Leitartikel

„„Privileg“ dänische Staatsbürgerschaft “

„Privileg“ dänische Staatsbürgerschaft

„Privileg“ dänische Staatsbürgerschaft

Nordschleswig/Apenrade
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In Dänemark plant die sozialdemokratische Regierung eine neuerliche Verschärfung der Kriterien beim Erwerb der dänischen Staatsbürgerschaft. „Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch durchleuchtet Konsequenzen der aktuellen Situation.

Es sind nicht einmal drei Jahre vergangen, seitdem die damalige Regierungskoalition von Venstre, Konservativen und Liberaler Allianz zusammen mit der Dänischen Volkspartei und der heutigen Regierungspartei, den Sozialdemokraten, die Anforderungen zum Erwerb der dänischen Staatsbürgerschaft erschwert hat. Die damalige Ausländer- und Integrationsministerin Inger Støjberg nannte als Zielsetzung ihrer Gesetzesnovelle, dass es ein Privileg sein solle, die dänische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Die seit 2019 amtierende sozialdemokratische Regierung hatte bereits im Wahlkampf keine Zweifel gelassen, dass sie ihre Fahne in den ausländerskeptischen Wind hängt, der inzwischen seit mehr als einem Jahrzehnt durch Dänemark weht.

In dieser Woche wurde deutlich, dass die Sozialdemokraten im Überbietungswettkampf der bürgerlichen und rechten Parteien hinsichtlich immer neuer Verschärfungen der Einbürgerungsbestimmungen am Ball bleiben. Interessant ist, dass der für das Thema Staatsbürgerschaft zuständige Venstre-Sprecher Morten Dahlin vorschlägt, einen „Wertetest“ für Neu-Staatsbürger einzuführen, der Chef der Konservativen, Søren Pape Poulsen, fordert, dass Staatsbürgerschafts-Aspiranten die Anforderung „danskprøve 3“ bei der Prüfung der dänischen Sprachkenntnisse erfüllen müssen. Man wundert sich, dass Venstre nun eine Art Gesinnungstest bei der Bewerbung um die dänische Staatsbürgerschaft fordert, was die liberale Partei noch abgelehnt hat, als sie selbst die Regierung führte. Dahlin erklärt nun, es genüge nicht, nur Bewerber aufgrund von Vorstrafen oder mangelndem eigenen Einkommen von der dänischen Staatsbürgerschaft fernzuhalten.

Dänische Wissenschaftler haben in einem Beitrag in „Jyllands-Posten“ das Thema aufgegriffen und auf Untersuchungen hingewiesen, dass weniger als 40 Prozent der als Flüchtlinge in Dänemark aufgenommenen Menschen nach 13 Jahren Aufenthalt in Dänemark überhaupt einen Antrag auf Verleihung der dänischen Staatsbürgerschaft stellen können, weil sie die zuvor zu überwindenden Hürden nicht überspringen können. Dazu zählt die Forderung, dass die Bewerber über Jahre keine Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld empfangen haben dürfen. Und die Sprachprüfung, die schon seit Jahren in Form von „danskprøve 3“ abläuft, was den Dänischanforderungen am Ende der Klasse 9 entspricht, schaffen kaum Einwanderer mit niedrigem Bildungsgrad. Es sollen aber auch Aspiranten gescheitert sein, die schon Jahrzehnte in Dänemark sesshaft sind und durch solide Arbeit einen Beitrag zum Wohlstand des Landes geliefert haben.

Tatsache ist, dass Dänemark im europäischen Vergleich inzwischen mit die härtesten Bedingungen stellt, um Bürgern die Staatsbürgerschaft des Landes zu verleihen. Mit dem Ergebnis, dass selbst unter den Einwanderern, die mehr als 20 Jahre in Dänemark leben, nur ein Drittel die dänische Staatsbürgerschaft erworben hat. Die Zahl der Einbürgerungen lag zuletzt bei rund 2.000, in früheren Jahren sind es mitunter über 10.000 gewesen. Dazu zählen auch EU-Bürger und andere Personen westlicher Herkunft, die im Prinzip willkommen sind, weil sie beispielsweise in Mangelberufen benötigt werden oder als Ehepartnerinnen und -partner ins Land gekommen sind.

Eine Konsequenz ist, dass inzwischen rund 8 Prozent der Bevölkerung in Dänemark keine dänische Staatsbürgerschaft besitzt, allerdings oft ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht. Fachleute warnen, dass dieser Umstand langfristig zu Belastungen in der dänischen Gesellschaft führen kann, weil sich immer mehr Menschen, die bei den Folketingswahlen nicht mitbestimmen können, nicht als vollwertige Bürger fühlen.

Rätseln darf man über die Angaben von Staatsministerin Mette Frederiksen und Ausländerminister Mattias Tesfaye (beide Sozialdemokraten), die im Vorschlag der Regierung zur Gesetzesnovelle notieren, dass „Einwanderer, die die dänische Staatsbürgerschaft erhalten, das dänische Volk und die Gesellschaft für immer verändern“. Niemand habe ein Recht, die Staatsbürgerschaft zu erwerben, diese sei etwas, um das man sich verdient gemacht haben sollte.

Wer die dänische Gesellschaft über Jahrzehnte im Auge hat, wird sich fragen, was wohl für deren unbestreitbare Wandlung bisher verantwortlich gewesen ist. Venstre und die Dänische Volkspartei wollen künftig per Unterschrift oder Gespräch herausfinden, ob jemand mit dem Ziel dänische Staatsbürgerschaft sich die dänischen Werte zu eigen gemacht hat, die heute vielleicht weniger aus Andersens Märchen, der eigenen Landesgeschichte und der schönen dänischen Sprache, sondern aus hingestreuten Facebook-Texten, fremdsprachigen Hollywood-Serien samt englischen Alltagsvokabeln und Billigreisen in warme Länder bestehen.

Zu erinnern sei an den zweimal im Jahr veranstalteten Einbürgerungstest („indfødsretsprøve“), an dem neben 50 Prozent der Staatsbürgerschaftsbewerber und -bewerberinnen angeblich auch die Mehrzahl der dänischen Staatsbürgerinnen und -bürger scheitert. 

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