Leben mit Schleudertrauma

Der Fußball veränderte ihr Leben

Der Fußball veränderte ihr Leben

Der Fußball veränderte ihr Leben

Gesche Picolin
Gesche Picolin Journalistin
Apenrade/Aabenraa
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Sozialdemokratin Signe Bekker Dhiman trägt seit kurzem diskrete Hörgeräte. Foto: Karin Riggelsen

Signe Bekker Dhiman erlitt im Juni eine Gehirnerschütterung. Seitdem ist alles anders.

Die Symptome, die sie beschreibt, klingen wie eine kräftige Migräne. Wie Tinnitus. Wie Überbelastung. Oder eben so, wie hochsensible Menschen ihren Alltag beschreiben. 

Seit dem Unfall auf dem Schulhof, bei dem sie im Juni 2018 ein lederner Fußball am Hinterkopf traf, leidet die Apenrader Stadtratspolitikerin Signe Bekker Dhiman an den Folgen eines Schleudertraumas und einer Gehirnerschütterung. 

An dem Tag, es war ein Freitag im Juni, ging die Lehrerin von einem Termin zum anderen über den Hof. „Da waren ein paar Jungen am Bolzen. Ich habe sie wahrgenommen.“ Und dann flog der Ball. „Viel später habe ich dann gehört, dass Lederfußbälle an anderen Schulen längst verboten waren.“

 

An ihm kann sie sich festhalten: Ihr Markenzeichen, der lange braune Pferdeschwanz. Foto: Karin Riggelsen

Drei Wochen Bettruhe

Sie verbrachte drei Wochen im Bett. Bei heruntergelassenen Gardinen und mächtig viel Schlaf. Sie ging dann, es war der Jahrhundertsommer 2018, anfangs auch im Haus mit Sonnenbrille und einem riesigen Sonnenhut, den ihre Mutter beschafft hatte. 

Heute, sieben Monate danach, schläft sie immer noch viel. In der Nacht acht bis neun Stunden, vormittags mindestens noch mal eine Stunde, wenn die Kinder (4 und 11 Jahre) in der Schule sind. „Und dann lege ich mich mit hin, wenn ich den Kleinen ins Bett bringe. Stehe aber noch mal auf, bis der Große schlafen geht.“ Klingt nach einem geregelten Alltag.

Alle Sinne beeinträchtigt

Doch ihre Sinne sind eingeschränkt, besonders das Sehen und Hören sind beeinträchtigt. 

Nach dem Unfall wurde ihr Gehör untersucht. „Ich bekam Hintergrundlärm auf beide Ohren und wurde gebeten, Wörter zu erkennen. Ich wartete, hörte Hintergrundlärm. Und dachte nur, wann kommt denn das erste Wort? Schließlich fing ich an zu raten.“ 

Das Ergebnis: Bekker Dhiman hörte gerade mal knapp 60 Prozent.

Seither erhält sie Gehörtraining. „Die wollen mich abhärten.“ So geht es hypersensiblen Menschen, die extrem gute Ohren haben. 

Seit zwei Wochen hat die Sozialdemokratin zwei diskrete Hörgeräte. 

Inzwischen nimmt die Volksvertreterin wieder an Stadtratssitzungen teil. Sie bereitet sich durch die Tagesordnung gut vor, und plant ihre Pausen. Foto: Karin Riggelsen

Unterstützung in den sozialen Medien

Als bekannt wurde, was ihr passiert war, wandten sich Leute an sie. Menschen mit ähnlicher Erfahrung, Angehörige. Sie hat dadurch viel Unterstützung erfahren. Sich austauschen können. Auch gibt es Facebookgruppen von Menschen, die Ähnliches erlebt haben. 

Verdunkelungslinsen

Schon seit Jahresende hat Signe Bekker Dhiman spezielle Kontaktlinsen. Die schirmen den kräftigen Lichteinfall ab. „Eine Filterbrille war für mich keine Option. Die würde ich eh immer abnehmen, wenn ich mit jemandem spreche. So höflich bin ich“, lacht sie. Die Speziallinsen sind ganz dunkel. Sie hat von Natur aus braune Augen, aber jetzt sind sie wegen der Verdunkelungslinsen richtig dunkel. 

Signe Bekker Dhiman hat braune Augen. Neuerdings trägt sie Verdunkelungslinsen. Zum Vergleich trägt sie auf dem Foto eine davon. Foto: Karin Riggelsen

„Schutzpatronin Barbara“

Ihr erster öffentlicher Auftritt nach dem Unfall war Anfang Dezember, als sie die ehrenvolle Aufgabe als „Schutzpatronin Barbara“ für die Apenrader Kanonenzunft Aurora für ein Jahr übernommen hat.  Der Neujahrsempfang im Stadtratssaal Mitte Januar, der war fast zu viel für sie: Die Gehirnerschütterung hat bewirkt, dass sie nicht mehr so viele Eindrücke auf einmal aufnehmen kann. Sind mehrere Gesprächspartner vorhanden, sei es kein Problem. Wenn aber eine Person auf sie einredet, „dann muss ich nach drei oder vier Minuten Pause machen, ausruhen. Dann gucke ich kurz aufs Telefon, und dann bin ich wieder da.“ 

Assoziieren als Herausforderung

Und dann ist da die Sache mit dem Fokus. Auch kann sie nicht mehr einfach folgen, wenn gedanklich gesprungen wird. Die Erinnerung, die Assoziationen sind verlangsamt.

Da sie durch ihre Krankschreibung praktisch alles andere heruntergefahren hat, ist Signe jetzt „nur noch“ Mutter und Stadtratspolitikerin. Beim Stadtrat bereitet sie sich gut vor, und plant nach Tagesordnung. Und hin und wieder macht sie eben während der teilweise stundenlangen Sitzungen ihre eigene Pause.

So wird sie auch wieder an der Januar-Stadtratssitzung teilnehmen. Im Anschluss fährt der Ausschuss für Kinder und Ausbildung für zwei Tage zu einer Konferenz nach Aalborg. Sie ist mit dabei. 

Weil sie noch nicht wieder auf den Bildschirm gucken kann, liest Signe Bekker Dhiman die kommunalen Dokumente im Ausdruck. Foto: Karin Riggelsen

Ruhige Kugel schieben

Signe ist jemand, der die Dinge ins Rollen bringt. Und ist jetzt gezwungen, eine ruhige Kugel zu schieben.Auf die Frage nach ihrem Alter muss Bekker Dhiman tatsächlich überlegen. Geburtstag habe sie im November. Doch, dann sei sie jetzt 36. 

Signe Bekker Dhiman ist pflichttreu. Sie beschreibt sich selbst als stur. „Wo andere aufgegeben haben, da machte ich noch weiter.“ Heute muss sie loslassen. Nein sagen. Und das fällt ihr nicht leicht. Doch sie ist auf dem Weg der Besserung. Sie weiß von ihren Ärzten, dass sie wieder gesund wird. Und übt sich so lange in Geduld. 

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