Hausverkauf

Eine emotionale Achterbahnfahrt

Eine emotionale Achterbahnfahrt

Eine emotionale Achterbahnfahrt

Bettina P. Oesten
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Die Journalistin hat den Sommer im Garten ihres Elternhauses genossen. Foto: Karin Riggelsen

Nach 60 Jahren nimmt die freie Journalistin Bettina P. Oesten Abschied von ihrem Elternhaus. Sie hat aber auch Vorfreude auf den neuen Lebensabschnitt.

Noch ist das Haus nicht verkauft. Noch bleibt etwas Zeit, den inneren Abschied zu vollziehen. Doch das Verkaufsschild steht nun mal da, es gibt kein Zurück. In absehbarer Zeit werden mir heute noch unbekannte Menschen hier wohnen, werden über den knarrenden Parkettfußboden laufen, auf dem schon meine Kinderfüße herumgetapst sind. Das Quietschen und Knarren beim Öffnen einer in die Jahre gekommenen Tür, das Summen und Gluckern der Heizkörper, das leise Brummen des Kühlschrankes – bald wird die vertraute Geräuschkulisse dieses Hauses für immer aus meinem Alltag verschwunden sein. Bald wird hier anders gesprochen, anders gedacht, anders geträumt werden. Ein merkwürdiger Gedanke.

Dieses Haus, es hat viele Gäste empfangen und beherbergt. Menschen aus aller Welt. Auf Langløkke 4 war immer ein Kommen und Gehen. Nachbarn, Freunde, Verwandte. Kinder, Erwachsene. Es war stets ein für alle offenes Haus. Es hat Feste mitgefeiert, Erfolge zelebriert, Rückschläge aufgefangen. Es hat Gesprächen in fremden Sprachen gelauscht und dazu ein wohliges Gefühl der länderüberschreitenden Zusammengehörigkeit geschaffen.
Es hat seine Bewohner lachen hören und weinen sehen, hat glückselige Momente ebenso miterlebt wie tiefe Verzweiflung, als kurz nacheinander zwei tragische Ereignisse über unsere Familie hereinbrachen. Immer bot es Wärme, Schutz, Geborgenheit und auch Trost und sah nach den dunklen Jahren zum Glück die Sonne wieder aufgehen und die Heiterkeit erneut auf der Anhöhe Einzug halten.

Und der Garten, wo sich die Bienen jeden Sommer eifrig summend ihren Nektar abholen und anmutige Schmetterlinge lautlos die Lavendelsträucher bevölkern. Wo die Vögel mit Vollgas durch Hecke und Büsche fliegen und Luftakrobatik vom Feinsten abliefern. Wo auch der Wildwuchs seine Berechtigung hat, weil ein bisschen Pflanzenchaos nicht schaden kann und man der Gartennatur auch ruhig mal freien, sprich ungeordneten Lauf lassen sollte.

Bettina P. Oesten im Garten. Foto: Karin Riggelsen

Ja, der Garten, was wird mit ihm passieren? Wird er modernen Gartentrends zum Opfer fallen nach dem Motto: quadratisch, praktisch, pflegeleicht? Viel Rasen, wenig drumherum, damit der Mähroboter auch ja ungestört seine monotonen Runden drehen kann? Den verstörenden Gedanken, dass hier bald ein Motorsägenmassaker den Bäumen und Büschen und somit auch dem Vogel- und Insektenleben den Garaus machen wird, muss ich schnell wieder in die Flucht jagen. Es muss ja auch nicht so kommen.

Überhaupt: Schluss jetzt mit Melancholie und Trübsinn. Zurück zu den nackten Fakten. Das Haus ist zu groß, der Garten mit Unkraut übersät, und das Ganze braucht dringend mal ein Facelifting. Sechs Jahrzehnte gehen nicht spurlos an einem Haus und seinem Grundstück vorüber. Und außerdem: Es ist doch nur ein Haus. Es sind doch nur Backsteine. Oder etwa nicht?

Also dann: Seid mir willkommen, ihr künftigen Eigentümer, die meinem Haus neues Leben einhauchen werdet. Macht es zu eurem Haus, zu eurem Garten.
Ich ziehe weiter, blicke nach vorn. Danke, altes Haus, mach’s gut!

Ein Abschnitt voller gelebten Lebens geht ein für alle mal zu Ende. Ich schlage jetzt neue Seiten im Lebensbuch auf. Und die Überschrift dieser Seiten wird sein: weniger besitzen, noch mehr leben.
Ich freue mich drauf!

Mehr lesen