Erdrutschgefahr

Der Untergrund ist noch immer in Bewegung

Der Untergrund ist noch immer in Bewegung

Der Untergrund ist noch immer in Bewegung

Paul Sehstedt
Apenrade/Aabenraa
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Wenn Straßenlaternen schief sind (wie hier am Møllepold), muss das nicht heißen, dass ein Verkehrsteilnehmer dagegengestoßen ist, sondern es könnte durchaus an den Untergrundbewegungen am Skedebjerg liegen. Foto: Paul Sehstedt

Zwei Geologen erläutern in einer Studie, wie Erdrutsche die Landschaft entlang der Apenrader Förde schufen und weshalb am Skedebjerg und Høgelsbjerg die Straßenlaternen schief stehen.

Schiefe Straßenlaternen und uneben liegende Gehwegplatten sind für den Geologen und pensionierten Gymnasiallehrer Peter Brøgger Sørensen Indizien dafür, dass sich das Erdreich an diesem Ort bewegt hat. „Und am Skedebjerg schon seit 8.000 bis 10.000 Jahren“, erläutert der Forscher, der selbst im Møllepold in Apenrade wohnt, sozusagen mitten in einem durch Erdrutsche entstandenen Teil des Stadtgebietes. Das stört ihn nicht, denn sind Gebäude und Anlage korrekt geplant, dann sind die Nachwehen einer buchstäblich bewegten Vergangenheit kein Problem.

Zufallsentdeckung

„Die Entdeckung der topografischen Vorgeschichte um die Apenrader Förde geschah eigentlich zufällig, weil ein Studienfreund geologische Untersuchungen am Meeresboden der Förde durchführte“, erläutert Brøgger Sørensen, wie das sogenannte Apenrader Modell (Aabenraa modellen) entstand. „Holger Lykke-Andersen hatte den Abhang bei Hostrupholz von der Seeseite aus gesehen, und ihm war aufgefallen, dass es dort vor langer Zeit einen Erdrutsch gegeben haben musste. Er rief mich an, und gemeinsam begannen wir, die Gegend um die Förde herum näher zu untersuchen.“

Peter Brøgger Sørensen hat das Resultat seiner geologischen Forschung, die er gemeinsam mit seinem Studienkollegen Holger Lykke-Andersen bewältigte, vor sich ausgebreitet und kann anhand eines 3D-Modells sowie Computerkarten erläutern, wie die Apenrader Förde ihrer Auffassung nach vor Jahrtausenden entstanden ist. Foto: Paul Sehstedt

3D-Karten und ein Kunststoffmodell

Die beiden Geologen konnten sich des Höhenmodells DHMO,4 der dänischen geodätischen Datenbehörde/Geodatastyrelsen bedienen, und dabei wurden bisher unerkannte Erdrutsche deutlich sichtbar. Sie wählten die Ausgabe heraus, die die Geländeoberfläche in einer Auflösung von 40 x 40 Zentimeter horizontal und nur wenige Millimeter in der Vertikalen darstellt. Die beiden Geologen benutzten 3D-Karten, damit die Höhen deutlich hervortreten und wie Gebirge aussehen.

Durch die unterschiedliche Einfärbung der Karte erhielten sie ein detailliertes Landschaftsbild, von dem sie die Entstehung des Terrains ablesen konnten. Ein dreidimensionales Modell wurde in grauem Kunststoff von Stephan Valkær bei der Firma SoluNOiD in Feldstedt (Felsted) gedruckt.

Eine ganz neue Geschichte

„Die Abhänge rund um Apenrade erzählten uns eine ganz neue Geschichte, deren Ursprung im instabilen Untergrund zu finden ist“, erzählt Brøgger Sørensen, der neben seiner Anstellung an der Staatsschule in Apenrade auch als Berater der (Web-)Schule für Erdbeobachtungen der europäischen Weltraumorganisation ESA/EDUSPACE in Frascati, Italien, tätig ist.

Die Landschaft um Apenrade wird hier mit einem Computer-Höhenmodell der geodätischen Datenbehörde visualisiert. Die blauen Linien zeigen die heute noch erkennbaren Abbruchkanten. Foto: Der Nordschleswiger/Styrelsen for Dataforsyning og Effektivisering

„Während der letzten Eiszeit wurde der Cyprinenton, der in der Eem-Warmzeit entstand, in bis zu 50 Meter Höhe an die Vorstoßkante geschoben. Diese Warmperiode dauerte 11.000 Jahre von etwa 126.000 bis 115.000 und war mit durchschnittlich 17° Celsius wärmer als heute. Nach der letzten Eiszeit herrschte in Dänemark vor etwa 12.000 bis 10.000 Jahren ein arktisches Klima mit Permafrost. In den Sommermonaten taute die obere Erdschicht auf und konnte daher Wasser aufnehmen. Auf diese Weise wird der Boden instabil, und der Ton wird zum Gleitmittel. In Schräglagen führt das aufgrund der Schwerkraft zu Erdrutschen, die zuerst unten an der Förde begannen, um im Laufe der Zeit weiter landeinwärts zu wandern. Wir stellen uns vor, dass die Steilkante einst ganz bis an die Förde heranragte, also eine Strecke von rund 600 Metern bis zum heutigen Skedebjerg“, sagt Brøgger Sørensen.

Kein Tunneltal

Mit den neuen Erkenntnissen meinen die beiden Forscher, der bisherigen Theorie, die Landschaft entlang der Apenrader Förde sei ein Tunneltal, widerlegen zu können. Ein Tunneltal entsteht nämlich unter dem Gletschereis durch die abtragende Wirkung des Schmelzwassers, das die Sedimente fortspült.

Nördlich und nordwestlich des Stadtgebiets erstreckt sich ein hügeliges Gelände, an dem der Skedebjerg vor einem 30 Meter hohen Abhang liegt. Südlich davon befinden sich tiefliegende Flächen, die bis zur Förde reichen und an einigen Stellen mit inselähnlichen Erhöhungen, wie zum Beispiel dem Langbjerg, bestückt sind.

Noch immer aktiver Rutsch

„Der Steilhang am Skedebjerg ist unter anderem mit Reihenhäusern bebaut“, erläutert Brøgger Sørensen. Um die Gefahr eines Erdrutsches zu bannen, wurde eine breite Betonmauer eingezogen. Außer ihr sehen wir dort andere Anzeichen dafür, dass das Erdreich noch immer in Bewegung ist: Straßenlampen neigen sich gen Süden, und auch Bürgersteige und Geländesektionen an den Reihenhäusern bewegen sich in südliche Richtung. Aufgrund dieser Beobachtungen, dem konkaven Steilhang sowie der weniger abrupten Zwischenkanten klassifizieren wir das Gebiet am Skedebjerg als einen Rotationsrutsch, der noch immer aktiv ist.“

Eine verheerende Erdrutschkatastrophe ähnlich wie in Ask, Norwegen, am 30. Dezember 2020 wird jedoch nicht zu erwarten sein, beruhigte Geologe Kristian Svennevig kürzlich in einem Interview mit dem „Nordschleswiger“.

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