Jubiläumsjahr 2020

Mit dem „Vereinigungsbus“ Appetit machen auf Geschichte

Mit dem „Vereinigungsbus“ Appetit machen auf Geschichte

Mit dem „Vereinigungsbus“ Appetit machen auf Geschichte

Karin Friedrichsen
Karin Friedrichsen Journalistin
Hadersleben/Haderslev
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Museumsinspektorin Frauke Witte (vorne) tourt mit dem „Vereinigungsbus" über Land. Foto: Karin Riggelsen

100. Jahrestag der Grenzziehung: Der Museumsverband präsentierte zwei Projekte: Einen Bus, der über Land tourt, und eine informative Jubiläumsschrift. Schüler der deutschen Schule in Tingleff waren „Versuchskaninchen“.

Der Museumsverband „Museum Sønderjylland“ hat am Donnerstag in seiner Abteilung für Archäologie zwei markante Projekte vorgestellt. Zum 100. Jahrestag der Grenzziehung fahren Mitarbeiter des Museums über Land, um die Geschichte des Landesteils zu vermitteln. „Genforeningsbussen 2020“ ist vom Präsidium des Grenzjubiläums als eines der Leuchtturmprojekte gekürt worden.

Die Veranstaltung des Museums war gut besucht Foto: Karin Riggelsen

Bus verwandelte sich in ein Klassenzimmer

Der Bus wird im Wechsel von zwölf Mitarbeitern des Museums bemannt. Der Bus hat sich in ein Klassenzimmer verwandelt, in dem digital zu den Themen Geschichte, Kunst, Mathematik, Gesellschaftskunde und Identität unterrichtet wird.

Das Klassenzimmer auf Rädern wird vom Januar bis zum 11. Juli Schulen und Events in Dänemark und Norddeutschland besuchen. „Der Bus ist ein voller Erfolg. 80 Schulen haben sich angemeldet, und wir haben eine Warteliste angelegt“, sagt Merete Essenbæk. Die Abteilungsleiterin rechnet damit, dass 10.000 bis 12.000 Kinder und Jugendliche unterrichtet werden können. „Wir sind im ganzen Land unterwegs und fahren auch nach Südschleswig“, erklärte Essenbæk.

Zehntklässler der deutschen Schule in Tingleff/Tinglev und der Haderslebener Kløvermarksskolen waren am Mittwoch als Versuchskaninchen angeheuert worden, um die vier verschiedenen Verläufe zu testen.

Museumsleiterin Mette Elstrup und ihr Team von der Grammer Tongrube laden zu einer Entdeckungsreise auf den Meeresboden ein. Foto: Ute Levisen

Auf beiden Seiten der Grenze unterwegs

In der Kalenderwoche 5 kommen unter anderem Schüler der Deutschen Privatschule Apenrade (DPA) in den Genuss des außergewöhnlichen Geschichtsunterrichts. Zwei Wochen später, wenn in weiten Teilen Dänemarks die Winterferien angesagt sind, fahren die Museumsleute nach Südschleswig, um in dortigen dänischen Schulen das Interesse für die Grenzlandgeschichte zu wecken.

Der Unterricht wendet sich an Oberstufenschüler und Gymnasien, und die Einrichtungen müssen 2.500 Kronen bezahlen, wenn der Bus ihre Einrichtung ansteuert.  Das Projekt kostet fast 2 Millionen Kronen und wurde unter anderem durch finanzielle Unterstützung vom „Nordea Fonden“, „Slots- og Kulturstyrelsen“ und „Den Slesvigske Sammling“ ermöglicht, erklärt  Essenbæk.

Die Museumsinspektorin Frauke Witte wird unter anderem mit ihrer Kollegin Essenbæk auf „Roadshow“ gehen. „Als Archäologin gehört diese Arbeit nicht zu meinen Kernaufgaben. Ich freue mich aber auf die Herausforderung“, so Witte, die aus Deutschland stammt. Unterrichtet werden die Jugendlichen in verschiedenen Verläufen, bei denen sie beispielsweise ihre mathematischen Fähigkeiten testen, Filme machen oder Nachrichten produzieren können, basierend auf der Geschichte des Landesteils.  Das Unterrichtsmaterial ist auf das Grenzland zugeschnitten und fußt auf den Ereignissen vor und nach der Grenzziehung.

