Leserbeitrag

„Von Hadersleben nach Düsseldorf zur Weinmesse“

Von Hadersleben nach Düsseldorf zur Weinmesse

Von Hadersleben nach Düsseldorf zur Weinmesse

Harro Hallmann
Hadersleben/Düsseldorf
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Die Messe gilt als der größte Branchentreff für Fachleute aus Anbau, Erzeugung, Gastronomie und Handel. Foto: krakenimages/unsplash

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Die ProWein ist die Weltleitmesse für Wein und Spirituosen. In jedem Jahr kommen Ausstellerinnen und Austeller sowie Fachleute aus aller Welt für drei Tage nach Düsseldorf. Auch Harro Hallmann aus Hadersleben war als anerkannter Berater für deutsche Weine vor Ort und berichtet von seinen Erlebnissen.

Schon lange wollte ich bei der ProWein dabei sein, aber die Messe ist so populär, dass man als Besucher Hotels nur in größerer Entfernung bekommt, zum Beispiel in Köln. In diesem Jahr wurde die Messe kurzfristig wegen Corona um einige Monate verschoben, und ich hatte Glück und fand eine kleine Ferienwohnung in der beliebten „weißen Siedlung“ in unmittelbarer Nähe zum Rhein und nicht mal einen Kilometer vom Messegelände entfernt.

Mit zwei Stunden Verspätung kam ich am Tag vor der Messe am Hauptbahnhof in Düsseldorf an und nutzte den Abend für ein gutes, kreatives Menü im Restaurant Dr. Kosch, welches vom Guide Michelin verdient mit einem Stern bewertet wird. Es gab ein besonderes ProWein-Menü. Ich hatte mir allerdings das normale Menü vorher angesehen – es war das gleiche, der ProWein-Unterschied war ein Preisaufschlag von 20 Euro.

Die Messe öffnet schon um 9 Uhr. Ich bin gegen 10 Uhr dort. Die riesige Halle 1 ist für die deutschen Anbaugebiete reserviert. Große Stände der großen Anbaugebiete Rheinhessen, Baden, Pfalz, Mosel, aber auch das kleine (aber hervorragende) Anbaugebiet Nahe ist gut vertreten.

Beim Sekthaus Raumland bleibe ich stehen. Die Sekte der Familie gehören zu den besten Deutschlands und ich lasse mir von Heide-Rose die Unterschiede erklären. Sie betont, dass alle Sekte immer 12 Prozent Alkohol haben, damit sie nicht zu schwer werden. Gesteuert wird dies über den Lesezeitpunkt und damit die Reife der Trauben. Außerdem gibt die Vinifizierung in separaten Fässern und Tanks die Möglichkeit, die beste Mischung für die Sektcuvées zu finden.

Sekt schmeckt gut – auch morgens, aber ich merke doch, dass ich noch nicht gefrühstückt habe (obwohl natürlich auch fleißig ausgespuckt wird). Deshalb als nächste Stationen Saft und alkoholfreie Produkte und dazu ein paar Scheiben Brot als Grundlage. Mein Fazit ist klar: Die entalkoholisierten Weine (und Sekte) sind oft langweilig. Viel spannender sind die speziellen Säfte, zum Beispiel die herrliche Konstantinopler Apfelquitte von Van Nahmen oder auch „Cuvée Nr. 27“ mit Birne, Gurke und Quitte von der Manufaktur Jörg Geiger.

Ich mache mich auf eine Rundtour durch die Hallen. Ich wusste, dass hier viele Tausend Aussteller dabei sind, und dass das ganze sehr groß ist. Aber das stimmt nicht: Es ist überwältigend. Kein Wunder, dass ein Shuttlebus von Halle zu Halle fährt.

Prowein Fakten 2022

Besucherinnen und Besucher: 38.000 aus 145 Ländern

Ausstellerinnen und Aussteller: 5.700 aus 62 Ländern

Die Gänge sind sehr breit und auch dadurch wirkt es nicht voll. Hier und da hört man aber auch Unzufriedenheit mit der kurzfristigen Verschiebung vom normalen Mitte-März Termin. Vielleicht sind die Besucher aber auch zum Gottesdienst (13.00 Uhr evangelisch, 14.00 Uhr katholisch).

Ich lasse mich nicht in Versuchung führen … bis ich den Stand vom bekannten Champagnerproduzenten Pol Roger sehe. Da muss ich dann doch die sechs verschiedenen Champagner probieren bis hin zum Cuvée Sir Winston Churchill, der nur in den besten Jahrgängen produziert wird, und dann acht Jahre auf der Hefe liegt, um Tiefe und Geschmack zu erzeugen. Aktueller Jahrgang ist der 2013’er – erhältlich für schlappe 210 Euro.

Gegen Mittag steigt der Hunger. Aber hier wird nicht nach Austern und Kaviar zum Champagner verlangt, sondern nach Pommes mit Mayo und einem Bier dazu.

