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Kultur im Würgegriff: Appell an die Politik

Kultur im Würgegriff: Appell an die Politik

Kultur im Würgegriff: Appell an die Politik

Hadersleben/Haderslev
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Theaterchef Nikolaj Mineka (Mitte) bittet die Politik um klare Ansagen mit Blick auf die Perspektiven für Kulturschaffende. Foto: Ute Levisen

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Mehr als 60 Vorstellungen musste das Ensemble des Møllen-Theaters aufgrund des Shutdowns abschreiben. Am Schlimmsten aber ist die Ungewissheit, sagt Theaterchef Nikolaj Mineka: In der allgegenwärtigen Diskussion über eine Wiederöffnung der Gesellschaft spielt die Kultur eine Nebenrolle – mit fatalen Folgen.

„Die kleinen, unabhängigen Kinder- und Jugendtheater wird es zuerst treffen.“ Sagt Nikolaj Mineka, Direktor des Regionaltheaters Møllen in Hadersleben. Denn in der anhaltenden politischen Debatte über eine stufenweise Wiederöffnung der dänischen Gesellschaft im Kielwasser der Corona-Pandemie spiele die Kultur eine unbedeutende Nebenrolle.

Experten: Geringes Risiko in Kultureinrichtungen

„Dabei weisen Expertenanalysen darauf hin, dass die Ansteckungsgefahr in Kultureinrichtungen minimal ist“, sagt Mineka. Er habe volles Verständnis dafür, dass angesichts der Situation Vorsicht geboten sei, nicht aber für die anhaltende Ungewissheit, in der man die Kulturinstitutionen belasse.

Das Theater Møllen am Haderslebener Mühlenstrom (Archivbild) Foto: Ute Levisen

„Bei uns im Møllen ist die Lage zwar kritisch, aber so lange wir unsere kommunale Förderung haben, wird es auch im kommenden Jahr Theater geben. Längst nicht alle sind in dieser beneidenswerten Lage“, so Mineka.

Bilka als kultureller Höhepunkt

„Die Kultur hat in den Augen der Politik keine große volkswirtschaftliche Bedeutung und wird dementsprechend nicht priorisiert. Was aber ist mit der mentalen Gesundheit der Bevölkerung?“, fragt Mineka und appelliert an all jene, die über eine Wiederöffnung verhandeln: „Könnt ihr euch eine Zeit nach Corona vorstellen, in welcher der kulturelle Höhepunkt für viele Menschen nach wie vor ein Abstecher zu Bilka ist? Ich schon! Die Kultur hat für das mentale Gleichgewicht eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Dennoch fühlen wir uns wie in einem Schraubstock.“

Nikolaj Mineka appelliert an die Politiker, Kunst- und Kulturschaffende als gleichberechtigte Partner in die Gespräche über eine stufenweise Wiederöffnung der Gesellschaft einzubeziehen. (Archivfoto) Foto: Ute Levisen

Hilfspakete, die nicht helfen

Die Hilfspakete, beispielsweise in Form der sogenannten „Aktivitäts-Pulje“, entpuppen sich für Kulturschaffenden als Teufelskreis: Finanzielle Unterstützung mit Fördermitteln von diesem Konto des Kulturministeriums können sie nur für Aktivitäten beantragen, die auch durchgeführt werden. Da aber immer wieder Kulturveranstaltungen mehr oder weniger kurzfristig abgesagt werden müssen, können dafür keine Fördergelder beantragt werden. Vor allem für kleinere, unabhängige Theater ohne staatliche und kommunale Zuschüsse wird es zusehends eng: Ihre Existenz ist bedroht.

Frustration angesichts mangelnden Willens

Der Theaterdirektor macht aus seiner Frustration angesichts mangelnden politischen Willens, die Kunst in der Diskussion über eine Wiederöffnung zu berücksichtigen und wegen des fehlenden Verständnisses, nicht zuletzt für die Arbeitsbedingungen der Theaterschaffenden, keinen Hehl. Die Branchenorganisation der dänischen Theater leiste diesbezüglich enorme Lobby-Arbeit, so Mineka: „Ich möchte mir nicht vorstellen, wo wir ohne sie stünden.“

Der Theaterchef ist der Auffassung, dass die Theater mit den notwendigen Maßnahmen eine Öffnung umsetzen könnten.

Könnt ihr euch eine Zeit nach Corona vorstellen, in welcher der kulturelle Höhepunkt für viele Menschen nach wie vor ein Abstecher zu Bilka ist? Ich schon!

Nikolaj Mineka, Theaterchef, Møllen

Appell an die Politik

„Ich würde mir wünschen, dass man uns Kulturschaffende gleichberechtigt mit anderen Ressorts, die zur Gesellschaft beitragen, in die Debatte einbezieht“, betont Mineka. „Wir brauchen klare Ansagen über unsere Perspektive, und wir brauchen langfristige Hilfspakete, die auch helfen, sodass wir planen und investierten können. Eine Gesellschaft ohne Kunst und Kultur ist auf Dauer nicht überlebensfähig – weder mit Blick auf die Kultur, Bildung oder die Volkswirtschaft.“

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