Obdachlosigkeit
Von der Straße und der Sucht zur sozialen Stütze
Von der Straße und der Sucht zur sozialen Stütze
Von der Straße und der Sucht zur sozialen Stütze
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Seit 151 Tagen ist Michael Sørensen trocken. Der 48-Jährige hat das Leben von der harten Seite kennengelernt. Zehn lange Jahre lebte er auf der Straße – von der Hand in den Mund. Jetzt möchte er anderen helfen – im Kampf gegen den inneren Schweinehund. Er hofft dabei auf Hilfe von ganz oben.
„Einfach ist es nicht, jeder Tag ein Kampf!“ – Michael Sørensen macht keinen Hehl daraus, wie schwer es ist, sich über Wasser zu halten, mental und sozial.
Viele Jahre war der Wodka sein bester Freund: Sørensen hat getrunken, seit er 16 war. Einen Beruf hat er nie gelernt, dafür ist er handwerklich begabt. Zehn Jahre lebte der heute 48-Jährige auf der Straße. Jetzt möchte er als Repräsentant der landesweit agierenden Obdachlosen-Organisation „SAND Sønderjylland“ anderen Menschen in ähnlichen Lebenslagen helfen, sich selbst zu helfen.
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Zum Kaffee beim Bürgermeister
Am Montag war er bei Bürgermeister Mads Skau (Venstre) im Haderslebener Rathaus zum Kaffee eingeladen. Als Mitbringsel hatte Sørensen einen Weihnachtsbaum dabei – und als Dekoration viele Kärtchen, auf denen Bürgerinnen und Bürger einen Gruß für ihre Mitmenschen am Rande der Gesellschaft hinterlassen können.
„Ich möchte gern wissen, wie es in der Kommune Hadersleben aussieht, welche Angebote es hier für Menschen ohne festen Wohnsitz gibt“, erläutert Michael Sørensen sein Ansinnen beim Bürgermeister der Großkommune.
Dort war er an der richtigen Adresse. Laut Rolf Dalsgaard Johansen, Direktor des kommunalen Sozialressorts, hat Hadersleben im vergangenen Jahr im Rahmen einer Zählung 27 Menschen ohne festen Wohnsitz registriert.
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Einsatz gegen Obdachlosigkeit
„2019 waren es noch 70“, sagt Dalsgaard. Mithilfe eines systematischen Einsatzes sei es der Kommune gelungen, diese Zahl zu reduzieren. Geschafft hat sie dies unter anderem durch die Bereitstellung preisgünstigen Wohnraums.
Genau darin bestehe ein Problem: „Es gibt hierzulande einfach zu wenige billige Wohnungen“, sagt Sørensen.
Der 48-Jährige hat Glück gehabt: Er bezieht zum Jahreswechsel eine preisgünstige Wohnung in Hadersleben.
Zurzeit lebt er in einer Art „Ausschleuse-Wohnung“ in Woyens (Vojens). Dort ist der gebürtige Svendborger im „Behandlingscenter Stien“, macht eine Alkoholentzugstherapie und lebt in einer betreuten Wohnung.
„Jeder Tag zählt“, sagt Michael Sørensen. Seit nunmehr 151 Tagen ist er trocken – und stolz darauf.
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Ein Schritt nach vorn – zwei zurück
Nicht zum ersten Mal hat er dem Alkohol den Kampf angesagt – und lange durchgehalten: „Doch es gab immer wieder Rückfälle. Es ist verdammt schwer, von der Flasche loszukommen“, räumt Sørensen ein.
Er ist zurzeit auf Arbeitssuche: „Ein Flexjob wäre toll!“
Als Repräsentant von „SAND Sønderjylland“ kommt er viel herum im Grenzland. Dabei hat Sørensen auch Obdachlose aus Deutschland getroffen, von denen einige nach Dänemark kommen: „Hierzulande ist es nicht einfach, aber in Deutschland obdachlos zu sein, das ist unmenschlich“, sagt er.
Dort gebe es nicht genügend Angebote für Menschen, die auf der Straße dahinvegetieren.
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Wachsende Armut
Die Gründe dafür, warum Menschen „auf der Straße landen“, seien mannigfaltig, sagt er: Todesfälle, Stress, ein „psychischer Knacks“, Missbrauchsprobleme, Angstzustände, gesundheitliche Probleme, häusliche Gewalt und Arbeitslosigkeit – das sind nur einige.
„Es gibt immer mehr Armut. Viele, vor allem Frauen, reagieren hilflos, meiden den Kontakt zu den Behörden aus Angst, man könnte ihnen die Kinder wegnehmen. Es ist zu einfach zu sagen, die Leute sind selbst schuld“, sagt Michael Sørensen.
Seit 151 Tagen kämpft er sich zurück in die Mitte der Gesellschaft, raus aus der Hölle des Missbrauchs, und er versucht zu helfen, wo er kann, indem er Mitmenschen etwa bei Behördengängen unterstützt.
Gleichwohl verpasst er keine Sitzung der „Anonymen Alkoholiker“ unter dem Dach des Haderslebener Freiwilligencenters: „Denn jeder Tag zählt.“