Ich bin gerade in Osteuropa angekommen, da sehe ich, dass ich in 15 Minuten in Halle 1 an einer Sekt-Glas-Probe teilnehmen wollte. Ich beeile mich, aber bevor ich durch die neue Welt, Portugal, Spanien (2 Hallen) und Italien (3 Hallen) gerannt bin, ist die Probe schon in Gang und es gibt keine freien Plätze mehr.

Gut, dass ich mich bei den Österreichern für eine Verkostung von Topweinen angemeldet habe.

Endlich kann ich sitzen. Präsentiert werden die Weine von Stephan Reinhardt, der für Parker (heute ein internationaler Medienbetrieb, der sich dem Bewerten von Weinen widmet) Punkte verteilt. Das ist eine seltene Gelegenheit, zu erfahren, welche Kriterien bei der Bewertung zugrunde gelegt werden.

Gleich im ersten Flight geht es hoch her (auch wenn es hoch hergeht, ist Flight natürlich kein Flug, sondern die erste von drei Runden Wein, die nacheinander eingeschenkt werden): Drei Spitzenveltliner, die ich sicher nie wieder zusammen probieren darf: 2019er Vinotheksfüllung von Knoll: dicht und ölig mit etwas mehr Säure als der Honivogl von Hirtzberger. Zum Abschluss der Unendlich von F.X. Pichler. Lucas Franz Pichler steht im Hintergrund und kontrolliert, ob Stephan Reinhardt den Wein auch korrekt präsentiert.

Die Weine kosten zwischen 65 und 379 Euro. Foto: Harro Hallmann

Sind diese Weine ihr Geld wert? Die drei Weine gehören eindeutig zu den besten Weißweinen, die ich je probiert habe. Aber was 100 PP (Parker Punkte) bewirken, zeigt der Preis von Pichlers „Unendlich“: 379 Euro! Daneben ist die Vinothekfüllung von Knoll mit 65 Euro günstig und sogar der Honivogl zu 105 Euro immer noch ein Schnäppchen.

Heute konzentriere ich mich auf die Weißweine und da führt dann kein Weg an Südtirol vorbei. Ich besuche einen alten Bekannten, Klaus Gasser, der Verkaufsleiter bei der anerkannten Kellerei Terlan ist. Er erzählte mir, dass sein Job nicht so sehr im Verkauf steht, sondern in der Zuteilung der Weine, die weltweit begehrt sind.

Zum Ausstieg noch mal was Prickelndes – jetzt von Nyetimber. 1988 wurden die drei Champagnertrauben Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier in Südengland angepflanzt. Heute gehören die Schaumweine von Nyetimber zur internationalen Spitzenklasse – die Preise auch. So kostet der 1086 Rosé Prestige Cuveé Jahrgang 2010 stolze 175 britische Pfund beim Produzenten.

Der Tag klingt aus mit Schinken, Spargel und einem Alt auf der Terrasse der Wasser-Sport-Verein Düsseldorf Rudergesellschaft von 1893 e.V. und einem beeindruckenden Sonnenuntergang über dem Rhein.

Zweiter Tag

Wieder frisch für neue Geschmackseindrücke bin ich nach kurzem Fußweg am Rhein um 9.45 Uhr in Halle 1. Dieses Mal passiere ich Deutschland ohne Boxenstopp und lande in Halle 5, wo mir ein großes Banner mit der Aufschrift „Belgischer Wein“ ins Auge fällt. Ich lande bei Wijnkasteel, die unter anderem belgischen Sekt produzieren. Sie sind im Geschäft seit fast 25 Jahren als die Großeltern ein Gut kauften und – eher als Hobby – Wein anpflanzten. Die damals 18-jährige Tochter war aber so angetan von der Idee, dass sie sich diese zu eigen machte und professionell einstieg. Ihr Sohn ist nun in dritter Generation dabei. Die Sekte liegen preislich um die 20 Euro und sind von Champagnerqualität.

Joyce van Rennes und ihr Sohn vom belgischem Weingut Wijnkasteel Foto: Harro Hallmann

Von Belgien direkt nach Österreich in Halle 5. Ich habe mich für eine Sektprobe angemeldet. Hier wird die neue Marke „Sekt Austria“ vorgestellt …

Die Qualität – und der Preis – hängt vor allem mit der Länge der Hefelagerung zusammen. Dadurch werden Schaumweine komplexer, feinperliger und geschmacksintensiver.

Es ist aber nicht immer das, was man möchte, oft ist ein einfacherer Sekt als erfrischender Einstieg angenehmer.

Auch heute wirkt es so, als ob mehr Stände als Besucher hier sind und so sieht man immer wieder gelangweilte Gesichter und es wird viel über das Mobil gewischt.

