Gesundheitswesen

Eine Krankenschwester für Menschen am Rande der Gesellschaft

Eine Krankenschwester für Menschen am Rande der Gesellschaft

Eine Krankenschwester für Menschen am Rande der Gesellschaft

Apenrade/Aabenraa
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Lone Meier ist die erste und bisher einzige Sozialkrankenschwester des nordschleswigschen Krankenhauswesens. Foto: Sygehus Sønderjylland

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Das nordschleswigsche Krankenhauswesen hat eine Sozialkrankenschwester eingestellt. Lone Meier kümmert sich primär um sozial schwache Patienten ohne Angehörige und Netzwerk.

Menschen am Rande der Gesellschaft werden häufiger krank als Menschen mit einem funktionierenden Netzwerk. Aus einer Pressemitteilung des nordschleswigschen Krankenhauswesens geht hervor, dass sozial Benachteiligte sogar fünf- bis sechsmal so oft in Krankenhäuser eingeliefert werden wie andere Patientinnen und Patienten. Obdachlosigkeit, Drogenabhängigkeit, Alkoholismus und psychische Krankheiten sind dem allgemeinen Gesundheitszustand nicht zuträglich.

Das nordschleswigsche Krankenhauswesen, Sygehus Sønderjylland, hat vor anderthalb Monaten eine sogenannte Sozialkrankenschwester eingestellt, die sich gezielt um diese schwächsten Kranken kümmert.

Vier Tage in Apenrade

Lone Meier ist in der Regel an vier Tagen der Woche im Apenrader Krankenhaus anzutreffen und an einem Tag in Sonderburg. „Sie ist aber für alle Häuser in Nordschleswig zuständig. Wenn ihre Hilfe in Tondern gebraucht wird, wird sie natürlich dorthin fahren“, erläutert Krankenhaussprecher Mikkel Andersen das Konzept.

Nach anderthalb Monaten hat Lone Meier die verschiedenen Häuser kennengelernt und schon einen guten Einblick in ihren künftigen Verantwortungsbereich erhalten.

Bei der Behandlung unterstützen

„Meine Aufgabe ist es, die sozial schwachen Patienten bei ihrer Behandlung zu unterstützen und dadurch dazu beitragen, dass sie die Behandlung auch durchziehen“, sagt Lone Meier.

Die Stelle der Sozialkrankenschwester ist eine gänzlich neue Stelle.

Das nordschleswigsche Krankenhauswesen hat zwar keine konkreten Zahlen, wie viele Einwohnerinnen und Einwohner am Rande der Gesellschaft leben, aber von den Krankenschwestern in den Kommunen weiß sie, dass sie in ihrer täglichen Arbeit mit vielen Menschen in Berührung kommen, die zu dieser Kategorie gezählt werden und deshalb bei Kontakten mit dem öffentlichen Gesundheitswesen eine Stütze gebrauchen können.

Ein Leben am Rande der Norm

Das Gefühl am Rande der Gesellschaft zu stehen, kennen viele der sozial Schwachen. Ihr Lebensstil und ihr Verhalten entsprechen häufig nicht der „Norm“. Es fällt ihnen meist schwer, Termine einzuhalten. Gleichzeitig fehlt ihnen häufig Geduld; sie kommen mit Wartezeiten nicht zurecht.

„Wir sehen es häufig, dass sie entweder nach Hause gehen, bevor ihre Behandlung abgeschlossen ist, oder sie provozieren Konflikte“, sagt Lone Meier. Dieses Aggressionspotenzial ist nicht selten Entzugserscheinungen, Schmerzen oder beiden Faktoren geschuldet. „Es ist aber eine große Belastung für die Betroffenen selbst, für die medizinischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch für die anderen Patientinnen und Patienten. Ich denke, dass ich hier als Sozialkrankenschwester den Unterschied ausmachen kann“, sagt Lone Meier.

Auf Augenhöhe begegnen

Suchtkranke müssen sich vor ihr nicht rechtfertigen. „Meine Kernaufgabe ist es zu unterstützen und pflegerische Fürsorge zu tragen. Ich kann aber auch ein Puffer zwischen ihnen und dem medizinischen Personal sein“, beschreibt die neue Sozialkrankenschwester ihre Aufgabe. Sie ersetzt quasi das nicht vorhandene Netzwerk, redet mit den Betroffenen, trinkt mit ihnen zusammen einen Sprudel, verschafft ihnen eine Zigarette zur Beruhigung oder erinnert sie an einen Untersuchungstermin.

Lone Meier hat aber auch eine „Dolmetscherfunktion“. Bei Bedarf übersetzt sie die Krankenhaussprache in normales Dänisch, um so mögliche Ängste oder Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Es sei wichtig, allen Menschen mit Respekt und aufrichtigem Interesse zu begegnen – „und zwar auf Augenhöhe“, wie Lone Meier feststellt.  

Koordinierende Funktion

Als Sozialkrankenschwester soll sie auch den Kontakt zu Zusammenarbeitspartnern – wie Suchtberatungsstellen, Obdachlosenherbergen und dem Gesundheitswesen der jeweiligen  Kommune koordinieren.

Innerhalb der „normalen Arbeitszeit“ ist Lone Meier telefonisch immer für ihre Patientinnen und Patienten erreichbar. „Einige wollen mir einfach nur einen ,Guten Morgen’ wünschen, andere benötigen meine Hilfe bei einer Untersuchung und dann bin ich natürlich gerne für sie da. Wenn sie sich sicher fühlen, sind die Chancen einfach größer, dass sie die richtige Behandlung bekommen und sie auch bis zum Ende durchführen“, ist Lone Meier überzeugt.

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