„Es können Wahlplakate erarbeitet, Zeitlinien erstellt und Filme gemacht werden“, erklärte Frauke Witte. Die Jugendlichen bereiten sich zusammen mit ihren Lehrern auf den Unterricht im Bus vor. „Uns ist wichtig, das Interesse für diese Zeit zu wecken und das Verständnis für die Situation der Menschen, die damals gelebt haben, näherzubringen“, so Frauke Witte.

Kaj Kongsted im Gespräch mit Busfahrer Robert Oldager. Kongsted interessiert sich für seine Heimat und er besucht gerne das Museum. Foto: Karin Riggelsen
Museumsinspektor Mikkel Leth Jespersen stellt das neue Buch vor. Die Mitverfasser Mariann Kristensen, Axel Johnsen und Lisette Juhl Hansen (v. l.) sprachen über ihre Beiträge. Foto: Karin Riggelsen

Informative Jubiläumsschrift

„Genforeningen 100 år 1920-2020“, so der Titel der Jubiläumsschrift, mit der der Museumsverband auf die vergangenen 100 Jahre zurückblickt. Das historische Archiv beleuchtet mit 14 Artikeln auf 112 Seiten zentrale Ereignisse um 1920, die Volksabstimmung und König Christian X., H. P. Hanssen, den Architekten hinter der Grenzziehung. Das Buch haben Experten geschrieben. Drei Verfasser gaben am Donnerstag kleine Geschmacksproben von ihren Beiträgen.

Abteilungschef Axel Johnsen schildert die dramatischen Ereignisse in den Ostertagen 1920. König Christian X. setzte alles auf eine Karte bei dem Versuch, Flensburg für Dänemark zu gewinnen. Seine Bemühungen missglückten, aber er gewann die Gunst des Volkes, als er bei dem Wiedereingliederungsfest (dänisch: genforening) im Juli 1920 bei Christiansfeld über die alte Grenze ritt.  Johnsen beschreibt auch, wie die Infrastruktur des Landesteils nach und nach aufgebaut werden musste, nachdem das Ergebnis der Volksabstimmung im Februar 1920 vorgelegen hatte. Das dänische Militär hielt im Mai 1920 Einzug. Das war der erste sichtbare Beweis dafür, dass der Landesteil dem Königreich angegliedert wurde.

Museumsinspektorin Mariann Kristensen erläutert in ihrem Beitrag die Rolle der Kinder. Sie figurierten auf den weitverbreiteten Wahlplakaten, bei denen für eine Zugehörigkeit für Dänemark argumentiert wurde, und sie wurden auch als praktische Wahlhelfer eingesetzt.

Martha und Carsten Vollstedt Foto: Karin Riggelsen

Geschichtsbewusste Haderslebener

„Ich bin sehr geschichtsbewusst. In meiner Jugend wünschte ich mir eine gymnasiale Ausbildung, um Historiker zu werden“, erinnert sich Birger Mikkelsen. Der gebürtige Svendborger machte stattdessen eine Bankausbildung. Das Geschichtsinteresse begleitete ihn über alle Jahre. „Das ist eines meiner großen Hobbys. Deswegen haben meine Frau und ich auch eine Wohnung in Berlin gehabt“, so der Wahlhaderslebener, der der Projekt-Präsentation im Museum beiwohnte.

Martha und Carsten Vollstedt (74) besuchten auch die Veranstaltung. Carsten Vollstedt ist in der deutschen Minderheit aufgewachsen: „Es ist wichtig, die eigenen Wurzeln und die eigene Heimat zu kennen. Das Wissen gibt meinem Leben einen sicheren Halt“, stellt Vollstedt fest.      

Birger Mikkelsen mit dem neuen Archiv. Die Jubiläumsschrift ist beim Museumsverband erhältlich und kostet 70 Kronen Foto: Karin Riggelsen
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