Trotzdem ist der Zugang der Produzenten sehr unterschiedlich. Viele – vor allem die sich selbst als exklusiv einschätzen  – haben keinen öffentlichen Zugang. Hier bekommt man nur Flüssiges, wenn man eine Verabredung hat. Erfrischend somit, dass Topproduzent Pio Cesare aus dem Piedmont sich dort in die alphabetische Präsentation der Weingüter einreiht und bereit ist, seine Barbarescos und Barolos allen Interessierten zu präsentieren. Diese Weine sind keine Anfängerweine. Die Nebiollotraube enthält viele Gerbstoffe und braucht oft viel Zeit, bevor sie Genuss bereiten, oder aber einen tüchtigen Produzenten, wie in diesem Fall. Die Weine sind hervorragend, beim letzten bekomme ich gar eine Gänsehaut.

Dänischen Wein habe ich nicht gefunden, aber dänische Produkte schon, zum Beispiel „små sure“ und die Fruchtweine der Andersen Winery.

Tipps für den Besuch einer Weinmesse

Die Versuchungen sind groß, aber wenn man es durch den Tag schaffen möchte, dann sollte man folgende Regeln beachten:

  • Strategie festlegen: Was möchte ich probieren?
  • Nicht alles durcheinander schmecken, zum Beispiel erst nur trockene Weißweine, dann Rotweine, dann die Süßen.
  • Hochprozentiges meiden.
  • Reichlich Essen, Brot ist gut.
  • Viel Wasser trinken.
  • Ausspucken (auch das sollte geübt werden) – nicht immer, aber immer öfter.

Die Franzosen bieten auch eine Champagner Lounge mit 60 bis 70 verschiedenen Produkten. Der Chef bemüht sich die Besucher davon abzuhalten, sich selbst einzuschenken – in Englisch mit französischem Akzent: „Dies ist keine Bar und ich bin nicht der Bartender.“ Ich versuche Anerkennung zu finden, in dem ich nach einem „Blanc de Blanc extra brut“ frage.

Um 14 Uhr muss ich mich entscheiden zwischen der Nahe (Boden Multi-Kulti) und der Schweiz (Spitzenweine). Ich gehe in die Alpen.

Winzer Jonas Ettlin erzählte sehr engagiert über die Schweiz und ihre Weine. Foto: Harro Hallmann

Hier berichtet Winzer Jonas Ettlin sehr wissend und engagiert über die Schweiz und ihre Weine. Aber warum findet man kaum Schweizer Weine in den Läden? Weil die relativ geringen Mengen, die auf den knapp 15.000 Hektar produziert werden, fast alle in der Schweiz getrunken werden!

Pünktlich um 15 Uhr bin ich zurück in Spanien. David Schwarzwälder – Journalist, Autor, Dozent – stellt kenntnisreich acht weiße Weine aus dem spanischen Bereich Rueda vor. Die Weine sind in der Stilistik sehr unterschiedlich, zeichnen sich aber durch ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis aus. Als Belohnung gibt es für die Teilnehmer am Schluss Serrano und Cracker.

Für etwas Exotik muss Platz sein, hier ein paar Beispiele:

Wein aus Armenien: Viele autochthone (einheimische) Rebsorten und insgesamt gute Qualitäten. Allerdings sind es wohl vor allem Touristen und Weinfreaks, die armenische Weine kaufen. Ich denke, es wird noch lange dauern, bis man ernsthaft vor die Wahl gestellt wird zwischen beispielsweise einem spanischen und einem armenischen Wein – das gilt aber für viele andere Länder ebenfalls.

Jörg Müller stellte vier trockene Sake vor. Foto: Harro Hallmann

Sake: Viele haben sicher den warmen Reiswein im Restaurant probiert. Der hat aber genauso wenig mit richtigem Sake zu tun, wie die deutschen Weine, von denen man im Grenzshop sechs für 100 Kronen bekommt. Jörg Müller von Ueno Gourmet stellt vier trockene Sake vor. Die Preise fangen an bei 20 Euro und gehen bis 60 Euro. Dafür ist es ein ganz anderes Geschmackserlebnis: seidig, sanft und vielschichtig – und übrigens durchaus kalt zu genießen. Das sollte man sich ruhig mal gönnen.

Weißer aus Vacqueyras: Ich schätze die Roten Weine aus Vacqueyras. Das sind schwere Weine mit viel Charakter und oft billiger als die Nachbarweine aus Châteauneuf-du-Pape. Die vier Weißweine, die ich verkoste, sind frisch und floral, mit viel Eleganz und einer schönen Säure. Aber nicht merkwürdig, dass ich von dort noch nie Weiße bekommen habe, den die machen nur 5 Prozent der Produktion auf den 1.460 Hektar aus.

Ich schließe, wo ich angefangen habe, bei Raumland, wo mir jetzt von Tochter Katharina die schönen Sekte serviert werden.

Müde und voller neuer Eindrücke und Erfahrungen esse ich noch ein großes Steak, bevor ich früh zu Bett gehe. Dienstag ist die ProWein auch noch für Besucher geöffnet, aber ich verzichte und werde mir stattdessen Düsseldorf ansehen.

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