst sich auf der Flucht vor der Polizei selbst „Hosenwasser“

Ich musste den Begriff in Anführungszeichen setzen, wurde er dann aber doch von der Korrektur so akzeptiert.

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