Dansk-tysk med Matlok

Dänische Identität von heute nicht mehr in Abgrenzung zu Deutschland

Dänische Identität nicht mehr in Abgrenzung zu Deutschland

Dänische Identität nicht mehr in Abgrenzung zu Deutschland

DN
Kopenhagen
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Anna Sandberg und Torben Jelsbak im Interview mit Siegfried Matlok, das auf Christiansborg geführt wurde. Foto: DK4

Siegfried Matlok spricht im DK4-Interview mit Kopenhagener Literatur-Professoren über die deutsch-dänischen Kulturbeziehungen.

„Die deutsch-dänischen Kriege prägen uns noch heute in der kollektiven Erinnerung und im dänischen Selbstverständnis, aber Dänemark definiert seine Identität heute nicht mehr durch eine Abgrenzung zu Deutschland.“ So lautet das Fazit der beiden dänischen Literatur-Professoren an der Kopenhagener Universität, Anna Lena Sandberg und Torben Jelsbak, in einem Interview am Donnerstagabend auf DK4.

Die beiden sprachen über ihr gemeinsames aktuell erschienenes Buch mit dem Titel „Dansk-tyske krige – Kulturliv og Kulturkamp“ in der Fernsehsendung „Dansk-tysk med Matlok“.  

Lektor Anna Sandberg: „Ich glaube, dass die meisten Dänen heute der Ansicht sind, dass es eine kulturelle Freundschaft mit Deutschland gibt.  Die Kriege gegen Deutschland  – ich denke nicht nur an die beiden Weltkriege, sondern auch an die beiden Kriege zuvor, obwohl sie nicht vergleichbar sind – hatten  eine kulturelle Konfliktzone geschaffen, aber in der Nachkriegszeit hat eine Entspannung und Normalisierung stattgefunden.“

Lektor Torben Jelsbak: „Die Art, wie man sich als Volk definiert, hat auch etwas mit Abgrenzung zu tun.  Und in der Zeit seit den Schleswigschen Kriegen bis zur Nachkriegszeit war Deutschland für Dänemark stets jene Größe, die die dänische Identität beeinflusst hat. Dieses Feindbild von früher gilt nicht mehr, heute hat man andere. Früher gab es eine mentale Konfliktzone, aber die hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren grundlegend verändert und verschoben.  Deutschland ist nicht mehr problematisch für die moderne kulturelle Identität des Landes. Heute definieren viele in Dänemark ihre Identität eher im Verhältnis zur muslimischen Minderheit im Land.“

Diese Normalisierung kann jedoch auch „zu einer gewissen Langeweile, zu einem Desinteresse führen, weil Deutschland nicht mehr zur eigenen Abgrenzung nötig ist“, betont Sandberg. „Trotzdem erlebe ich in den letzten Jahren ein steigendes Interesse an Deutschland – nicht nur an Berlin. Aber dieses deutsch-dänische Verhältnis ist eben nicht mehr von einer grundlegenden Wichtigkeit wie früher, denn heute haben wir in einer globalisierten Welt mit ganz anderen Kulturkonflikten zu kämpfen“, so Sandberg, die vor allem die deutsche Selbstreflexion hervorhebt. Die öffentliche Debatte in Deutschland erscheint ihr „nuancierter als in Dänemark, wo sie nicht so tief gehend geführt wird, weil man schneller zufrieden ist“.  

Dänische Preise für Judith Hermann

Die beiden Professoren verweisen darauf, dass heute insgesamt nicht weniger deutschsprachige Bücher in Dänemark übersetzt werden als früher, aber sie finden zurzeit weniger Aufmerksamkeit. Als Ausnahme nennt Torben Jelbak die deutsche Autorin Judith Hermann, die auch in Dänemark für ihre Werke mehrere Preise gewonnen hat.

Viele deutsche Bücher erscheinen heute nur noch in sogenannten Mikro-Verlagen, aber Anna Sandberg macht darauf aufmerksam, dass die Literatur in den Kulturbeziehungen heute vielleicht auch deshalb eine geringere Rolle spielt, weil Kultur in Zeiten der Globalisierung nicht mehr so sehr national betrachtet wird. Im Gegensatz dazu finden ihrer Ansicht nach zum Beispiel die elektronische Musik aus Deutschland ebenso wie Filme („Babylon Berlin“) und Kunst weiterhin größeres dänisches Interesse.

Anna Lena Sandberg  ist Professorin an der Kopenhagener Universität für deutsche Literatur und hat sich besonders mit den kulturellen Relationen nach 1864 beschäftigt, Kollege Torben Jelsbak ist Professor in moderner dänischer und nordischer Literatur an der Kopenhagener Universität, wo er sich vor allem mit den künstlerischen Avantgardbewegungen des 20. Jahrhunderts befasst hat.

Das Interview zum Nachgucken:

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