100 Jahre Grenzziehung

Kriegskorrespondenz gab Anstoß zu Roman

Kriegskorrespondenz gab Anstoß zu Roman

Kriegskorrespondenz gab Anstoß zu Roman

Kopenhagen/Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Anna Elisabeth Jessen (l.) im Gespräch mit Journalistin Gitte Løkkegaard Foto: Malthe Helvarsson/Golden Days

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Anna Elisabeth Jessen beschreibt in ihrem Roman „Om Hundrede År“ das Schicksal einer fiktiven Familie in Nordschleswig von 1914 bis 2014.

Der Erste Weltkrieg spielt in Nordschleswig eine ganz andere Rolle als im übrigen Dänemark.

Die Ursache ist offensichtlich: Da Nordschleswig unter deutscher Herrschaft war, mussten auch Nordschleswiger in den deutschen Kriegsdienst.

Ungefähr 30.000 junge Männer aus Nordschleswig nahmen am Ersten Weltkrieg teil. 5.270 aus dem heutigen Nordschleswig sind gefallen. Schätzungsweise drei Viertel von ihnen waren dänischer Gesinnung.

Nach Auffassung der Journalistin und Autorin Anna Elisabeth Jessen hat dies Nordschleswig in entscheidender Weise geprägt. Das erzählt sie bei einem Gespräch in der Nordschleswigschen Botschaft in Kopenhagen.

Die Briefe auf dem Hof

1998 erbte sie den Hof ihrer Großeltern und Urgroßeltern in Hoptrup bei Hadersleben (Haderslev). Dort fand sie in einem Schrank die Kriegskorrespondenz ihrer Großeltern. Sie hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Radio- und Fernsehsendungen mit dem Thema auseinandergesetzt.

„Ich dachte, dass ich die Briefe in einem anderen Format verarbeitet wollte, denn dies ist ja unsere eigene Geschichte, und das ist etwas anderes, als wenn man als Journalist über andere berichtet“, sagt sie dem „Nordschleswiger“.

Anna Elisabeth Jessen beschreibt die Konflikte des Grenzlandes anhand der Geschichte einer Familie. Foto: Malthe Helvarsson/Golden Days

Gerade weil es eine Erzählung, inspiriert von der Geschichte der eigenen Familie, ist, hat sie die Form des Romans gewählt.

„In literarischer Form kann ich dramatisieren und mir größere Freiheiten erlauben. Gleichzeitig wird es persönlicher, denn in einer Dokumentation kann ich andere sprechen lassen. Hier sind sämtliche Worte meine eigenen.“

Die Geschichte eines Jahrhunderts

Die Briefe waren dann letztlich mehr der Anstoß zu dem Roman. Denn sie erzählt die Geschichte einer fiktiven nordschleswigschen Familie von 1914 bis 2014, ein Kapitel für jedes Jahr. Die Inspiration zu der Form kommt von Günther Grass' Roman „Mein Jahrhundert“, der entsprechend aufgebaut ist.

Das Publikum hörte dem Gespräch interessiert zu. Foto: Malthe Helvarsson/Golden Days

„In den Arbeiten, die ich als Dokumentaristin gemacht habe, beschäftige ich mich ausschließlich mit der damaligen Zeit.  Mit dem Roman wollte ich die Fragestellungen bis in die heutige Zeit führen. Ich gehe der Frage nach, wie sich so ein Konflikt im Grenzland im Lauf von hundert Jahren entwickelt, was es für eine Familie und die Psychologie dahinter bedeutet“, erläutert Jessen.

Die Autorin meint, es sei wichtig die Zeit des Ersten Weltkriegs zu kennen, um die nordschleswigsche Geschichte zu verstehen. Dabei geht es ihr auch um grundsätzliches.

„Es ist mein Postulat im Buch, dass Krieg, Nationalismus und Religion die Entwicklung der Menschen hemmen.“

Mehr lesen

Diese Woche in Kopenhagen

Walter Turnowsky ist unser Korrespondent in Kopenhagen
Walter Turnowsky Korrespondent in Kopenhagen
„Das Grundgesetz: 174 Jahre alt – und fast unverändert“