Deutsche Minderheit

„Claus ist mein Held!“

„Claus ist mein Held!“

„Claus ist mein Held!“

Karin Friedrichsen
Karin Friedrichsen Journalistin
Jägerup/Jegerup
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Claus Carstens
Asger Nissen und Claus Carstens (v.l.) am Roder, wo Carstens Erste Hilfe leistete. Foto: Karin Friedrichsen

Der couragierte Lebensretter Claus Carstens wurde für „Røde Kors Førstehjælpsprisen“ nominiert. Asger Nissen, der im vergangenen Sommer fast von einer Kartoffelrodemaschine verschlungen wurde, und sein Retter, reden sich ihr Trauma von der Seele.

„Es ist einer der schönsten Sonnentage, die wir hatten“, erinnert sich Claus Carstens an jenen schicksalsschweren   8. Oktober  2017.

Rund fünf Monate später durchspielen Carstens und sein Kollege Asger Nissen (57)  den schweren Arbeitsunfall an jenem Sonntag noch einmal in Gedanken. Die Zeitung trifft die Kollegen  am Adelvej . In der Scheune  steht der Kartoffelroder in den  Nissens linke Hand eingeklemmt wurde. Der 57-Jährige wurde  quasi Stück um Stück von der Maschine „verschlungen“.

Die Ehefrau   des Arbeitgebers der beiden Männer hatte  Carstens für den diesjährigen  Ersthelferpreis von „Røde Kors“ vorgeschlagen. Der Jägeruper, der sich auch in der Dorfgemeinschaft und der deutschen Gemeinschaft in Mölby    engagiert, und 2017 für die Schleswigsche Partei für die Kommunalwahl kandidierte, wurde zusammen mit zwei  weiteren Ersthelfern nominiert. Wer  den   mit 10.000 Kronen dotierten Preis bekommt, entscheidet sich  bei einer Feier am Donnerstag in Kopenhagen.

Dass   Nissen  mit einer Amputation des linken Unterarms entkam, verdankt er Carstens couragiertem Einsatz. „Ich war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort“, sagt Carstens. In der Firma  war beschlossen worden, die trockene Witterung zu nutzen, um Pflanzkartoffeln zu ernten.

„Und dann höre ich Asger, und weiß sofort, dass etwas nicht in Ordnung ist“

Asger Nissen leitete seinen Arbeitstag frühmorgens  ein. Carstens,  so der Plan, sollte später dazustoßen. Als der 65-Jährige gegen 10 Uhr in seiner Küche steht  um sein Mittagsbrot parat zu machen, klingelt sein Smartphone: „Und dann höre ich Asger, und weiß sofort, dass etwas nicht in Ordnung ist“, erinnert sich  Carstens. Die beiden wechseln  einige Worte. Carstens wird    der  Ernst der Lage klar, als  Asger Nissen mit  schwacher Stimme sagt, dass er im Kartoffelroder festsitzt.

Noch während Carstens zu seinem Auto läuft, alarmiert er den Notruf. Auf der Fahrt zu dem nahe gelegenen Feld, mit dem Handy am Ohr,  beschreibt der 65-Jährige die Situation und erklärt, wie die Rettungsmannschaften den Weg zum Unfallort findet.

Er findet  seinen Kumpel in einer Lage vor, die selbst seine  schlimmsten Befürchtungen übertreffen: „Ich sehe, wie die Maschine steht und da wo Asger sitzt, das ist gar nicht gut.“ Carstens stellt den Motor vom Traktor, der dem Roder vorgespannt ist, aus, während   er ins Smartphone  ruft,  dass die Retter „mit dem ganz  schweren Gefährt“ anrücken müssen, um Nissen aus dessen lebensbedrohlichen Lage zu befreien.

„Die Maschine  hat ihn langsam aufgefressen“

„Es ist ein Blutbad. Das gibt es gar nicht. Die Maschine  hat ihn langsam aufgefressen“, erinnert sich  Carstens. Der   Jägeruper schiebt seine Gefühle beiseite, erfasst die Situation rational. Ihm  ist klar, dass er sich vollends auf  Nissen konzentrieren muss. Seine linke Hand wurde, als offenbar die Maschine kontrollierte, zwischen zwei Rollen, die von einer starken Federbelastung zusammen gehalten werden,  erfasst.   Carstens drückt mit seinem Daumen in die klaffende Wunde, um zu verhindern, dass Nissen noch mehr Blut verliert, wirkt beruhigend auf ihn ein. Als die Männer Sirenen in der Ferne hören, schöpfen sie neue Hoffnung.

Bis die Rettungsmannschaften   den 57-Jährigen aus der Maschine befreien können, vergehen weitere  45 Minuten. Währenddessen wird  der Oxenwatter am Unfallort medizinisch versorgt und stabilisiert. 

„Wir sind enger geworden nach dem Unfall“

Nissen wird anschließend  in das Universitätskrankenhaus Odense (OUH) gebracht, wo die Ärzte ihm den linken Arm bis zum Ellenbogen operativ entfernen. „Claus ist mein Held“, fasst Nissen das in Worte, was ihn bewegt.

Nach der Notoperation tritt  Carstens als erster an sein Bett. Drei, vier Minuten lassen  sich die Männer Zeit, um das Geschehene  durchzusprechen, wobei auch Tränen fließen.  „Mehr haben wir nicht gebraucht, aber wir sind enger geworden nach dem Unfall“, stellt Carstens fest.

Die Männer haben beide eine Landwirtschaftsausbildung und sind Jagdkameraden. Während Carstens seinen Hof 2013 verkaufte und Lohnempfänger wurde, hat Nissen unter anderem als Hundeführer beim Militär gearbeitet und in  den Staaten und Afrika gelebt.

„Asger hat überlebt und das ist das Wichtigste!“

Inzwischen ist er soweit genesen, dass er in Teilzeit arbeitet. Er verspricht sich viel von einer  fortschrittlichen  Armprothese, die ihm am 9. April  im OUH angepasst wird. Es gehe ihm  „einigermaßen“ und es sei gut für ihn, offen über das Geschehene zu reden. Deswegen  habe er auch keine Probleme damit im Vorfeld der Preisverleihung ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu kommen.

Zur Preisverleihung   werden die Männer von ihren „besseren Hälften“ begleitet.  Carstens hatte sich anfangs gegen die Nominierung  gesträubt, denn für ihn habe  der Unfall nichts mit
einem Wettbewerb zu tun. Inzwischen versöhnte er sich mit dem Gedanken an dem Ereignis teilzunehmen: „Die Botschaft  des Roten Kreuzes ist, dass es nutzt Erste Hilfe zu leisten.   Asger hat überlebt und das ist das Wichtigste!“ 

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Leitartikel

Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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