Thema der Woche: Zurück im Alltag

Was manche am Lockdown vermissen

Was manche am Lockdown vermissen

Was manche am Lockdown vermissen

dpa/kj
Apenrade/Augsburg
Zuletzt aktualisiert um:
Lockdown und Lockerungen - auf die sich verändernden Lebensbedingungen reagieren Menschen ganz unterschiedlich. Foto: Fabian Sommer/dpa

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Urlaub, Restaurants, Sport: Der Terminkalender ist nach den Einschränkungen der vergangenen Monate wieder prall gefüllt. Einer Umfrage zufolge freuen sich nicht alle über die wiedergewonnenen Freiheiten.

Abstand, Desinfektionsmittel, wenige soziale Kontakte – was in den vergangenen Monaten zum Alltag wurde, rückt vor allem in Dänemark, wo Covid-19 ab dem 10. September nicht mehr als „für die Gesellschaft kritische Krankheit“ gilt, in den Hintergrund.

Aus einer deutschen Studie geht hervor, dass einige Menschen den Corona-Alltag jedoch vermissen. Seit Beginn der Pandemie hat Generationsforscher Rüdiger Maas am von ihm gegründeten privaten „Institut für Generationenforschung“ in Augsburg die Haltung der Bevölkerung in Deutschland zur Corona-Pandemie erfragt.

In der neuesten repräsentativen Umfrage unter 2210 Befragten gibt etwa ein Zehntel der Menschen ab 40 Jahren an, bestimmte Dinge aus den Lockdown-Zeiten zu vermissen. Knapp sieben Prozent der sogenannten Baby Boomer (ab 56 Jahre) und etwa acht Prozent der „Generation Y“ (26 bis 39 Jahre) wollen ihren Pandemie-Alltag sogar am liebsten gleich ganz beibehalten.

Vielen fehlt noch immer das Sicherheitsgefühl

In Zeiten, in denen zumindest vorübergehend vieles wieder möglich ist, bekommen es manche Menschen regelrecht mit der Angst zu tun. All das aufgeben, worauf man sich schon eingestellt hat? Eine schwere Vorstellung für manche, die sich mit der Pandemie abgefunden haben.

Das kann auch Psychologin Anneli Sejer Iversen aus Hadersleben (Haderslev) bestätigen. Menschen, die sich nach Struktur und Ordnung sehnen, könnten sich in der Corona-Zeit wohler gefühlt haben, weil es klare Regeln gab, an die sie sich halten konnten, so die Psychologin. „In einer chaotischen Zeit ist es für viele Menschen schön, wenn es gewisse Anhaltspunkte gibt, an denen sie sich im Alltag entlang hangeln können, wie zum Beispiel die Maskenpflicht“, erklärt die Haderslebenerin.

Probleme mit körperlicher Nähe

„Außerdem war es während der Pandemie erlaubt introvertiert zu sein, obwohl die Kultur in Dänemark eher extrovertiert ist.“ Das gilt beispielsweise auch für körperliche Nähe. „Im Laufe von wenigen Jahren haben sich vor Corona viele soziale und kulturelle Gewohnheiten und Etiketten geändert. Zum Beispiel begrüßt man sich oft mit Umarmungen, was früher undenkbar war in Nordeuropa.“ Diese Nähe nun wieder im Alltag zuzulassen, könne für manche Menschen schwierig sein. „Wir haben eine Hygienekultur aufgebaut, wo fast alles steril sein muss. Die Lockerungen können zu einem inneren Konflikt führen, denn Händeschütteln und Umarmungen sind nicht besonders hygienisch“, erklärt die Inhaberin des „Psykologhuset Haderslev“.  

Das hat bei manchen den Eindruck erweckt, dass es auf der Welt nur ein einziges großes Problem gibt – einfach und überschaubar.

Anneli Sejer Iversen, Psychologin

Ein weiterer Grund, warum manche Menschen sich im Corona-Alltag wohler gefühlt haben, könnte laut der Psychologin auch die Tatsache sein, dass das Virus einen großen Bestandteil in der Medienberichterstattung eingenommen hat. „Das hat bei manchen den Eindruck erweckt, dass es auf der Welt nur ein einziges großes Problem gibt – einfach und überschaubar“, so Anneli Sejer Iversen. „Aber das ist natürlich eine Illusion.“

Aus der deutschen Studie geht hervor, dass sich gerade jüngere Menschen aber über Lockerungen und Öffnungen freuen – wieder reisen zu können, im Klassenverband zu lernen oder in der Uni Freunde zu treffen. Laut Umfrage von Generationenforscher Maas blicken fast 85 Prozent der Menschen unter 26 Jahren optimistisch oder sogar sehr optimistisch auf eine Zeit nach Corona.

Lockerungen können auch Druck bedeuten

„Der Lockdown hat unterschiedlich auf die Generationen gewirkt, und die Regierung hat meiner Meinung nach die Bedürfnisse der Jüngeren ausgespart“, sagt Maas. „Dabei sind die Folgen für die Jüngsten am schwersten.“ Gerade deswegen hofften insbesondere sie, an ihre alte Realität anknüpfen zu können. Aber: Laut Umfrage fühlen sich gleichzeitig etwa 46 Prozent dieser Altersgruppe auch unter Druck gesetzt, wegen der gelockerten Maßnahmen viele Dinge zu unternehmen.
 

Sobald sich die Richtung der Gruppendynamik ändert, passen wir uns entsprechend an.

Rüdiger Maas, Generationenforscher

Nach Angaben der Leiterin des Schulpsychologischen Dienstes des Deutschen Schul- und Sprachvereins gilt das allerdings nicht für die Kinder und Jugendlichen in Nordschleswig. „Mit diesen Problemen ist bisher zumindest niemand auf mich zu gekommen“, so Kerstin Friz auf Nachfrage des „Nordschleswigers“.

Laut Generationenforscher Maas gewöhnen sich viele schnell wieder an ein neues Leben nach der Pandemie. Denn: „Sobald sich die Richtung der Gruppendynamik ändert, passen wir uns entsprechend an.“

Mehr lesen

Dänemarkurlaub

Rekordjahr für den Tourismussektor – Weitere Investitionen in Natur- und Küstent

Tondern/Tønder Der Tourismussektor in Dänemark und Nordschleswig sorgt vor allem dank der deutschen Gäste für beeindruckende Zahlen im Jahr 2023, das sich als Rekordjahr bezüglich der Anzahl der Touristenübernachtungen abzeichnet. Eine Mehrheit im Folketing hat nun entschieden, den Natur- und Küstentourismus in Dänemark zusätzlich zu stärken und sich darauf geeinigt, hierfür 42,1 Millionen Kronen bereitzustellen.